Über den Ginster.
Giorgos Seferis, geboren 1900 in Smyrna (heute Izmir, Türkei), als 14Jähriger mit seinen Eltern vertrieben aus der Heimat, in allen Ländern zu Haus und nirgends. Diplomat und Dichter, 1963 als erster Grieche geehrt mit dem Nobelpreis für Literatur. Als er 1971 starb, sangen zu seinem Grabgeleit die Menschen an den Straßenrändern eines seiner Gedichte von 1931, das Mikis Theodorakis vertont hatte und das jeder Grieche kennt. Beide – Dichter und Komponist – waren zu jener Zeit Verfehmte. Griechenland stöhnte seit vier Jahren unter dem Verlust der Freiheit, und bis es sie wiedergewinnen würde, sollten weitere drei Jahre vergehen.
Das Gedicht ist das letzte, das Seferis, zunächst auf französisch, veröffentlichte. In Griechenland erschien es einen Tag nach seinem Tod. Es ist ein Gedicht der Verzweiflung und des Zorns, wie es nur wenige von ihm gibt.
Zur Erläuterung: Der pamphylische Tyrann Ardaios, von dem Platon in seinem großen Werk Politeia (Der Staat, 616) spricht, war bereits zu Platons Zeiten mythisch. Er wurde, so Platon, an der Pforte zwischen Himmel und Unterwelt in der beschriebenen Weise für seine Untaten bestraft. Seferis, so scheint es, wünschte den Tyrannen seiner eigenen Tage ein gleiches Ende.
Die Übersetzung habe ich selbst besorgt. Falls jemand von euch sich für die Gedichte von Seferis interessiert: es gibt eine gute zweisprachige Ausgabe bei Suhrkamp, mit Übersetzungen von Christian Enzensberger.
Giorgos Seferis
Über den Stechginster
Schön war Sounion an jenem Tag von Mariä Verkündigung / erneut mit dem Frühling./ Wenige grüne Blätter ringsum auf den verrosteten Steinen / Rote Erde und der Stechginster
Er zeigte seine großen Stacheln, bereit, / und seine gelben Blüten. / Weit dahinter die archaischen Säulen, Saiten einer Harfe, die noch klingen.
Seelenfrieden.
Was war es nur, was mir den Ardaios in Erinnerung rief? / Ein Wort von Platon nehme ich an, verloren in den Windungen meines Hirns, / der Name des gelben Busches hat sich seit jenen Zeiten nicht verändert. / Am Abend fand ich den Abschnitt. / „Sie fesselten ihn an Händen und Füßen“, sagt er uns, „sie warfen ihn zu Boden und prügelten ihn / sie schleppten ihn weiter und zerrissen ihn über den Stacheln des Ginsters. / Und sie warfen ihn in den Tartaros, einen Lumpen.“
So bezahlte in der Unterwelt für seine Verbrechen / der Pamphylier Ardaios, der elende Tyrann.
- März 1971
Dank Dir, Gerda, für dieses besondere Geschenk heute, am 3. Advent: für das Erinnern an diesen großen Dichter, für Deine klangvolle Übertragung und diese schönen Bilder – in finsteren Zeiten. Gruß Petra
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Liebe Grüße auch dir, Petra, und Danke für deinen Kommentar.
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Liebe Gerda,
wie so oft sagen die Dichter die Wahrheit.
Für die Übertragung solltest Du einen Extra-Preis bekommen, geenauso, wie für die bildliche Umsetzung. Aber wer sieht wie Du und einer Sprache solch einen Rhythmus geben kann, ist ja selber eine Künstlerin.
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herzlichen Dank, skyaboveoldplueplace.
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