Ich möchte einmal schrittweise am Beispiel der Bilder zur abc-etüde „Reisen!“ zeigen, wie ich vorgehe. Jeder macht es natürlich anders, hat seine eigenen Ansätze. Ich aber mag es sehr zu erfahren, was jedem und jeder so im Kopf rumgeht, wenn er an eine Gestaltung herangeht. Du vielleicht auch?
Da ist zunächst die Vorgabe der Wörter und Regeln der abc-Etüden, in diesem Fall „Sonnenuntergang, warm, fliegen“. Zu dem aktuellen Bild, mit dem ich mich gerade befasse (Musiktheater 131), gesellt sich die Erinnerung an die Szene, die ich im Dezember des Vorjahres am Flughafen aufnahm und gestaltete. Mein Ausgangsmaterial sind also zwei von Fotos abgeleitete Zeichnungen: (No 1) Flughafen, (No 2) Musiktheater.
Ich überarbeite nun die Schwarzweißzeichnung No 2 mit gelbem, rotem und blauem Filzstift. Die Figuren von No 1 schneide ich einzeln aus und füge sie in die farbige No 2 ein. Damit sie mehr Raum haben, verlängere ich die Zeichnung nach unten und füge einen grauen Streifen ein. Zugleich schneide ich ein Stück Himmel ab. Dadurch wird das Augenmerk nach unten, zu den Menschen hin gelenkt. Den Figuren gebe ich eine andere Position als im Ausgangsbild. Meine „Heldin“ mit dem Koffer stelle ich in die Mitte.
Nun probiere ich verschiedene Farben aus und beginne, das Bild zu „verschachteln“, indem ich die Säulen nach unten verlängere.
Aber das ist mir zu eng und der Bildaufbau zu konventionell. Also beginne ich, das Bild zu zerschneiden, Teile davon zu kopieren und zu vervielfältigen, und das ganze Raumgefüge neu zu ordnen, verändere das Format, experimentiere mit den Farben, füge Wolken ein, die das Bild ein wenig unheimlicher machen, um dem unsicheren Gefühl meiner Heldin – Verlorenheit, Bedrohung – zu entsprechen.
Doch obwohl ich die rechte Figurengruppe perspektivisch verzerrt habe, fehlt dem Bild Raumtiefe. Die stelle ich her durch sich überschneidende Lichtbahnen und Dunkelzonen. Ich „breche“ den persepktivischen Sog durch senkrechte Brüche, damit meine Heldin nicht vom dunklen Loch verschlungen wird, und helle ein Dreieck auf, das in die Bildmitte führt. Das bedrückende Gelb-Grau verwandle ich ins beglückende Blau. Die tief stehende „Sonne“ wird zum aufgehenden „Mond“.
Und so sind wir am Ende angekommen: aus zwei Fotografien wurde über viele Schritte eine abendliche Szene, in der sich Realität und Traum ein Stelldichein geben. In diesem Raum kann vieles geschehen, alles ist möglich.
Ganz hervorragend Gerda und Du zeigst, wieviel Schritte notwendig sind, Deine ganz eigene Raumgestaltung zu kreieren! Das hat schon was mit Innenarchitektur zu tun! Du baust Dir Deinen Raum!
Ganz hervorragend! 👏👏👏👏👏👌👍
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Danke, Babsi, ja. Man könnte es natürlich auch direkt in einer Zeichnung darstellen, aber mir gefällt es, so mit verschiedenen Medien zu spielen und zu zeigen, wie Realszenen (Fotos) in „Möglichkeitswelten“ verwandelt werden können.
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Ja dieser Mix ist super interessant und gelingt Dir fantastisch! 👌👍
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Es ist sehr spannend für mich, das mit zu verfolgen! Das ist ein ganz individueller, künstlerischer Weg, aus dir gewachsen und entwickelt in vielen Schritten! Wieder einmal Klasse! Herzlich, Petra
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danke, Petra. Ich schätze es sehr, dass auch du oft dein Vorgehen offenlegst. Für mich ist es ein Teil des Genusses.
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Und was ich noch sagen wollte, durch Deine Bearbeitung bekommen die Bilder eine andere Dimension! Ich finde das kommt schon futuristisch rüber! Sehr modern und Dreidimensional! Mir gefällt das ausgesprochen gut!
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4-dimensional 🙂
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Ja sorry Gerda stimmt!👍👍👍
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Ich mag diesen schrittweisen Prozess auch gerne anschauen und mitverfolgen. Danke dafür, Gerda.
Ich selbst komme immer mehr davon ab meine Bilder zu erklären, ja, auch gebe ich ihnen immer seltener Titel, so lasse ich den Raum fürs eigene Denken und Sinnieren und erfahre so über die Betrachtenden viel mehr als vorher, als ich alles minutiös erklärte. Doch auch daraus möchte ich kein Dogma für mich machen. Jetzt ist es eben so …
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gut so, liebe Ulli. Nicht alles passt für jeden immer…..
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Eine Frage Gerda, zerscheidest Du Deine Zeichnungen mit der Schere oder am Computer?
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Am Computer.
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Immer wieder aufschlussreich, wenn du deine Arbeitsschritte darlegst, liebe Gerda.
Das entstandene Neue ist deutlich mehr als die Summe der Zutaten, ein sehr starkes Bild.
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herzlichen Dank, Ule! Schön dieser Spruch der Gestalttheorie, den ich so gern benutze. Eine „Gestalt“ ist eben mehr als die Summe ihrer Teile.
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Eine schöne Arbeit. Dein Umgang mit den modernen Medien wird von mir bewundert.
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Danke, herr Kormoran! 🙂
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Bewundernswert, das Offenlegen Deiner Schritte, liebe Gerda
So wird einem erst wirklich bewußt, wieviele Schritte erforderlich sind, bis Du mit Deiner Arbeit zufrieden bist und sie uns präsentierst. Toll!
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In Wirklichkeit sind es ja weit mehr Schritte, liebe Bruni 😉 In diesem Rumprobieren und Verändern liegt für mich der Reiz.
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und genau das ist so bewundernswert an Dir und Deiner künstlerischen Arbeit, Gerda.
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