Der zauberhafte Roman „Nachtzirkus“*, den Bruni mir nicht nur empfahl, sondern auch schenkte und schickte, hat mich zu vielen Legebildern angeregt. In einer Szene wird der Zauberer transparent und droht, ganz zu verschwinden. Ich kopiere mal die entsprechende Passage hierher.
Der Nachtzirkus, Kapitel „Kondolenzpost“ S 78
Sie tritt in den von der hellen Nachmittagssonne durchfluteten Raum. „Was hat das zu bedeuten?“, fragt sie mit der Karte in der ausgestreckten Hand.
Die Gestalt am Fenster dreht sich um. Dort, wo das Licht auf sie fällt, ist sie fast unsichtbar. Ein Teil der Schulter scheint zu fehlen, der Oberkopf verschwindet in einem Geflimmer von Staubkörnern. Der Rest des Körpers ist transparent, wie das Spiegelbild in einer Glasscheibe.
Drei eingefärbte Varianten des Legebildes, durch die der teilweise transparente Zauberer besser sichtbar wird:
Das Licht macht Teile des Körpers ganz unsichtbar, andere werden transparent, wie das Spiegelbild in einer Glasscheibe – so beschreibt Erin Morgenstern den Zustand des Zauberers …. Auf dem Foto sind es zwei Frauen, in der Ateliertür gespiegelt, von Innen nach Draußen fotografiert.

Foto: Nachtrag zu Vielschichtigkeit.
Teilweises Verschwinden
Die Schnipsel, die ich für das obige Legebild verwendete, stammen von Jürgen Küster aka Buchalov. Es sind ganz besondere Schnipsel, denn sie fielen an, als er Bilder aus Bögen schnitt, die ein verstorbener Freund und Atelierkollege, Peter Maschke, ihm hinterlassen hatte. Im Gegensatz zu den Schnipseln, mit denen ich gewöhnlich arbeite, handelt es sich bei Jürgens Material also um Verschnitt, um Übriggebliebenes, „Negatives“, wie es anfällt, wenn das „Eigentliche“, das Positive, das Werk, das Leben selbst herausgeschnitten wurde. Es ist das, was bleibt und entsorgt wird wie das Usambaraveilchen, von dem Mitzi Irsaj in ihrer schönen Erzählung „Frau Wolf zieht ein“ schreibt. Wie Mitzi das Veilchen, so ließ ich die Schnittreste eines Verstorbenen bei mir einziehen, auf dass sie weiterwirken und von einem vergangenen Leben in neuer Gestalt zeugen können. (Wie Jürgens Schnipsel zu mir kamen: hier).
Aus den Schnipseln, die teilweise beschriftet waren, las ich folgende polaren Begriffe heraus. Schatten – Licht, sichtbar – unsichtbar, verborgen, bekleidet (vergl.Pasiphae und der Stier, Minotaurus)
Diese Begriffe leiteten mich auch, als ich die obige Kondolenz-Szene des „Nachtzirkus“ illustrierte. „Es reizte mich“ schrieb ich damals, „die Schnipsel (…) in ihrer negativen Form (…) zur Wirkung zu bringen. Ich fand, das sei die rechte Art, das stückchenweise Transparentwerden und Verschwinden des Zauberers zu illustrieren.“
Was halten wir in der Hand, wenn dort, wo das Lebendige war, völlige Transparenz herrscht? Einen Hut, einen Spazierstock, ein Jackett und vielleicht auch ein Usambaraveilchen…
*Ich zitiere aus dem Buch „Der Nachtzirkus“ von Erin Morgenstern, in der deutschen Übersetzung von Brigitte Jakobeit erschienen 2012 bei Ullstein.




Liebe Gerda! Ich bin erstaunt und erfreut darüber, dass die Restpapierstücke immer noch im Einsatz sind und versendet werden, toll! Liebe Grüße
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Sterben als durchsichtig, durchlässig werden – das ist ein schöner Gedanke!
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Du Verwandlungskünstlerin, Gerda. Da gibt es immer Neues, Überraschendes, Nachdenkliches, Verwunderliches, Spaßiges, – und Schweres wird leicht.
Also langweilig wird es nicht. Bloß alles lesen kann ich nicht.
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Ich glaube, ich sollte den Nachtzirkus mal wieder lesen 🙂
Ich habe ihn kaum noch in Erinnerung und habe ihn doch sooo gerne gelesen, liebe Gerda
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Ja, es macht dir bestimmt Spaß!
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Eine kleine buchhändlerische Aktualisierung möchte ich hier noch einfügen, liebe Gerda. Der Roman „Der Nachtzirkus“ ist inzwischen beim HEYNE Verlag neu verlegt worden und dort auch noch lieferbar. Nachfolgend der Link zum Buch auf der Verlagswebseite:
https://www.penguin.de/Taschenbuch/Der-Nachtzirkus/Erin-Morgenstern/Heyne/e592730.rhd
Erlesene Grüße 🙂
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Herzlichen Dank, Ulrike! Das wird so manchen Fan dieses Buches freuen
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Schön, wenn die Dinge von denen die gehen, weiter bestehen bleiben. Ein kleiner Teil reicht ja oft schon.
Feine Legebilder und auf den Roman habe ich bei so viel fürsprechenden Stimmen Lust bekommen.
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