Am Anfang, das wissen wir alle, schuf Gott Himmel und Erde, ein paar Tage drauf die Tiere und schließlich den Menschen. „Nach seinem Ebenbild“ – eine einfache Formel, wüssten wir, wie Gott aussieht.
Seit Darwin ist die Vorstellung im Umlauf, dass Gott nur die Amöbe schuf, alles andere habe sich automatisch nach dem Gesetz von Versuch und Irrtum und dem Überleben des besser Angepassten entwickelt. Manchmal klappte es nicht so, es vermischten sich die Gattungen: Fischen wuchsen Flügel, Vögel wurden zu Landgängern und allerlei Bastarde entstanden, etwa der Minotaurus und der Kentaur auf dem Bild.
Vielleicht ist es aber gar nicht so gewesen? Vielleicht – ich frage ja nur! – schuf und schafft Gott das Leben und bildet ihm ein sein Ebenbild. Und so strebt das Lebendige seit allem Anbeginn dem Göttlichen zu, bemüht, ihm gleich zu werden.
Der Mensch hat seither viele Stufen der Entwicklung durchlaufen, hat Gestalten angenommen und wieder verworfen, und ist nun das, was wir kennen. Immer noch in Entwicklung begriffen freilich, denn: gleicht unsere Gestalt der uns eingepflanzten Idee vom Göttlichen? Nun, teils – teils, würde ich sagen. Leonardo hat in seinen Studien zu den menschlichen Proportionen ja etliche Übereinstimmungen mit den harmonischen Gesetzen gefunden, die den gesamten Weltenbau beherrschen.
Es gab Zeiten, da imaginierte der Mensch seine Götter als Mischgestalten, zum Beispiel die widderköpfige Amun oder den falkenköpfigen Re der Ägypter. Die Griechen sahen ihren Gott Zeus in der Gestalt des Stiers oder Schwans sich den Menschen nähern, und als Goldregen kam Zeus zu Danae, denn seinen direkten Anblick konnte sie nicht ertragen. Die Darstellungen solcher Mischverhältnisse und Kopulierereien waren im antiken Griechenland keineswegs anrüchig. Sie hatten fast rituellen Charakter.
Erst seit der Wiederentdeckung des griechischen Altertums und seiner Mythen wurden die Weiber als wollüstige und/oder vergewaltigte Wesen ins Bild gesetzt. (Hier: Europa mit dem Stier von Beckmann und Danae von Klimt.)
Nun zurück zu meinen griechischen Mischwesen. Rechts oben seht ihr den Schöpfer – fragt mich nicht, wer das sei! -, und links den Minotaurus mit dem Symbol der Sonne über seinem Haupt – denn seine Mutter Pasiphae war eine Tochter des Helios. Der Minotaurus hat einen menschlichen Leib, aber einen stierigen Kopf. Das ist eine sehr unglückliche Kombination. Er hält zwei Tierköpfe hoch, und es scheint mir, der Schöpfer überlegt, welches der passendere sei. – In der Mitte ein Kentaur, eigentlich ein Pferd, aber sein oberer Teil ist menschlich. Deshalb denkt er wie ein Mensch. Das zeigt sich in seiner spitzen Lanze. Kentaur wird sprachlichlich abgeleitet von kentao (sticken) und Aura: Er sticht in die Aura, als Heiler (Akkupunktur) oder um zu töten.
Nachdem der Schöpfer die Gestalten umrissen hatte, setzte er sie in Bewegung.
Denn er war neugierig. Wie würden sie sich verhalten, wenn er sich selbst raushielt? Was würde die Oberhand gewinnen: das tierische oder das menschliche Element?
Ich fürchte, diese Frage ist immer noch nicht entschieden.
HEUTE bekommen menschen die leber vom schwein. — öh
da ist mir die verwandlungsspielerei der antiken wesen spannungsgeladen kreativ und in allen farben schillernd.
BIN LUISE
LikeGefällt 2 Personen
und gelegentlich auch das Herz implantiert….
LikeLike
Beeindruckend, deine collagierte Genesis, toll ergänzend bebildert…
Zum Thema Fische bekommen Flügel habe ich mal das hier geschrieben, eine kleine Parabel über die Liebe:
https://finbarsgift.wordpress.com/2013/07/23/vogel-und-fisch/
Liebe Abendgrüße vom Lu
LikeGefällt 1 Person
O, die Geschichte gefiel mir!! Danke für den Tipp, Lu Finbar!
LikeGefällt 1 Person
Sehr gerne!
I am glad you liked it 🙂
LikeGefällt 1 Person
Stimmt, liebe Gerda, diese Frage ist noch nicht endgültig beantwortet.
Schon genial, wie du es verstehst mir die griechische Mythologie Stück für Stück näher zu bringen … ich habe viel vergessen!
herzliche Abendgrüsse
Ulli
LikeGefällt 1 Person
Ist mir ein Vergnügen, Ulli!
LikeGefällt 1 Person
Die Frage ist definitiv noch nicht entschieden, wobei ich manchmal glaube, insbesondere, nachdem ich mir die Nachrichten angesehen habe, dass vielleicht eine „negative“ Antwort erfolgt.
Aber genug des Pessimismus` – Was mich umtreibt ist u.A. auch die Frage – Du schriebst oben von Darwin und/oder Entwicklung – ob die „Entwicklung“ im positivistischen Sinn zu verstehen ist.
Ich glaube das nicht.
Vielmehr gehe ich davon aus, dass „die Menschen“ evtl. vor ein paar Jahren/Jahrhunderten/Jahrtausenden sogar „weiter entwickelt“ waren als heutzutage. Das aber liegt auch an meiner Sicht der Dinge, ich mag „das Altertum“ ja recht gerne … 🙂
Mir fällt aber gerade auf, dass sich mit der „Entwicklung“ eigentlich die Frage nach dem „Guten“ verbindet, also „wohin oder wie“ soll sich der Mensch entwickeln. – Um zu beurteilen, ob es eine „positive“ Entwicklung ist.
Zurzeit höre ich „Sophies Welt“ – ganz zu Anfang beschreibt Jostein Gaarder ein, wie ich finde, sehr schönes und passendes Bild.
Dieses ganze Drumherum, die Antwort, „Gott“, oder – was auch immer – kann man sich als einen Zauberkünstler vorstellen, der ein Kaninchen aus dem Zylinder zieht.
Wir Menschen aber sind kleine Flöhe (ich glaube, Gaarder schreibt sogar von „Mikroben“), in den Haaren des Kaninchens. Manche von ihnen klettern die Kaninchenhaare hoch und versuchen, den Zaubertrick zu verstehen.
LikeLike
Danke für deinen ausführlichen Kommentar, Rhuna. Inhaltlich mag ich momentan nicht dazu Stellung nehmen 🙂
LikeGefällt 1 Person
Pingback: Tagtägliche Zeichnung: Jedes WOrt ein Ort, von dem eine Reise beginnen kann | GERDA KAZAKOU