Eilende Wolken! Segler der Lüfte!
Wer mit euch wanderte, mit euch schiffte!*
Die Sehnsucht nach dem Anderswo ist die nach Heimkehr. Im Leben ist diese Sehnsucht unstillbar.
Odysseus, der heimkommt, wird erneut auf Reisen gehen. Homer erzählt uns dies nicht mehr, aber er deutet es an. Teresias, heraufsteigend aus dem Reich des Hades, hat es dem Odysseus prophezeit, dort, am Eingang der Unterwelt, in Kimmerias dunkler Nacht. Warum sollte er lügen? Er ist der weiseste aller Seher, und er ist tot, gestorben, ein Schatten nur. Kein Interesse hat er zu lügen.
Odysseus wird also erneut aufbrechen. Er wird das Meer hinter sich lassen und in Länder wandern, wo man das Ruder des Schiffes nicht kennt. Man wird es für eine Kornschaufel halten. Dort wird Odysseus das Ruder in die Erde pflanzen und ….
… und was?
Was wird er in seiner Todesstunde tun? Wird er, auf seinem Lager in einem bäuerlichen Haus ausgestreckt, dem bewegten Schatten folgen, den die Linde an die geweißte Wand malt? Wird er sich auf einer Wiese niederlegen und einer Lerche nachträumen, die sich singend in den blauen Äther hinaufschraubt? Oder wird er doch noch eine Küste finden, eine steinerne, an der sich die Wellen des Meeres brechen, und wird noch einmal die Planken seines Schiffes unter sich fühlen?
Odysseus hat das Symbol des Poseidon aufgerichtet, wie Teresias ihm empfahl. Der Gott des großen ungestümen Gefühls, der Erderschütterer, ist versöhnt. Fern, im Ungefähr des Horizonts, ragt ein Fels aus der Brandung. Vielleicht ist es das Schiff der Phäaken, das Schiff, das heimbringt, und das Poseidon in einen Fels verwandelte. Ein dunkler Kreis schwebt darüber – mir scheint, es ist das Gesicht des Todes. Darüber ein Pfeil. Er zeigt nach oben. Dorthin, so winkt die entschwindende Seele dem Odysseus, dorthin sollst du dich wenden. Dort wird deine Sehnsucht an ihr Ziel kommen.
Und meine Seele spannte
Weit ihre Flügel aus,
Flog durch die stillen Lande,
Als flöge sie nach Haus.**
*Friedrich Schiller, Maria Stuart
**Joseph von Eichendorff, Mondnacht
Nachdenklich
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Poetisch – in Text und Bild.
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Hat dies auf GERDA KAZAKOU rebloggt und kommentierte:
In der „weißen Nacht“ vom Samstag auf Sonntag werden sich in Athen tausende von Menschen in einem Park versammeln, und viele Künstler in vielen Sprachen werden ihre Version der Odyssee vortragen: als Erzählung, als Schauspiel, als Gesang. Gewidmet ist die Veranstaltung den Menschen, deren Flucht-Odyssee sie nach Athen gebracht hat. Und natürlich werden sie auch mitwirken. Wie gern wäre ich auch dort! Vielleicht fahre ich, obgleich es weit und anstrengend ist. Denn die Odyssee ist für mich ein Werk, das mein Leben begleitet. Auch viele Bildergeschichten habe ich gelegt, betreffend die verschiedenen Stadien von der Heimkehr des Odysseus. Ich habe auch ein Ziehharmonikabüchlein, ein Liporello, draus gemacht. Ihr findet die Geschichten alle in diesem Blog unter dem Stichwort Odysseus.
Die letzte möchte ich hier rebloggen.
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Es heißt ja auch: Zur Ruhe betten.
Alle Kämpfe werden aufgehört haben. Könnte man nur zu Lebzeiten das Kämpfen reduzieren und gelassener sein!
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Liebe Gerda, Deine Odysseus Geschichten sind so schön zu lesen, daß es toll wäre, könnte man Dein Leporello kaufen. Sind denn auch Deine Legebilder drin?
Hezrlichst, Bruni
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Liebe Bruni, danke für dein Interesse! Ich hatte 20 Leporellos für eine Ausstellung gemacht -, gedruckt und per Hand gefaltet – , sei wurden alle verkauft. Ich denke, ich muss mal eine Neuauflage machen. Selbstverständlich enthalten sie die Texte und Bilder. Hier siehst du, wie ich sie grad herstelle: https://gerdakazakou.com/2015/10/04/odysseus-abenteuer-i-und-ii-als-leporellos/
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