Heute fand ich im Stadtwald einen Platz, von dem aus ich einen weiten Blick sowohl aufs Parnitha-Gebirge im Westen als auch auf den Saronischen Golf im Süden hatte. Anscheinend hatten schon andere diesen Ort schön gefunden, denn einige Stämme waren zu einer Art Eckbank geschichtet. Zuversichtlich machte ich mich ans Skizzieren der „Weite“ – zunächst des Gebirges, auf dessen Flanken noch Schnee lag, dann des Meeres, das in der Ferne als goldener Streifen aufleuchtete. (kleines Skizzenbuch, bitte anklicken)
Dabei merkte ich, dass mein Auge die mich interessierenden „Gegenstände“ – Berg, Meer – automatisch heranzoomt. Das Gebirge sieht auf der Zeichnung aus, als könne man es mit geringer Anstrengung erreichen. Auch das Meer liegt ziemlich nah und frei unter einem bewölkten Himmel. Wie aber sieht die Kamera die Landschaft von meinem Sitzplatz aus?
Ich hatte also beim Zeichnen unbewusst die Weite der Landschaft minimiert und Nähe zu meinen „Gegenständen“ hergestellt. Auch mit dem iphone zoomte ich mir nun Meer und Berge heran.
Doch das Gebirge bleibt auch auf dem gezoomten Foto fern und flach – als Gegenstand einer Zeichnung ganz uninteressant. Berge verlieren eben in der Entfernung ihre imposante Höhe.
Das Meer, das auf dem Foto wie ein sehr fernes wundervolles goldenes Gemälde in einem dunklen Waldrahmen aussieht, würde auf einer Bleistift-Zeichnung zu einem Fast-Nichts verbleichen (Originalfoto mit iphone – Fotoshop Filter „Graphic Pen“, bitte anklicken).
- Foto iphone, leicht gezoomt
- Fotoshop-Filter „graphic pen“
Fotografieren und Zeichnen sind eben zwei ganz verschiedene visuelle Herangehensweisen an die Welt, die auf je andere Art eine Illusion von Raumtiefe auf einer Fläche schaffen.
Durch digitale Bearbeitung der Zeichnungen habe ich die Bild-schaffenden Strukturen stärker betont, diese aber eingefärbt, so dass trotz der höheren Abstraktionsstufe der Eindruck größerer Naturnähe entsteht.
Diesen Zwiespalt zwischen Wahrnehmung und Foto bemerke ich immer, wenn ich die Alpen fotografiere: die sehen auf den Fotos immer idyllisch und nie wie in echt so gewaltig und erhaben im Sinne Schillers aus.
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Stimmt. Aber es gibt natürlich auch hervorragende Bergfotografen. Dafür muss man den Bergen allerdings echt zu Leibe rücken. Heute sah ich sehr schöne Bergfotos: http://lichtzeichnenblog.com/2019/01/10/2019-002-schwerpunkte-002/
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Toller Tipp! Danke! 🦄
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Das ist ein wahrlich großartiger Fotograf, ich schätze seine Bilder sehr!
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Toller Tipp! Danke! 🦄
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gern!
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Liebe Gerda, leider ist mein Internet zusammengebrochen, nachdem ich einen Kommentar an dich fertig hatte – nun also nochmal von vorne. Ich sehe ncht nur die Unterschiede beim fotografieren und zeichnen, sondern auch beim sehen und fotografieren, das Foto so hinzukriegen, dass es das zeigt was ich sehe und auch noch in diesem Licht braucht immer wieder die Aktivierung all meines Wissens über Blende, Zeit und Abständen, und selbst dann gelingt es nicht immer, was aber eben nicht heißt, dass dann das Foto nichts wäre, nur, dass es nicht mit meiner Wahrnehmung übereinstimmt.
Deinen Blick aufs Meer mag ich in allen Varianten, auch in der digitalen Bearbeitung, warum mir die Bergwelt nicht so gefällt weiß ich nicht wirklich zu sagen. Ich lasse es mal so stehen und grüße dich von Herzen,
Ulli
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Danke, Ulli, auch für deinen doppelten Anlauf zu kommentieren, was ja immer sehr lästig ist. Der Abstand zwischen dem, was ich sehe und dem was ich zeichne – bzw eben auch fotografiere – ist ein interessanter zusätzlicher Gesichtspunkt. Am Ende hat man ein Produkt (ein Foto, eine Zeichnung) in Händen und beschaut es sich und schließt aus dem Produkt vielleicht auch darauf, wie man denn nun wirklich gesehen hat. Sehen ist ja ein sehr komplexer Prozess, sowohl physiologisch als auch psychologisch. Vieles sehen wir gar nicht, sondern glauben es zu sehen. Und dann wundern wir uns eben, was da so auf dem Bild in Erscheinung tritt.
