Ein paar Kata-Strophen gefällig, die ich mir zusammengereimt habe? Die Wörter zu der allseits zu Recht so beliebten, von Christiane betreuten abc-Dichterei hat diesmal Ulli Gau vom Cafe Weltenall gespendet: Vogelflüge, ängstlich, schwingen. Schöne Wörter: Vogelflüge und schwingen. Das klingt nach Freiheit und Lebenslust. Aber das dritte Wort – ängstlich – verengt die Sicht, macht das Herz eng, und so konnte auch ich mich dem Sog ins Trübselige nicht ganz entziehen. Dennoch: Bitte lächeln!
Lebenslust und Abschiedsfurcht
„Schon ins Land der Püramiden
Flohn die Störche übers Meer…“
Ach, wo war das Lied geblieben
Sie erinnert sich nicht mehr.
Da war was von Vogelflügen
Die den kalten Winter scheun
Und sich deshalb nach dem Süden
sehnen wo die Blumen bläun.
Doch sie hockt hier hoch im Norden
Wo die Sonne selten scheint
Ach was ist aus mir geworden
Spricht sie leise, weint und greint.
Ängstlich lauscht sie nach dem Sturme
Der das Haus umrauscht und saust,
fühlt sich fast verwandt dem Wurme
der im Wurzelballen haust.
Würd sie doch auf Vogelschwingen
Sich erneut ins Himmelslicht
Aufwärts schrauben, kräftig singen
der Lerche gleich, die Herzen bricht.
Doch schwingen tuts nur in dem Kopfe
Und singen in den Ohren nur
Wenn ihr beim Rühren in dem Topfe
Die Äuglein tränen, denn die Kur
Die ihr verschrieben die Doktoren
Hat nicht geholfen ihr zu dem
Was sie, als sie noch neu geboren
Erwartete an Glück. Doch wem
Kann, wenn das Leben währet länger,
Nur Glück beschieden sein, o weh!
So wird ihr täglich bang und bänger
Und immer fürchtet sie das: Geh!
*Das Gedicht „Herbst“, dessen Anfangszeile unser Weiblein noch kennt, ist von Theodor Storm. Man kann es hier ganz anhören, als Rezitation. Leider habe ich im Netz keine Vertonung gefunden. Ich mag das Lied nämlich sehr und singe es oft. Es ist so schön wehmütig. …
Für die Illustration benutzte ich Abschnitte eines Ägypten-Legebildes, in das ich das Weiblein aus dem Legebild zu Heines „Seegespenst“ hineinkopiert habe. Auch Heines Gedicht spricht von Wehmut und versunkenen Welten….
Das alte Weiblein vom Dach mit ab und an Schwindel und Tinnitus sowieso spricht Deinem mal Mut zu. Für mich ist es Glück, überhaupt alt werden zu dürfen, was auf mich zukommen könnte, daran denke ich noch gar nicht, ich kann es eh nicht ändern.
Nicht bange machen lassen! Deine gedichteten Kata-strophen mögen mich noch lange – mindestens aber 15 Jahre!!! – begleiten und Dir aus der Feder fließen, liebe Gerda. Dann lese ich sie wahrscheinlich kopfschüttelnd, aber das sind dann nur die Nerven -:)))
Das erste Bild mag ich sehr!
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o, danke! Ja, es sind Flausen einer alten Frau, was dies Weiblein vor sich hinmurmelt und befürchtet. Ein Schluck aus dem ewigen Jungbrunnen und es fliegt wieder mit den Störchen in den Süden, anstatt sich vom Alter kirre machen zu lassen….
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Schon ins Land der Pyramiden …… Ja, Gerda, das Gedicht von Theodor Strom und
Die wehmütige, schöne Melodie dazu ist mir auch bekannt. Daß Du sie auch oft singst, die Melodie, zeigt ja, wie sie Dir ans Herz gewachsen ist. Träume einer paradiesisch schönen Welt, aus früher Kindheit, wollen sich da wieder einstellen.
Ach, wie schön könnte doch alles sein, wenn, ja wenn nicht….der Mensch wäre, Die Menschheit. Daran ist viel Wahres; denn die Störche und Kraniche und andere Flugvögel machen sich unabhängig von uns Menschen, folgen ihren „Trieben“ oder „Instinkten“..Gut, wie haben ein Wort, einen Begriff dafür und geben uns damit zufrieden. Wir sollten aber neu fragen und suchen, um etwas zu ent-decken, was uns wohl bekannt war, was wir aber für unbedeutend hielten: Die weisen Schöpfungsgesetze, die alles Lebendige durchziehen und auch uns Menschen nicht auslassen. Was wir „Schicksal“ nennen, ist ein Ausdruck davon.
Doch wir sind dem Schicksal nicht hoffnungslos ausgeliefert, können jeden Augenblick mit einer Kehrtwende beginnen, falls wir in die falsche Richtung liefen. Wenn wir aber schon in der richtigen Richtung unterwegs sind, sollen wir natürlich nicht umkehren, sondern den Weg weitergehen….Also für Trauer und Melancholie gibt es eigentlich keinen Grund. Aber das gestellte Thema hast Du großartig erfüllt, Gerda.😊
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danke, Gisela.
