Impulswerkstatt: Alt-Neues zur Giraffe

Liebe Myriade, bevor diese süße Kleine erschien (hier), hast du schon etliche Giraffen-Etüden durch deine Wortspende im Mai-Juni letzten Jahres angeregt.

Einmal hat es mich sogar zu einem Dialog mit Dora über die im Mittelalter furios geführte Debatte über das Verhältnis von Sein und Begriff impulsiert (Nominalien vs Realien). Es ist der erste Teil einer Etüde, in der ich das Giraffengeheimnis behandle. Ich halte ihn weiterhin für lesenswert und füge ihn daher hier ein:

Dora zum ErstenSechsten: Kunst (Glasscherben-Extra-Etüde)

„Mal wieder in eine Ausstellung gehen!“ denke ich, und schon öffnet sie ihre Tore. „Was isn das?“ fragt Dora und schaut sich um.  „Nun“, sage ich, „Das ist eine Kunstausstellung. Im ersten Raum siehst du zwei gläserne Skulpturen und ein gerahmtes Bild an der Wand.“

RAUM 1

„Das sehe ich auch!“ kräht Dora. „Aber was ist das?“ – „Na, zwei Skulpturen aus Glas halt und….“ – „Aber was IST das!“ schreit Dora jetzt schon etwas ungehalten. – „Du meinst, was es darstellt, Dora? Lass mich nachdenken. Also die hohe Skulptur stellt, so scheint mir,  sehnsüchtiges Verlangen dar. Schau selbst: da ist eine schlanke Gestalt, die sich in die Höhe reckt und auf einem schrägen Sockel steht. Die Sehnsucht steht also nicht auf festem Grund. ..“ – Aber Dora hört mir nicht zu. Sie baut sich vor der Skulptur auf und belehrt mich: „Das ist eine Giraffe. Hier steht es ordentlich geschrieben.“ .- Und schon sucht sie nach dem nächsten Schildchen: „Und dies ist ein Fischkopp!“  Auch das dritte Schildchen hat sie nun entdeckt und verkündet: „Und dies ist ein Frosch!“.

„Liebe Dora“, versuche ich ihr den Unterschied zwischen Sein und Bezeichnung zu erklären – ein Thema, über das sich die mittelalterlichen Theologen die Köpfe eingeschlagen haben – „wenn da Fischkopp steht, ist es noch lange keiner. Wäre es einer, würde es hier stinken.“ – „Ja, aber was ist es denn dann?“ fragt Dora nun schon leicht verzweifelt. „Es ist Kunst!“ antworte ich mit sicherer Stimme.

„Und was ist Kunst?“ Diese Frage hätte ich ja voraussehen können. Zu meinem Glück verlangt Dora keine Antwort, sondern strebt schon weiter in den nächsten Raum. Hier hängen drei große gerahmte Gemälde. Dora steuert sofort drauf zu, um die Titel zu lesen. Aber da sind keine.  Sie scheint enttäuscht zu sein, denn sie wirft nur einen kurzen Blick auf die Werke und hüpft dann zum nächsten Saal weiter. Ich aber bleibe andächtig stehen und staune über das irrisierende Blau, kann mich nicht trennen von den blasigen und streifigen Strukturen in Weiß und Grau.

RAUM 2

Und wie ich so stehe und schaue, höre ich Doras Stimme aus dem Nachbarsaal krähen: „Komm mal her! Da hängt ne Karte wie die vom Wetterbericht, und Wälder wie damals, als der Sturm Ylenia durchgefegt ist.“

RAUM 3

Zur Erklärung: Die sechs „Gemälde“ sind fotografierte Details der Scherben, aus denen das erste Bild gelegt ist. Man kann die Bilder anklicken, dann vergrößern sie sich, und man sieht mehr.