Übrigens gibt es heute beim Dilettanten einiges Interessantes zum Wahrnehmen von Raum und zum Umsetzen im Bild zu lesen. https://derdilettant.wordpress.com/2019/01/14/zwei-tiefgruene-akte/
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Das schaue ich mir jetzt gerne noch an, danke Gerda!
Und ja, das gibt es eben auch, dass etwas auf dem Foto zu sehen ist, was ich gar nicht wahrgenommen habe, allerdings ist das um einiges besser geworden, ich habe gelernt genauer zu schauen. Und so lernt frau ein Leben lang: sprechen, schreiben, lesen, sehen, hören und spüren …
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sorry, es heißt nicht schreien, sondern schreiben, kannst du das bitte korrigieren? Danke – oft sind mir meine Tippfehler und ihre Korrektur nicht so wichtig, aber in diesem Fall schon –
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Deine Perspektive und die Fotos dazu finde ich wunderschön, weil die Sicht aus der Ferne eine Sehnsucht vermittelt! Es lässt erahnen wie schön die Bergwelt sein muss! Die Beleuchtung lässt das Ganze noch intensiver erleben!
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Ja, liebe Babsi, Ferne ruft Sehnsucht auf. Aber es ist eine freundliche Sehnsucht – es ist nicht notwenig hinzueilen, man kann einfach das schöne Bild genießen.
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Deine Zeichnungen sind wieder genial! Es sieht aus, als würdest Du den Stift nicht absetzen und die Zeichnung in einem Durchlauf erstellen!
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danke, Babsi. Ich zeichne meist in einem Rhythmus, der vom Sehen bestimmt wird und sich dann in die Hand überträgt. Das bedeutet, dass oft eins ins andere hinübergleitet, auch zurück, rauf, runter, wie eben das Auge spielt.
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👏👌👍fantastisch!😉
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Unglaublich, dass man von dort aus das Meer so nah sehen kann! Dabei liegt doch so viel laute Stadt dazwischen. Schön, dass diese mal leise und unsichtbar sein darf. Danke dafür.
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O ja, Julia, die Stadt wird von da aus in ihre Schranken gewiesen: sie ist nichts als eine kleine Ansammlung von Gebäuden, die sich im Dunst auflösen…..
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Dein Beitrag erinnert mich an ein Projekt unseres Kunstlehrers an meiner Schule. Er erarbeitete in einem Projekt die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zusammengehöriger Fotografien und Zeichnungen. De Schüler ist es sicher nicht so toll gelungen wie dir, denn deine Zeichnungen sehen fantastisch aus, aber sie haben was den Zoom der Augen betrifft ähnliche Erkenntnisse getroffen. Toll. Kunst und Musik bereichern unser Leben so sehr. Ich verstehe gar nicht, dass diese Bereiche derart im Studenumfang reduziert sind oder als erstes wegfallen bei Problemen an allgemein bildenden Schulen. VG Nele
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Liebe Nele, herzlichen Dank für deinen Kommentar! Ich freu mich immer, wenn ich von beühten Lehrern lese, die den jungen Leuten nicht nur Langeweile vermitteln. Wir hatten so gut wie gar keinen Kunstunterricht, und wenn, wurde uns die Kreativität eher ausgetrieben. Bei meinem Sohn war es dann noch einen Grad schlimmer, so dass wir ihm einen Künstler für Zuhaus-Unterricht suchten. Der war so anregend, dass ich anfing zu zeichnen und zu malen. Und nie wieder auhörte.
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Ach seufz*, wie schön😊
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Liebe Gerda, vielen Dank für die Verlinkung, die ich eben erst bemerke. Mir gefallen deine Zeichnungen aus dem kleinen Skizzenbuch ausgesprochen gut, weil sie ungeheuer räumlich wirken, und dabei eine ganz eigene Handschrift verraten.
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Danke, sehr geehrter Herr Dilettant, ich freu mich über dein Lob.
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Das sind interessante Erkenntnisse, die du da beim Zeichnen von deinem Aussichtsort gemacht hast. Der Mensch sieht ganz anders als die Kamera, die nur eine kalte Kopie schafft von den Dingen, die der Mensch in seinem Innern aufnimmt. Dasselbe könnte man von den Farben sagen, die wir auch anders wahrnehmen als die Kamera. Liebe Grüße aus Kanada, liebe Gerda!
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