Phallus, von griech. phallós (φαλλός) ‚männliches Glied‘ und dessen (kultischen Zwecken dienende) Nachbildung, bestehend aus einem länglichen Stück Holz, an das ein aus rötlichem Leder gefertigtes Abbild des männlichen Gliedes gehängt wird.
Ans Licht drängende Lebenskraft zeigt dies Foto, liebe Myriade. Was ist es? Eine Buche? Ein Ahorn? Es ist sicher kein Zufall, dass die Form dem Phallus, zu „deutsch“ Penis (Schwanz) ähnelt. Hier drängt das lebendige Blatt hervor, will quasi hervorspritzen, um sich zu entfalten. Der Frühling drängt mit Macht, Widerstand ist vergebens. „Der alte Winter in seiner Schwäche zog sich in raue Berge zurück.“ (Goethe, Faust I, Osterspaziergang)
Der Phallus ist Symbol der Zeugungskraft. In allen Kulturen, soviel ich weiß. Er ist ein Instrument des „Liebemachens“, der Zeugung und Lusterzeugung, aber auch der Angeberei, des männlichen Überlegenheitswahns, der Aggressivität. Er will sich nicht nur verspritzen, sondern eindringen, und er sucht seinen Willen durchzusetzen, meistens mit erlaubten, oft auch mit unerlaubten Mitteln. Besonders im Krieg tut er es mit Gewalt.
Ja, im Krieg ist „Liebemachen“ der Eindringlinge (sic!) nichts als Vergewaltigung. Auch das wussten schon alle Kulturen, seit eh und je. Die Frau als Beute. Der Mann als Besiegter durfte zuschauen, wie der Sieger in die Frau eindrang. Die Frau ist die Erde, die aufgebrochen wird, um den Samen des Siegers hineinzusäen. Das sind archetypische Zusammenhänge, die im Untergrund der Seele bis heute wirksam sind. Aus ihnen speist sich die Angst der Frauen und der Mut der Krieger.
Make Love not war – dieser Slogan der Protestierer gegen den Vietnamkrieg – meinte die beiden männlichen Tätigkeiten – „Liebe machen“ und „Krieg machen“ – als Alternative. Tu das eine, lass das andere. Es ist leider keine Alternative. Es ist Frühling und es ist Krieg. Beides zugleich. Schon im uralten Mythos vom Raub der Persephone (Proserpina) durch Hades erklingt dasselbe Lied. Es ist ein Frühlingsmythos.
Die Lanze, das Schwert, mit denen der Krieger den Feind durchbohrt, ist ein verwandelter Phallus. Er macht den männlichen Feind zur wehrlosen „durchbohrten“ Frau. Mir fallen dazu zwei Bilder ein. Das eine ist von Piero della Francesca. Es zeigt eine Kampfszene: gegeneinander anreitender Krieger – einer mit aus der „Scheide“ gezogenem offenem Schwert – und eine wie bittend am Boden gekrümmte Gestalt. Ich machte daraus einen Scherenschnitt.
Das andere Bild ist eine archetypische Szene: ein männliches Wesen (Ritter, Engel) tötet mit seiner Lanze den sich windenden Drachen. Diese Szene ist nicht nur im Christlichen (Erzengel Michael, St. Georg als Drachentöter), sondern weltweit verbreitet.
Wer in der Geschichte der Engel ist und wer der Drachen – das ist eine Frage der Deutung.
Dieser wunderschöne, von der Natur geschmückte Kastanienzweig mit praller Knospe ist zunächst einmal friedlicher Ausdruck der Schöpferkraft. Daß manches dem Phallus-Symbol ähnelt, ist sicher auch schöpfungsgesetzmäßig zu erklären. Alles war und ist gut, was der Schöpfer in der Natur abbildet und dient dem Leben und Aufbau im friedlichen Sinne, wenn wir es im rechten Sinne nutzen.
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Der Ausschnitt der Schlachtenszene: Uccello?
