Gestern machte ich ein Bild, das in Technik und Ausdruckswillen der „Mondnacht im Garten“ ähnelt: graue Pappe im gleichen Format (70 x 100), Kohlezeichnung, überklebt mit Einpackpapier und grob übermalt mit Kleber und Akryllpigmenten. Das Ergebnis ist freilich doch recht anders, erinnert mich irgendwie an die gewaltigen Beben und Schlachten, die zu Beginn der Menschwerdung auf der Erde tobten.
Goethe hat im Faust II (Kapitel: Am oberen Peneios) einen Eindruck davon vermittelt, als er Seismos (Erdbeben) sagen lässt:
Das hab‘ ich ganz allein vermittelt,
Man wird mir’s endlich zugestehn;
Und hätt‘ ich nicht geschüttelt und gerüttelt,
Wie wäre diese Welt so schön? –
Wie ständen eure Berge droben
In prächtig-reinem Ätherblau,
Hätt‘ ich sie nicht hervorgeschoben
Zu malerisch-entzückter Schau?
Als, angesichts der höchsten Ahnen,
Der Nacht, des Chaos*, ich mich stark betrug
Und, in Gesellschaft von Titanen,
Mit Pelion** und Ossa als mit Ballen schlug,
Wir tollten fort in jugendlicher Hitze,
Bis überdrüssig noch zuletzt
Wir dem Parnaß***, als eine Doppelmütze,
Die beiden Berge frevelnd aufgesetzt.
In dieser grob behauenen Welt tummeln sich merkwürdige Wesen – Faust und Mephisto begegnen ihnen. Warum sollten sie sich nicht auch auf meinem Bild finden lassen? Ein wenig Drehen, ein wenig Tünche, und schon werden ihre Konturen sichtbar. Die Daktilen, die Sphinxe, die Kraniche des Ibicus und wie sie alle heißen. Oder die Empusen, wie diese hier, die so zu Mephistopheles spricht:
Entschieden weiß ich gleich zu handeln,
In vieles könnt‘ ich mich verwandeln;
Doch Euch zu Ehren hab‘ ich jetzt
Das Eselsköpfchen aufgesetzt.
- über „unsere höchsten Ahnen“ Nacht und Chaos habe ich schon öfter berichtet: Schau mal hier und hier und hier.
** Der Peleion, heute Pilio genannt, ist eine Halbinsel im Osten von Thessalien, ein herrliches Waldgebirge mit Erhebungen bis zu 1.600 m und der Hautstadt Volos, in der Antike Iolkos genannt. Im Peleion hatte der berühmte Zentaur Cheiron seine Höhle. Er war Heiler und der Lehrer der Helden, die mit der Argos von Iolkos losfuhren (Argonauten). – Heute ist der Pilio ein beliebtes Feriengebiet: mit schöner Architektur, guten Stränden, mäßigem Klima im Sommer, Skilaufen im Winter.
*** Der Parnass ist das Gebirge, in dem das höchste Heiligtum des Apoll stand: Delphi. Apoll gilt als der Gott, der das anfängliche Chaos hinüberführte in die harmonische Ordnung von heute.
Wundervoll, die Worte , die ich hier finde, liebe Gerda, krachend und strotzend vor Kraft und Deine Bilder ebenso.
Bild Nr. 1 könnte die Flucht der Steinwesen vor dem Zweibeiner bedeuten
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Flucht vor uns Zweibeinern ??? Ich lache! 🙂
Vor Apoll vielleicht 😉
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😊 zu klein und unbedeutend?
Aber die steinernen Wesen sind unbeweglicher *g*
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Man merkt, du lebst nicht in einem Erdbebenland …. 😉
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nein, die Erdbebenangst habe ich nicht so sehr und doch weiß ich um sie
http://wortbehagen.de/index.php/gedichte/2016/august/kummer_und_schmerz
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danke fürs dran Erinnern!
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sehr ausdrucksstark in form und Farbe…Kraftvoll…voller Energie………Hell-Dunkelkontrakste super
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danke schön, Afrikafrau!
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Wieder sehr kraftvoll…und die „Beschau“ des Bildes mit eingeschlossener Mythenkunde besonders…
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Danke, Gerhard.
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Deine Bilder haben wirkliches etwas archaisches! Dazu das Faust-Zitat… passt wunderbar! Ich bin zutiefst beeindruckt!
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Danke sehr, Katrin 🙂
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