Kohle No. 2: Experimentieren vor der Landschaft

Jahrelang besuchte ich jeden Sommer die Insel Samothrake, und dort entwickelte sich auch meine Malerei zuerst.

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Ich benutze einfache Kohle, der man noch ansieht, dass sie aus Holz gewonnen wurde.  Die Stücke brechen leicht, aber das stört mich nicht, im Gegenteil. Oft zerbreche ich sie absichtlich, um ihre Breite zu nutzen oder neue Kanten zu gewinnen. Das Papier kann billig und dünn sein, wie dieses hier, das im Laufe der Zeit stark vergilbt ist.

 

IMG_6254aDie leiseste Berührung der Kohle mit dem Papier hinterlässt Spuren. Bei kräftigerem Aufdrücken vertiefen sich die Linien und Schatten. Das Dach eines Hauses tritt aus dem Wäldchen hervor. IMG_6254d

Kreisende Striche IMG_6254b schaffen Fülle und Rundung der Formen.

Diesen eher lyrisch-melodischen Bildern entgegengesetzt sind die, die sich auf die Landschaftsstruktur konzentrieren.  Die Linien geben vor allem den Bau und Rhythmus der Landschaft an. Vergleichbar scheint mir das mit den Rhythmusinstrumenten in der Musik.

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Ich versuche, Klarheit der Formen zu finden, aber allzu große Härten zu vermeiden. Dabei helfen die verdoppelte Kontur, die gelegentlichen Verwischungen.

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Eine dritte Sorte von Zeichnungen aus dieser Zeit sind einfache, expressive Skizzen wie diese hier:

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Darin, denke ich, bin ich am meisten zu Haus. Sie entsprechen meinem Temperament als geborenem Stiermensch.

Aber es gibt doch auch eine andere Seite, die sich gern ins Träumerische verliert. Da löse ich mich von dem, was mir vor Augen liegt, und schaffe aus einem ganz innerlichen Rhythmus heraus.

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Die schwierigste Entscheidung für mich, die ich bisher nicht habe treffen können, ist: Wer bin ich? Welches ist der mir gemäßeste Ausdruck? Sie gefallen mir alle – und noch etliche Ausdrucksformen mehr -, und es fällt mir nicht schwer, mich in all diesen Stilen auszudrücken. Doch geht das? Muss ich mich nicht entscheiden? Das, liebe Leute, kann ich leider nicht. Und so wechselte ich in all den Jahren, die kamen, und trug mal das Hemd des Lyrikers, mal das gestrenge Kostüm der Strukturalisten, mal wollte ich einfach nur im Leben sein, und oft genug trug ich auch das Narrenkleid.

Gute Nacht für heute.

 

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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16 Antworten zu Kohle No. 2: Experimentieren vor der Landschaft

  1. Ulli schreibt:

    Nein, liebe Gerda, man muss sich nicht entscheiden. Wie heisst es immer so schön: alles hat seine zeit und dann kommt manchmal auch etwas zurück, wenn auch nie gleich und ein anderes mal wechselt man die Gestalt und die Formen, die Farben, die Stifte, die Medien. Das macht doch das Leben erst wirklich lebendig, oder nicht?

    Du Frau Im Närrinnenkostüm, du Stierfrau, ich grüsse dich als Närrin, die ich manchmal bin und als Stierfrau, die ich eben auch bin … 🙂
    Ulli

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  2. Katrin - musikhai schreibt:

    Liebe Gerda,
    warum entscheiden? Frau ist doch auch nie ein und dieselbe. Das Leben ändert sich von Minute zu Stunde zu Tag… und die Kunst versucht auszudrücken, wie und was dich gerade bewegt. Das kann nicht nur auf eine Technik reduziert werden. Das wäre zu schade! Ich mag deine Kunst, egal ob Papierfetzen oder Kohle oder Ölfarbe oder was weiß ich…? Warum willst du dich beschränken?
    Liebe Abendgrüße von Katrin

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  3. mmandarin schreibt:

    Liebe Gerda, gerade das Vergängliche, das Vergilben gefällt mir so, das macht es noch ehrlicher und verletzbarer. Warum entscheiden ? Gerade deine Vielfalt macht dich aus. Wir sind doch in einem Alter, wo wir einfach drauflos spinnen können. Was für ein Glück. Ein Hoch auf alle Närrinnen und Narren. Marie

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    • gkazakou schreibt:

      Danke sehr, Marie. Auch ich mag das Vergilben, das Verletzliche. Die Zeichnungen sind ja aus einer Zeit, als ich jung war (ca 42). Was du über das Alter sagst, will mir allerdings nicht ganz einleuchten. Zwar habe ich gegenüber der Gesellschaft eine gewisse Narrenfreiheit. Aber dem Leben gegenüber, das zu Ende geht? Ich versuche jetzt, in dem vielen, das ich gelebt und gemacht habe, einen Pfad zu finden, um ihn die letzten Jahre bewusst zu gehen.

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  4. teggytiggs schreibt:

    …ich kann mich meinen Vorkommentaren nur anschließen, weshalb entscheiden? Die Vielfalt macht den Reichtum aus und nicht die Einsilbigkeit. Facettenreiche Charaktere sind interessant, lebendig und überraschend, sie werden nicht langweilig auf der Suche nach dem Sein und kommen in Windungen voran, wobei sie einen breiteren Erfahrungsschatz finden, in der Kunst wie im wirklichen Leben. Sei einfach Du und gut, das ist mehr, als vielen gelingt…

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  5. karfunkelfee schreibt:

    Mir geht es beim Schreiben ähnlich wie Dir beim Malen.
    Ich habe aufgehört zu suchen nach meinem Stil, der von so vielen unterschiedlichen Stilen geprägt wurde. Ich habe mich damit abgefunden, dass in mir sowohl ein hemmungsloser Träumer, als auch ein sachlicher Realist wohnt, der Philosoph sich alle Tage mit dem respektlosen Narren in mir aufs Neue vertragen muss. Dass ich eine melancholische Seite habe und eine hedonistische … Und noch viele mehr…
    meine Familie oder Freunde sagen, dass alles bist du und wir lesen dich aus dem was du schreibst heraus, auch wenn dir manches davon in anderen Stimmungen fremd vorkommen mag (bei manchen Texten wundere ich mich wie ich sie schreiben konnte). Doch sie erkennen mich trotzdem wieder, manchmal sogar mehr als ich mich selbst. Das hat mich versöhnt damit, dass ich mir selbst keine eindeutige Seite zuordnen kann.
    Vielleicht doch eine Wasser- Feuer-Luftmentalität obwohl ich ein Erdzeichen bin. Ich schreibe gerade Elemente-Texte, male Wortbilder um herauszufinden, welches Element mir am nächsten ist. Ich stelle gerade fest dass das nicht möglich ist… Ich gebe keinem Element in mir den Vorzug.
    Herzliche Grüße und auch wieder ein großer Dank, dass du deine Maltechnik so gut erklärst.
    Ich finde das außerordentlich spannend.
    Stefanie

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  6. kunstschaffende schreibt:

    Liebe Gerda,

    wieder zeigst Du uns Deinen Facettenreichtum in Deiner Kunst. Auch mir gefällt das vergilbte, dir Spuren der Zeit auf dem Papier so wie Falten in unseren Gesichtern.
    Nichts bleibt wie es ist.

    Liebe Grüße etwas verspätet
    Babsi

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  7. haluise schreibt:

    JUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUUT

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  8. Wirfsnichtweg! schreibt:

    So soll es sein, so soll es bleiben!

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