Samstag ist Märchenstunde : Die Bremer Stadtmusikanten (über das Altwerden)

img_4920 zerberus-detail-6a img_46061a the-cock a  Das Märchen von den Bremer Stadtmusikanten – wer kennt es nicht? Vier altersschwache Tiere, deren Besitzer sie umbringen wollen, tun sich zusammen. Sie wollen nach Bremen ziehen. Unterwegs bricht die Nacht herein. Ein Licht führt sie zu einem einsamen Haus, in dem Räuber tafeln. Mit vereinten Kräften veranstalten sie ein Konzert, das die Räuber in die Flucht schlägt. Sie sättigen sich, legen sich schlafen. Mitternacht geht vorbei. Die Räuber frieren draußen im Wald und haben Sehnsucht nach ihrer gut geheizten Bude. Sie denken sich: Nanu, waren wir dumm, uns ins Bockshorn jagen zu lassen? Wollen doch mal nachsehen, ob das Haus jetzt ruhig ist. Der Räuberhauptmann schickt einen Mann voraus. Der geht ins  Haus, will an den Augen des Katers, die er für Kohlen hält, ein Streichholz entzünden, der Kater springt ihm ins Gesicht. Da rennt der arme Teufel zur Hintertür raus, wo der Hund sein Bein erwischt und der Esel ihm einen Tritt versetzt. Der Hahn aber schreit Kikeriki.

Die Räuber sind nun vollends davon überzeugt, dass es im Hause spukt, und suchen das Weite. Unsere vier Gesellen aber bleiben, wo sie sind, im Haus im Wald, und lassen es sich gut gehen.

Natürlich ist das Grimmsche Märchen weit schöner erzählt, ihr könnt es ja nachlesen.

Was mich interessiert, sind die dargestellten Charaktere. Mit wem würde ich gern Gesellschaft halten?

img_4920 Der Esel: fleißig und geduldig und ein guter Sänger obendrein. – Sein Herr? Brutal und undankbar.

zerberus-detail-6a Der Hund: loyal und ein guter Jäger. – Sein Herr? Brutal und undankbar.

IMG_3264a Der Kater: spielerisch, spinnt gern hinter dem Ofen und denkt über Mäuse nach, die er früher gefangen hat – Seine Herrin? Brutal und undankbar.

the-cock aa Der Hahn: ein christlich informierter Wetterprophet. Die Hausfrau? Sie will den christlichen Propheten ihren Gästen als Essen vorsetzen. Entsetzlich!

Zwei Männer, zwei Frauen – dieselbe Gesinnung. Sie wollen den verdienstvollen Tieren das Leben verkürzen und möglichst noch einen Profit draus schlagen

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Mit wem also würde ich gern Gesellschaft machen? Na, was meinst du? mit dem Esel, dem Hund, der Katze und dem Hahn natürlich. Den Menschen würde ich lieber aus dem Wege gehen. Sie tragen ein Messer in der Tasche oder halten einen Sack bereit, mich zu ersäufen.

Wer es wohl war, der diese Geschichte ersann? Ein Tierliebhaber? Oder vielleicht doch ein Menschenfreund, der meinte, man solle ausgedientes Personal nicht von Haus und Hof jagen, sondern ihm ein friedliches Lebensende gönnen, mit Musik und einem wärmenden Feuer im Kamin

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Um dieser seiner menschenfreundlichen Utopie Grund und Boden zu schaffen, musste er vier Tiere und eine Räuberbande erfinden, die den ausgedienten Alten ihre Behausung samt Essensvorräten überließen, nicht ganz freiwillig zwar – aber mir soll es recht sein, wenn es den alten Kumpels billig ist.

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Hört, hört! Der Hahn hält eine Rede!

Wovon spricht er denn?

Von einer Welt, in der man gutes Futter bekommt, ohne befürchten zu müssen, am Ende geschlachtet zu werden.  

the-cock

 

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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14 Antworten zu Samstag ist Märchenstunde : Die Bremer Stadtmusikanten (über das Altwerden)

  1. Ulli schreibt:

    Würde … das scheint ein immer grösseres Wort zu werden, je kleiner die würdigen Handlungen werden …
    herzliche Sonntagmorgengrüsse vom Schneemassenberg
    Ulli

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  2. ingrid schreibt:

    Ulli, du sprichst auch meine Empfindungen und Erfahrungen deutlich aus. Danke!
    Bitte, nicht festlegen, sonst würde Frau oder Mann ja verbindlich.

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  3. Susanne Haun schreibt:

    Ein sehr schönes Foto von Mann und Esel! Ich mag die Fröhlichkeit.
    Und deine Bilder mag ich so oder so 🙂

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  4. gkazakou schreibt:

    I-A (Ich-Auch). Sie sind leider selten geworden. Die Mönche haben, um das Eselsfüllen am Leben zu erhalten, Eselsmilch aus Deutschland bezogen (Geschenk deutscher Freunde).

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  5. mundanomaniac schreibt:

    welch ein Fund, gerdakazakou, welch kindliche Weisheit, welch tröstliche Botschaft
    für uns Alte zur Erinnerung an symbiosis nicht nur zu zweit sondern gar zu viert

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  6. putetet schreibt:

    Sehr schön, Gerde, und für mich als Bremer auch noch sehr interessant, d a n k e und LG Alexander

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    • gkazakou schreibt:

      O, du bist Bremer und nach Kassel verschlagen? Nun, Wilhelmshöhe ist ja auch ganz nett, kommt allerdings nicht an Bremen heran 🙂

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      • putetet schreibt:

        Jep, vor vielen Jahren nach Kassel verschlagen und wegen der Liebe in einem kleinen Bergdorf nahe Kassel hängengeblieben. Kassel und unser Dorf kann sich mit Bremen nicht messen, aber die Gegend hier ist weitaus schöner 🙂

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