Welttheater, 4. Akt, 22. Szene: Rassistischer Streit

Was zuletzt geschah:

Wir verlassen die Gruppe um Domna in der Bucht und wenden uns erneut der Gruppe um Danai im Sumpf zu: Wilhelm ruht erschöpft. Abud, der ältere Afrikaner, will nur weiter helfen, wenn er erfährt, wie es mit der Bezahlung steht. Er ist voller Zorn, wobei sich ihm koloniale Erfahrungen seiner Vorfahren und gegenwärtiges Unheil vermischen. Seine Wut hindert ihn zu differenzieren und macht ihn zu einem General-Ankläger.

Abud:

Das stimmt, Hawi, ich habe Mut

doch noch viel größer ist die Wut

die in mir brennt wie eine Glut

und immer rächen will das Blut

der Meinen, die getötet worden….

Abuds Schlussfolgerung zeigt, dass er mit dem Rückenwind der Opferrolle leicht selbst zum Täter werden kann.

Ein jeder muss für sich erjagen

was er im Leben haben muss.

Das sag ich dir, und damit Schluss!

 

Danai erkennt diese Gefahr und ermahnt Abud, seinen Zorn zu mäßigen:

Die Glut in dir, Abud, sie wird entfachen

noch größres Feuer, das noch größre Schrecken

der Erde bringen wird. Du musst bewachen

den Zorn in dir….

Im letzten Szenenbild vermischen sich Angst (Schurigel) und Schrecken (Feuer), dazwischen Wilhelm und, verdeckt hinter ihm, Danai, Abud und Hawi.

Wilhelm (langsam zu sich kommend)

Wo sind wir? Warum rasten wir?

Ich muss zum Strand, sonst ists zu spät!

Abud:

Ich bin ja nicht dein Lastentier

und du bist keine Majestät!

Wenn wir dich weiter tragen sollen

dann muss so mancher Rubel rollen.

Was bietest du mir denn als Preis?

Ich frag nur so, damit ichs weiß.

Wilhelm (unwirsch):

Beeil dich, Halunke, hier wird nicht verhandelt

jetzt mach schon voran, du schwarzes Gesicht!

Erst kommt ihr hierher und das Land wird verschandelt

dann wollt ihr noch Geld – doch bei mir holst du’s nicht.

Abud

Soso, der Herr, ich hab mirs ja gedacht,

selbst schuld, wer mit nem Weißen Händel macht.

Ich hab dich nicht umsonst hierher geschleppt.

Mich hat von deiner Sorte keiner noch geneppt.

 

Ich geh zurück zum Lager, hol mir meinen Lohn.

Du, Hawi, kommst mit mir, ich warte schon.

Hawi

Es tut mir leid, Abud, ich bleibe lieber hier.

Die Frau Danai ist lieb, gibt mir zu essen.

Du bleibst mein Freund und immer dank ich dir

und werde dich bestimmt auch nie vergessen.

Abud:

Mach was du willst, Hawi, du wirst es schon bereuen.

den Weißen traue nie, sie lügen und verachten.

Heut sagen sie: komm her, ich werd dich gut betreuen

und morgen werden sie ins Kittchen dich verfrachten.

Wilhelm:

Ganz recht, ins Kittchen, da gehört ihr hin

doch immer gibt es Leute die euch trauen

und schwörn: ein Mensch ist er, wie ich es bin,

er wird mit mir das Land bebauen.

Haha, nene, das Land wird er versauen!

Danai:

Hawi, dich will ich gern bei mir behalten.

Wir gehn zusammen und ich sorg für dich.

Für dich, Abud, werd’n wir die Hände falten

 dass eine Gottheit deiner einst erbarme sich. 

 

Du Wilhelm musst jetzt selber schauen

wie aus dem Sumpf du dich erretten kannst.

Erlerne erst, den Menschen zu vertrauen

und wie Verachtung du aus deinem Herzen bannst.

 

Adieu, ihr beiden, und nun komm, Hawi.

Sag auch adieu, denn wir verlasssen sie.

Hawi (weinend):

Abud, Abud, ich bin ja noch so klein

und du, was wird aus dir denn ganz allein?

Abud:

Um mich mach dir nur keine Sorgen!

Ich habe Mut und mir ist gar nicht bange.

Jetzt ist es Nacht, doch bald kommt schon der Morgen.

Adieu, Hawi, allein sein wollte ich schon lange.

 

Abud geht nach rechts ab, Danai und Hawi gehen nach links ab. Wilhelm bleibt allein am Feuer zurück, das langsam verlischt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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3 Antworten zu Welttheater, 4. Akt, 22. Szene: Rassistischer Streit

  1. Gisela Benseler schreibt:

    Huh, die Bilder sind ja gruslig, aber zugleich großartig, dem dramatischen Inhalt entsprechend! Wie Wilhelm aus dem Dilemma wohl allein herausfindet?

    Gefällt 1 Person

  2. Mitzi Irsaj schreibt:

    In eigentlich gar nicht vielen Worten eine Problematik dargestellt, die nicht fremd ist. Leider, sogar sehr bekannt. Deine Figuren sind mir alle ans Herz gewachsen. Auch die, die wenig liebenswürdig aufreteten und das liegt daran, dass du sie so fein und vielschichtig zeichnest, liebe Gerda.
    Und die Bilder dazu…diese Projekt mag ich. Sehr.

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    • gkazakou schreibt:

      Ich danke dir sehr, Mitzi, für deine wohlwollenden Kommentare! Sie sind mir sehr wichtig, denn was ich hier treibe, ist für mich absolutes Neuland und braucht einigen Mut. Da helfen bestätigende Kommentare sehr!

      Gefällt 1 Person

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