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Ich liebe deine Kata-Strofen!
Herrlich wieder poetisiert liebe Künstlerin …
Herzliche Grüße vom Lu
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danke, lieber Lu Finbar, ich freu mich sehr.
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🙂
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Fühle mich dem alten Weiblein so nahe. So eindrücklich und Augenzwinkernd.
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Sie zwinkert zurück, liebe Xeniana!
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Das Storm Gedicht Kannte ich noch gar nicht. Sehr wehmütig und dann dieser Schluß. Dein Weiblein erweckte sofort die Assoziation zu „Wunschloses Unglück“. Das Buch arbeitet noch in mir. Ich glaub das alte Weiblein kommt an die Pinnwand. Es ist uu schön.
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o, fein! Ich freu mich.
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Schön und wehmütig, fein sind auch die Links dazu und deine Bilder – also rundum eine Freude das alles zu betrachten und deinen Worten hinterherzulauschen.
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Cambra Skade hat heute etwas über Wurzelweiblein gepostet, das passt für mich!
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Genau, Ullli, ich sah es vorhin und freute mich sehr über das Zusammentreffen. ich habe mich gleich in ihre Weiblein verliebt. Hier der link für Interessierte: https://cambraskade.wordpress.com/2019/10/25/vom-erfinden-der-sagen/
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ich finde sie auch entzückend!
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Danke, Ulli, freu! 🙂
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Das Gedicht gefällt mir gut.
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dankeschön!
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Hinreissend, wie die Versform zusammen mit den luftigen Farben der Bilder dem Alter trotzdem Schwung und Augenzwinkern verleiht. Die Elemente der Legebilder unterstreichen die Veränderlichkeit.
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Herzlichen dank, Puzzleblume. Schön auch dein Hinweis auf den veränderlichen Charakter der Legebilder, die als Kunstform eine Metapher auf das Leben selbst sind. .
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Deine gereimten Geschichten wirken wie eine Veredelung des Inhalts, dies ist ein weiteres schönes Beispiel.
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dankeschön, Joachim. 🙂
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Ganz musikalisch greifst du Storms Ton in deinem Gedicht auf, obwohl deines entschieden moderner daherkommt. Dieses Gedicht von Storm kannte ich nicht und bin froh, es jetzt gehört zu haben. Ich mag Storm, auch seine Novellen habe ich früher gerne gelesen, wie Krimis habe ich sie verschlungen.
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Danke, Ule. Storm gehörte zu unseren Heimatdichtern. Das hat ihm aber in meinen Augen damals (und heute) gar nicht geschadet. Pole Poppenspäler initiierte – im Verein mit dem Ehepaar Frey, das mit Marionetten mein Kinderherz beglückte – meine andauernde Liebe zu Marionetten. Und die Novelle Hans und Heinz Kirch – die in meiner Heimatstadt Heiligenhafen spielt – bestätigte mir meinen Verdacht, dass den lokalen Herrschaften Ansehen und Geld wichtiger sind als Gott und Herzensangelegenheiten. Ich erkannte die Honoratioren der Stadt wieder. Trotz seiner etwas altmodischen Sprache war er ein scharfer Beobachter und hervorragender Menschendarsteller.
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Ja! Ist ja mein Heimatdichter auch … und was hat er für tragische Liebesgeschichten geschrieben! Ich muss mal nachschauen, ob meine Tränen in den Büchern noch zu entdecken sind.
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Pole Poppenspieler fand ich ganz wundervoll und lierbte dieses Büchlein sehr.
Der Schimmelreiter war dann eine ganz und gar andere Geschichte, aber auch hier zog er mich in seinen Bann. Liebe Gerda
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Ja, das ist jetzt die Zeit im Jahr, wo man in sich gehen und innere Bilanz ziehen kann. Die dunkle Phase des Jahres kommt mit Macht, und nicht nur die alten kopfwackelnden Weiblein zwingt sie, langsamer zu machen. Eigentlich.
Ich mag deine Kata-Strophen so, und deine Legebilder bringen immer noch einen zusätzlichen Aspekt hinein. Vielen Dank wieder!
Müde Grüße
Christiane 😀👍
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danke, liebeChristiane. Noch ist hier keine dunkle Jahreszeit, die Sonne knalllt vom Blauhimmel, also brauche ich auch noch nicht in mich zu gehen 😉
Schlaf gut, ruh dich aus!
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Ich kenne Storms Herbst schon ewig, aber vertont habe ich es nie irgendwo entdeckt.
Nur die Wildgänse kannte ich als Lied *g*
Deine Kata-Strophe ist so gut gelungen wie immer, wenn auch die schmerzliche Komponente darin sie anders macht als die vorigen und mich ein bissel seufzen läßt, liebe Gerda
Der Weg, der zu Ende geht … Vor diesem GEH schrecken wir doch erst mal alle zurück…
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