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ähnlich, aber es ist Piero della Francesca, Kampfszene zwischen dem öströmischen Kaiser Herakleius und dem Perserkönig Choschau II. (Beginn 7. Jh)
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Ja wirklich der Zweig sieht ungemein phallisch aus, die aufstrebende Form und die pralle Knospe. Ich finde ja die diversen Kulte von Muttergottheiten gut und schön, Tatsache ist aber, dass es ohne Sperma keine Fortpflanzung gibt. Man kann es aber auch in die andere Richtung übertreiben, wie etwa Freud mit seinem Penisneid, eine Theorie, die ich für mehr als absurd halte
Auch in diesem Bereich würde ein Ausgleich und ein aufeinander Zugehen in Augenhöhe sehr gut tun. Mir ist jedenfalls „make love not war“ wesentlich sympathischer als „keinen Zentimeter unserer heiligen Heimaterde werden wir dem Feind überlassen“ und ähnliche Sprüche.
Wieder einmal so ein von vielen Seiten beleuchtender Beitrag, vielen Dank!
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Ja, sympathisch ist er mir auch, und immer gewesen, der Spruch. Heute kam er mir quer in den Hals. Auch sonst stimme ich dir zu. Es ist schon gut, wie alles eingerichtet ist. Nur wir Menschen bringen es fertig, das Natürliche in alle möglichen absurden Richtungen zu verzerren. 🙂
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Das können wir dafür aber sehr gut 😉
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„Natürlich“ ist es aber auch, dass Tiere sich gegenseitig töten. Erst der Mensch bringt hier die Fähigkeit zu Empathie und Mitleiden mit, die allem erst eine moralische Dimension verleiht.
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Kulturelle Symbole überlagern sich mit tradierten Anschauungen. Siegestaumel, Pokale, Gewalt, Sieg, Macht, das Schwert – so dass selbst Knospen oder herrliche Dolomitenhügeln plötzlich Reminiszenzen von Vergewaltigungen werden müssen. Die Dinge der Welt laden sich mit den Assoziationen auf, die die Erfahrung zeitigt. Der Engel der Geschichte von Benjamin, das jede getane Untat, jede Gewalt, den Engel in Richtung Unheil fortwehen lässt, heißt nichts anderes. Die Gewalt lebt als Trauer fort – sie zerstört Dinge, Prozesse, Emotionen. Ihrer eingedenk bleiben, heißt dann wohl Glück im Sinne Benjamins, nämlich sich seiner selbst ohne Furcht innewerden zu können. An all dies musste ich bei dem Lesen dieses Eintrages denken. Viele Grüße!
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danke, Alexander für deine mir sehr wertvollen Assoziationen.“sich seiner selbst ohne Furcht innewerden“, ja. Es ist ein lebenslanger Weg dahin gewesen . „Gewalt lebt in Trauer fort“, ja,es trauern die Täter, die Opfer, ihre Enkel und Urenkel. und manche Untat der Väter hat mich so tief in die Trauer hineingetrieben, dass es fast unmöglich schien, mich je daraus hervorzuarbeiten. Mein tiefstes Mitleid gilt jetzt den Russen, die dies auf sich laden, und meine Furcht gilt meinen Landsleuten, dass sie sich verführen lassen, sich an dem Unheil zu beteiligen. Neue Kreisläufe der Schuld, des Unheils und der Trauer. wann werden wir mit unschuldigen Augen und unbelastetem Herzen den Frühling der Erde feiern?
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Deine Kunstwerke haben natürlich ihren eigenen Wert. Möglicherweise entsteht das Beste durch Auseinandersetzung und Kampf und deren friedliche Aufarbeitung.
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Der aufstrebende Zweig mit der prallen Knospe läßt natürlich an Fortpflanzung denken. Der Gedanke drängt sich förmlich auf, liebe Gerda.
Ich habe schon Deinen Scherenschnitt bewundert, aber dann kommt das letzte Bild, Erzengel und Drache begeistern mich. Sie verschmelzen miteinander, glaube ich. Es ist kaum noch zu erkennen, wo steckt Böses und wo sollte das Gute sein…
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