Stillleben (2): Bewegung des Unbewegten

IMG_6238 In meinem Beitrag „Etüden No 3“ stellte ich zufrieden fest, dass die lebendigen Dinge ein stilles Leben in sich haben. Beruhigend sei dabei, dass Äpfel und Birnen – anders als Menschen und Katzen – an ihrem Platz bleiben, so dass man sie in Ruhe abzeichnen kann.

Mit spitzem Bleistift – Etüden No. 3

 

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Flaschen, Gläser und Tücher bleiben, wenn die Katze nicht drüber springt, an ihrem Platz, und Bewegung kommt in ihr stilles Leben nur durch die Strichführung und durch kompositorische Elemente.

IMG_6397Will man die Bewegung der Pflanze betonen, kann man sie zum Beispiel auf einen Schrank stellen, der durch seine rechten Winkel Stabilität signalisiert.

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Oder meinetwegen stellt man die Vase vor einen Spiegel, so dass sich die Winkel verändern und sie in einen bewegten Dialog mit ihrem Spiegelbild eintreten kann.

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Wem das noch nicht genug Bewegung ist, kann die Damastdecke, auf dem die Äpfel ruhen, in fließende Falten bringen …

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.. oder durch unterschiedliche Bearbeitung des Festen (Vase) und des Vegetativen (Pflanze) die Verschiedenheit ihres stillen Lebens betonen.

IMG_6360Das alles ist den Dingen angemessen. Sie erscheinen im Licht,  runden sich vor unserem Auge  und und sinken ins schattige Dunkel zurück.

Doch eines Tages stach mich der Hafer. Genug des stillen Lebens! Ich wollte die Äpfel und Birnen tanzen sehen, und die Flaschen sollten sich nicht nur brav spiegeln, sondern sich verdoppeln und übereinander wachsen. In der Kunstgeschichte kennen wir diese plötzliche Manie, die die Maler ergriff, als Kubismus – und, in nochmaliger Steigerung -,  Futurismus. – Wie sonst sollten die Maler standhalten  gegenüber dem aufkommenden Film? gegenüber der allgemeinen Beschleunigung der Welt? Auf ihrer armseligen zweidimensionalen Fläche mussten sie die neue Dynamik des Zeitalters irgendwie gestalten. Und so erfanden sie das Prinzip der Simultanität: die verschiedenen Ansichten eines Gegenstandes, die sich im Leben und in den bewegten Bildern des Films nacheinander ordnen, erscheinen im Kubismus gleichzeitig auf der Bildfläche und durchdringen sich.

Meine Obstschalen und Flaschenensembles jener Zeit sind nicht eigentlich kubistisch. Vielmehr handelt es sich nur um Anspielungen auf diese Kunstepoche. So als wollte ich sagen: schaut her,  auch ich kann den Dingen ihr stilles Leben austreiben und sie zum Tanzen bringen.

     IMG_6232IMG_6236Und wenn Flaschen und Äpfel in Bewegung geraten, warum nicht auch die Gipsköpfe, die der geplagte Adept der Kunst wieder und wieder abzeichnen muss? Hier treten die Göttinnen der Liebe (Aphrodite) und der Gesundheit (Hygia) in einen Dialog, und, so möchte ich hoffen, vereinen ihre Kräfte, damit es uns allen gut geht.

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Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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13 Antworten zu Stillleben (2): Bewegung des Unbewegten

  1. mannigfaltiges schreibt:

    Ich bin immer wieder erstaunt und fasziniert.Von den Bilder, aber auch von den begleitenden Texten.

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  2. afrikafrau schreibt:

    stark die tanzenden Äpfel, Flaschen, nach der Unbeweglichkeit die Bewegung…Leben…..

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  3. gkazakou schreibt:

    nun, auch das ist natürlich schöner Schein. 😉

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  4. Madame Filigran schreibt:

    Am meisten begeistert mich die tanzende Pflanze auf dem Schrank. Wie ihre Arme sich bewegen!! Alle anderen Zeichnungen sind natürlich auch wieder grandios. Wenn Unterricht, dann bei dir…

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  5. mmandarin schreibt:

    Wir haben hier in Köln ein wunderschönes Käthe Kollwitz-Museum, da könnte ich mir deine Werke wunderbar hindenken … eine reizvolle Vorstellung und eine Gelegenheit, dich persönlich kennen zu lernen …. träumen wird man wohl dürfen, oder ?

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  6. gkazakou schreibt:

    ach, Marie, ein schöner Traum, zumal Kätze Kollwitz zu den besten und meist geliebten Künstlerinnen meines Jahrhunderts gehört.

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  7. Sabine Oetjen schreibt:

    Ich sitze hier im sonnigen Schatten, nein noch nicht unter den Linden aber immer hin schon im Garten, und betrachte entzückt Deine wunderbaren Zeichnungen. Es gibt soviel zu entdecken in Deinen Zeichnungen und die Worte dazu einfach wundervoll. Im übrigen schließe ich mich Madame Filigran an. Ein Kurs bei Dir unter den Oliven, ein Traum.
    Es grüßt herzlichst Bine unter den Linden

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  8. madameflamusse schreibt:

    ich liebe Stil(l)leben :-D, tolle Reihe

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  9. Ulli schreibt:

    Danke für deinen Hinweis auf diesen Beitrag von dir, wie auch zu dem weiterführenden (Etüde 3 oder so) – ja, sie tanzen deine Äpfel und Birnen, aber auch schon, bevor du sie bewegt hast, allein die Anordnung erzeugt so eine Spannung, dass man sie innerlich in Bewegung setzt (wenigstens ich) –
    Deine Studien sind immer wieder weiterführend und faszinierend – merci dafür.
    Herzlichst, Ulli

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