Die „ανθρωπακια“ (Menschlein) von Yannis Gaitis (1923-1984) sind aus der griechischen Kunstwelt nicht mehr wegzudenken. Ich kenne sie wie vermutlich jeder hier, sie sind unglaublich eingängig und populär. Gestern sah ich sie über drei Stockwerke der Theoharakis-Stiftung (nahe Verfassungsplatz) in einer Ausstellung, die den Weg des Künstlers nachzeichnet bis hin zu diesem Motiv, das er 1968, inspiriert wohl von der Militärdiktatur, erfand.
Im internet gibt es einen deutschsprachigen Artikel „Yannis Gaitis: Menschenmenge und Einsamkeit“, den du, sofern es dich interessiert, nachlesen kannst.
Mich erinnert seine Kunst ein wenig an Thomas Bayrles Anfänge, als er bewegliche Figuren bastelte (wir lernten uns 1971 durch den gemeinsamen Kinderladen in Frankfurt am Main kennen). Gaitis blieb freilich dort stehen, wo Bayrle begann, und baute die einmal gefundenen Figuren unverändert zu einem Imperium aus, indem er sie vermehrte, beflügelte, sie zu Protagonisten mythischer Geschehnisse machte…. Sein Thema war und blieb: der gesichtslose Massenmensch. Freilich hatte er nichts Beängstigendes oder gar Bedrohliches, sondern fügte sich spielerisch in die Welt der Griechen ein, die von sich selbst natürlich überzeugt sind, keine Massenmenschen, sondern unverwechselbare Individuen zu sein, die sich einen Spaß daraus machen, den Massenmenschen von Gaitis als Plakat in ihr Zimmer zu hängen oder als Kaffeebecher zu verschenken 🙂
Er ist ja auch allerliebst, wie er da mit seinem Hut und seinen Flügeln auf dem Einrad einherkommt, ein bisschen fast wie der Gott Hermes ….
oder wie er, in quer- oder länggestreiftem Sacko, halb plastisch mit Seinesgleichen hintereinander gestapelt, auf einen roten Plakathimmel starrt, über den schattenhaft ein riesiger Negativ-Vogel fliegt.
Man kann das politisch auslegen, kann darin Anspielungen auf das kommunistische Rot, auf die zum Dunkelvogel mutierte Friedenstaube sehen – aber man muss es durchaus nicht, genauso wenig wie die sechs farbigen Männchen in Rückenansicht, die einer grauen uniformen Masse gegenüberstehen, als Beziehung zwischen den Regierenden und den Regierten interpretiert werden muss.
Und selbst wenn man es täte: wo sollte man sich denn einreihen? Die Zeiten, in denen der Künstler einem einen Platz als Hund oder Ziege anbot, gehören einer früheren Epoche an und sind längst der totalen Uniformierung zum Opfer gefallen.
Und so ist es schließlich nur noch eine Frage der Position und nicht irgendwelcher individueller Eigenschaften oder Vorzüge, ob man ein Steuermann, eine Sirene oder Odysseus höchst persönlich ist.
Ich selbst neige dazu, die Individualität zu verteidigen, gebe aber zu, dass man damit heutzutage keinen Staat mehr machen kann.
Wer Lust auf meine Varianten dieses Odysseus-Abenteuers hat: „Wachs in den Ohren“. Da gibt es diese und noch einige andere mehr zu sehen.
Odysseus und die Sirenen – politisierendes Schnipselbild von 2015.
Mannschaft
Zu den 6 personen in rückenansicht:
Minderheit und Mehrheit.
Per se hat aber die Mehrheit durchaus auch mal recht.
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Ich sehe das eher als 7 Personen. Das Besondere für mich ist aber die vermeintliche Individualität der Masse. Die Streifen der Hemde sind unterschiedlich, manche tragen einen Schlips. Das passt genau in das Muster z.B. der Automobilindustrie, wo Du die Ausstattung eines Massenautomobile individuell gestalten kannst, um dich von den anderen Käufern absetzen zu können.
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Die 7 scheinen auch uniformiert, aber bunt. Ich sehe wenig Unterschiede zu der grossen Masse
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Die Privilegierten sind sich ja auch irgendwie gleich, unterscheiden sich nur mit ihren Klunkern und Yachten.
Wir sind in verschiedenen Kreisen Gefangene, der Unterschied ist nur, wem wer was zu verdanken hat.
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Wenigstens ab und an.
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Originell und einfallreich ist seine Kunst, trotz scheinbarem Gleichsein…
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Das sehe ich auch so, liebe Bruni. Spielerisch ist sie, und nicht so oberflächlich, wie manche meinen.
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Oberflächlich scheint sie mir auch nicht, aber sehr originell und mit viel verstecktem Humor, liebe Gerda!
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