———————————————————————————————————-

Der zweite Teil der Etüde scheint mir nicht weniger lesenswert, und so schafft auch er es hier in deine Impulswerkstatt. 

abc-etüde: Das Giraffengeheimnis (Fortsetzung)

Über Giraffen wusste ich herzlich wenig, bevor Myriade dies Wort für Christianes abc.etüden spendete. Inzwischen bin ich etwas klüger, dank auch der Bemühungen meiner Mitschreibenden und eigener Recherchen.

Am meisten lernte ich durch das Giraffenbüchlein von Felix Bauer, in dessen 6. Essay die Giraffe auf wundersame Weise abgehandelt wird. Dankenswerterweise kann man den Text im internet vollständig und schön bebildert abrufen.

Das nachstehend abgebildete Werk aber ist von Asteria, einem kleinen Mädchen, das mit dem Stift witzige Geschichten zu erzählen weiß.

Rechts ein Vogel, links ein Baum und in der Mitte eine Giraffe. Zeichnung von Asteria,

 

O Mensch!

Hoch willst du hinaus

Du kletterst aufs Haus

Du steigst auf den Baum

Um um dich zu schaun

Du machst dich zum Affen

Und wirst doch nicht schaffen

Was alle Giraffen

*

Schon vor dir geschafft.

*

Hoch über dem Gesindel

Sind sie frei von Schwindel

Sie pflücken sich Blätter in der Höhe

Und übersehen was in der Nähe

Auf Ferne ist ihr Aug gestellt

 Was ihnen wirklich nicht gefällt

Das ist das Niedere der Welt

*

In der Höhe liegt die Kraft

*

In manchen Mondesnächten

In guten wie in schlechten

Steigst du aufs Dach

Auch du suchst nach

Dem Hohen, das stets flüchtig

Ja such nur, suche tüchtig

Doch werd mir nicht mondsüchtig!

*

Du bleibst in Erdenhaft.

*

Das Giraffengeheimnis ist damit sicher nicht erschöpfend aufgeklärt, aber es ist immerhin ein Anfang. An ihn wollte ich erinnern, bevor ich mich einer weiteren extra-kurzen Etüde zuwende. Die lautet so:

Extra-etüde – extra kurz

Ach, schlaflos wanderst du durch die Nacht und suchst das irisierende Licht des vollen Mondes in deinen weit geöffneten Augen einzufangen, um es der Welt als heilsames Giraffenlicht zurückzustrahlen. Hast du den Wetterbericht nicht ordentlich gelesen? Kein Mond wird scheinen.

Wie du, liebenswertes langhalsiges Geschöpf, sind wir Menschen von altersher: stets mondsüchtig suchen wir Erleuchtung zu finden, während sich um uns die Artefakte unserer Unermüdlichkeit zu immer höheren Mauern aufhäufen.

kykladische Figur – Bleistiftzeichnung, digital bearbeitet


Dies ist ein Beitrag zu Christianes abc-Etüden

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
Dieser Beitrag wurde unter abc etüden, Allgemein, Collage, Dora, Erziehung, Fotocollage, Impulswerkstatt, Kunst, Leben, Legearbeiten, Meine Kunst, Philosophie, Psyche, Tiere abgelegt und mit , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

2 Antworten zu Impulswerkstatt: Alt-Neues zur Giraffe

  1. Myriade schreibt:

    So viel Giraffiges ! An die erste Etüde mit der spannenden Frage ob Sein oder Begriff in einem Dialog mit Dora erinnere ich mich noch genau. Ich mussste damals und heute daran denken, wie das in der Linguistik ist, mit dem. was der Sender aussendet und dem, was bei den Empfängern ankommt.Ist nicht ganz vergleichbar, aber doch sehr ähnlic.h
    Auch an das Foto mit den drei entzückenden Mini-Miezen kann ich mich gut erinnern.
    Giraffen sind offenbar wirklich sehr inspirierend, Das kann nicht nur am langen Hals und den Klimperwimpern liegen 🙂
    Vielen Dnak für die gesammelten Giraffen-Beiträge und ganz liebe Grüße

    Like

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..