Gestern war ich, wie ich schrieb, mal wieder am Stavros-Niarchos-Kulturzentrum nahe bei Piräus. „Zu viel Zement“, sagte mein Mann, der es zum ersten Mal sah, und „Ich bin enttäuscht“, denn vom Architekten Renzi hatte er Besseres erwartet.
Es stimmt natürlich: diese gewaltigen Betonmauern sind zunächst mal eine Herausforderung. Ich hatte meine Mühe, ihn davon zu überzeugen, dass es sich um die Basis einer riesigen Rampe handele, die mit allen Pflanzen der Mittelmeerkulturen, darunter hunderten von Olivenbäumen bepflanzt ist.
Außerdem: Ich finde diese unverhüllte brutale Wahrheit des Zement nicht hässlich. Das ist nun einmal der Preis, wenn man große Gebäude, in diesem Fall eine Oper und die Nationalbibliothek errichten will. Normalerweise ragen sie in die Höhe, umgeben von einer Grünfläche, auf der sich die Besucher die Füße vertreten können, aber fürs Populo ohne Nutzen. Hier ist es umgekehrt: Die sanft ansteigenden sehr ausgedehnten Gärten auf der Rampe sind von morgens bis abends ein frei zugängliches Paradies für Jedermann (Fotos vom Februar 2018).
Mir gefällt diese kühne Architektur, sie imponiert mir. Die hochragenden Wände aus Zement werden zu Glaskulissen, die einen Blick hinein in die Oper und die Nationalbibliothek gestatten.
Das Beeindruckendste aber bleibt wohl der Blick von ganz oben, dort, wo die Rampe dich weit hinauf in den sonst unbetretbaren Raum zwischen Himmel und Meer getragen hat und du dich umschaust, hier das Meer mit den Häfen, den Inseln des Saronischen Golfs und der Küste der Peloponnes, dort die Riesenstadt mit ihren Hügeln und den sie umgebenden Gebirgszügen.
Hier ein Panoramablick aufs Meer und auf die bepflanzten künstlichen Dünen der Anlage.
Und ein Foto von einem früheren Besuch, mit Blick auf eine Zwischenplatform und die Stadt:
Ganz oben ist ein großer Raum mit kubischen roten Sesseln, wo man, geschützt vom Wind, sitzen und lesen kann. Eine reiche Auswahl an Büchern steht in den Regalen. Ein paar Menschen hocken mit ihren Computern dort zusammen, arbeiten, tauschen sich aus. Eine einfache Kantine bietet Getränke an.
Draußen auf der Terrasse betrachten viele Menschen den Sonnenuntergang. Fast unwirklich erscheinen mir die Schattengestalten, das Licht, dies Schweben im Nirgendwo, zwischen Tag und Nacht, zwischen Himmel und Meer, unter mir nichts als der Hohlkörper des riesigen Gebäudes.
Das Gefühl des Schwebenden hat mich noch nicht verlassen.
Bauwerke und Natur im Konflikt miteinander. Schön, wenn die Natur hier besonders gepflegt wird und Augen und Herzen erfreut!
Möge nun die Natur noch mehr Beachtung finden!
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Hier sind sie eben nicht in Konflikt, Gisela, sondern in ein ausgezeichnetes Gleichgewicht gebracht worden. Dies ist Großstadt, im Athener Großraum, zu dem auch Piräus gehört, leben 6 Millionen Menschen. Da sollte man nicht in dörflichen oder kleinstädtischen Kategorien denken.
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Habe ich auch nicht getan, Gerda. Ich versuchte, es neutral zu betrachten und ebenfalls aus Deinem Erleben heraus mitzuerleben.
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Mich hat halt dein letzter Satz irritiert, dies „Möge…“.
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Ja, Gerda, das verstehe ich. Ich hatte es auch nicht auf Dich bezogen, sondern ganz allgemein „vor mich hin gedacht“.
Aber dies „Moralisieren“ kann ich mir auch sparen. So hatte ich es auch nicht gemeint. Es kann aber leicht so verstanden werden.
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Du hast ja nicht unrecht, Gisela, dass mehr Natur wünschenswert wäre. Seufz. Nun ist diese Menschenzusammenballung der Großstädte aber ein Fakt, und man muss sehen, wie sie irgendwie menschlicher und „künstlich naturnäher“ zu gestalten ist als so, wie sie im Laufe der Zeit über die Landschaft hinweg gewuchert ist. Es ist ein bisschen wie eine Operation bei Krebs. So wie es mal war, kann es nicht mehr werden, aber es kann doch ein lebenswerter Zustand geschaffen werden. Mehr kommentiere ich bei Joachim.
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Danke, Gerda. Die andere Seite ist und bleibt: Das, was noch naturnah ist, zu bewahren und zu pflegen. Wichtig ist vor allem die Liebe zur Natur ☺️
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Für mich wären das Orte zwischen Himmel und Erde. Die Nähe der Bücher …und des Meeres…paradiesisch!
