Als Odysseus aus todesähnlichem Schlaf erwacht, ist er auf Ithaka. Das weißt du, das weiß ich, denn es steht geschrieben. Doch Odysseus weiß es nicht. Er erkennt seine Heimat nicht. Homer schiebt das auf den Nebel, den Athene über der Landschaft ausgebreitet hat.
Das Nicht-Erkennen ist übrigens ein doppeltes: auch die Menschen, die er später trifft, erkennen ihn nicht. Wieder sind es Athenes Zauberkünste, die den Held unkenntlich machen: Sie verwandelt ihn in einen Bettler. „Deine strahlenden Augen mach‘ ich blöde, so dass dich weder die Freier noch deine Frau und dein Sohn erkennen,“ verspricht sie ihm.
Da steht er nun, der eben noch so herrliche Odysseus, mit blödem Gesicht und in Lumpen vor der Grotte. Wer würde ihn erkennen in dieser Armutsgestalt? Du nicht, ich nicht. Doch sein uralter Hund Argos – ja, der wird seinen Herrn erkennen. Er wird mit dem Schwanz wedeln, die Ohren senken und glücklich sterben, dort, auf dem Misthaufen vor dem Palaste der Königin. .
Was ist das für ein Nebel, der sich zwischen uns und die Welt schiebt, so dass wir sie nicht erkennen? / Warum erkennen uns die Menschen nicht, sobald wir unsere schöne Jugendgestalt ablegen und als Alte und Bettler herumgehen? / Was hat der Hund uns Menschen voraus, dass ihn weder göttliche Nebel noch die wandelbare äußere Erscheinung täuschen können?
Er erkennt Odysseus nach zwanzig Jahren Abwesenheit, weil er ihn liebt.
Oh, wenn wir unsere treuen Hunde mit ihrer uneingeschränkten Liebe nicht hätten!
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Tito grüßt Merlin und Rubi!!
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Jetzt mit 63 Jahren hast Du mir Odysseus endlich so nahe gebracht, daß er mir unter die Haut geht und ich spüre, daß alle Geschichten auch mit mir zu tun haben, herzlichen Dank für Deine Verdichtung in Text und Bild! Liebe Grüsse!
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Ich danke dir, Margarete Graugans, für diesen Kommentar, der mir viel bedeutet. Liebe Grüße aus Athen, Gerda
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