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Ja, so empfinde ich es auch. Wie ich früher mal schrieb: am liebsten würde ich gleich dort hinziehen. Die Gegend ist aberzu teuer geworden, seit das Kulturzentrum dort steht.
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Ein listiger Beitrag: auf dem ersten Foto sieht das Gebäude wirklich nicht interessant aus, aber dann! Ein tolles Gebäude, diese Rampe und das schwebende Dach aus einiger Entfernung betrachtet.
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„Listig“ 🙂 Mehr dazu kommentiere ich bei Joachim
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Ja, es gibt diese beiden Ansichten. Zum einen der Betonwüste nicht noch eine weitere hinzufügen und zum anderen den Weg vom Bet0n zu dem zu bahnen, was uns immer mehr fehlt…
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Danke, Joachim. Du triffst den Nagel auf den Kopf. Ich bin geneigt zu behaupten, dass hier eine Quadratur des Kreises gelungen ist. Natürlich hätte man auch das zuvor total verwahrloste Gelände ebenerdig in ein Naturparadies verwandeln können, vielleicht ein Eckchen für einen Musikpavillon aussparend. Nun sollte es aber eine Oper werden, und auch die Nationalbibliothek suchte neue Räume. Mein Mann meinte zwar, in der Innenstadt im neoklassischen Gebäude des 19. Jahrhunderts sei sie viel besser aufgehoben gewesen – aber als ich ihn fragte, wer denn da hineingegangen sei, grinste er und sagte „Ich“. Diese hier ist hingegen ein Anziehungspunkt für viele.
Die Schwierigkeiten, eine Lösung zu finden, waren enorm, zumal der Raum zwischen dem Gelände und dem Meer durch ein Gewirr höllischer Autobahn-ähnlicher Straßen verstellt ist. (Dieser Verkehr dröhnt übrigens bis zur Höhe der Rampe empor). Der Architekt Renzo Piano musste Ähnliches schon einmal bewältigen – in Genua, wo er die Stadt mit dem Hafen verbinden sollte – auch da waren die Autostraßen dazwischengeraten und schnitten die Stadt faktisch vom Wasser ab. Hier nun fand er verschiedene Lösungsansätze: einmal die Rampe, die die Sicht aufs Meer wieder herstellt, und zwar weit größer, als es vom Ufer aus möglich gewesen wäre – und zum anderen eine Fußgängerbrücke hinüber zum Meer. die freilich nicht unbedingt zum Gesamtbau gehört. Drittens hat er durch einen Kanal das Meer ans Gebäude herangeholt, und im Sommer ist da viel los mit Bötchen jeder Art.
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Bibliotheken wandeln sich ja immer mehr von Bücherverwahranstalten zu einladenden Orten mit vielfältigem Kulturangebot und Gelegenheit zu kommunikativem Verweilen. Die für mich schönste Bibliothek weltweit – die Staatsbibliothek in Berlin – verwandelt im Sinne organischen Bauens (Architekt Hans Sharoun) Natur als Landschaft in spektakuläre Lesesaalarchitektur. Sie verbindet nicht – wie du so schön beschreibst – Natur mit Architektur, sondern setzt den Naturgedanken in etwas Artifizielles um. In jedem Fall aber macht deine Beschreibung der Nationalbibliothek mit Oper Lust, sich auch das anzuschauen.
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Bibliotheken wandeln sich ja immer mehr von Bücherverwahranstalten zu einladenden Orten mit vielfältigem Kulturangebot und Gelegenheit zu kommunikativem Verweilen. Die für mich schönste Bibliothek weltweit – die Staatsbibliothek in Berlin – verwandelt im Sinne organischen Bauens (Architekt Hans Sharoun) Natur als Landschaft in spektakuläre Lesesaalarchitektur. Sie verbindet nicht – wie du so schön beschreibst – Natur mit Architektur, sondern setzt den Naturgedanken in etwas Artifizielles um. In jedem Fall aber macht deine Beschreibung der Nationalbibliothek mit Oper Lust, sich das anzuschauen.
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Leider kenne ich die Berliner Bibliothek nicht. Klingt verführerisch. Mir gefällt dein Ausdruck „setzt den Naturgedanken in etwas Artifizielles um“, zumal: was ist Literatur anderes?
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Ein kühnes Gebäude, eine kühne Architektur.
Vielleicht braucht man ein Weilchen, um sich mit ihr anzufreunden, aber der Gesamteindruck berauscht.
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Genauso sehe ich es auch, Es ist erst mal gewöhnungsbedürftig, besonders wenn mann von der falschen Seite kommt, wo man als Fußgänger nicht grad willkommen ist.
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Ich hätte vermutlich erst mal so reagiert wie dein Mann, liebe gerda
und später meine Meinung revidiert
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