Rina von Geschichtszauberei hat, wie ihr natürlich längst wisst, folgende drei Wörtchen zu den Etüden beigesteuert: Café, verdorben, beißen. Christiane hat dazu zwei Einladungskarten gestaltet, und ich habe erst eine benutzt. Also schnell, bevor es zu spät ist, noch ein paar passende Kata-Strophen für die zweite Karte erfinden. Und ein Bild aus den von Jürgen Küster (Buchalov), Susanne Haun, Ulli Gau mir vermachten Schnipseln legen. Oder auch zwei.
- Tante Anne, Bruder Albrecht
- Es lebe das Leben
Es lebe das Leben!
Nach der Beerdigung
Von Onkel Fritz,
Schreitet die Trauergemeinde
Vollzählig ins Café
Das das Bestattungsinstitut
Für diesen Zweck
Gebucht hat.
Durch einen Todesfall
Soll man sich den Appetit
Nicht verderben lassen.
Auf der langen Tafel gibt es
Schälchen mit Nüsschen und allerlei Leckereien
Dazu wird Kaffee gereicht und Cognac für die
Die einen Extra-Trost-brauchen.
Tante Anne reimt: Der Fritz hat ja nun leider
Ins Gras gebissen.
Lass uns auf sein Wohl
ein Gläschen genissen.
Das findet
Bruder Albrecht geschmacklos
Und sagt es auch: wie geschmacklos!
Was ihn aber nicht hindert,
sich bei den Törtchen zu bedienen,
denn eins ist die Moral,
und dass sich manches nicht schickt,
ein anderes, dass er ein Leckermaul ist.
Onkel Fritz aber, wie geht es ihm unterdes?
O, der hat seine alten Klamotten, Geschichten und Leiden
Zurückgelassen dort, wo schon die Gebeine
Seiner Vorfahren ruhen, denn ein Familiengrab
wartete seiner.
Selig schwebt er von dannen,
während die Kleinen,
die von Gräbern sich nähren
fröhlich bereit sind
zu bechern und lustig zu sein.
Irgendwo her kenne ich „die Leiche versaufen“, ich weiß aber nicht, woher. Ich finde es schön, zu Ehren des/der Verstorbenen etwas zu trinken. Es muss ja nicht ausarten, was ja immer das Problem ist, und manchmal hilft eine fröhliche Runde wirklich beim Trauern, bei dem Schock …
Schöne Etüde, vielen Dank. Von den Legebildern gefällt mir das Familiengrab am meisten, aber ich mag nicht darüber nachdenken, warum 😉
Liebe Grüße
Christiane
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Bin ganz deiner Meinung, Christiane. Habe schon an etlichen solcher Totenkaffeekränzchen teilgenommen, Es ist hier Routine. Man vergewissert sich der Lebenden und spricht heiter und gelassen über die Verstorbenen und ihre Verdienste, Macken, Vorlieben, erzählt sich Anekdoten. Natürlich nur, wenn es etwas fernere Verwandte oder Freunde sind und der Verlust nicht so schmerzhaft.
Alle scheinen das Familiengrab dem anderen Bild mit den noch lebenden Alten vorzuziehen. Ich beginne darüber nachzudenken, warum wohl. 😉
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Bei uns in Delmenhorst/Bremen sagte man „das Fell versaufen“.
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Dann ist es vielleicht von hier oben was. Ich habe übrigens eine Freundin, die in Delmenhorst wohnt, habe ich das schon mal erwähnt? 😉
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Nein, hast Du bisher nicht erwähnt.
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Mir gefällt das Familiengrab auch sehr gut. Es beinhaltet soviel und harmoniert gut mit deinem Text. Ich finde den sogenannten Leichenschmaus tröstlich. Man ist nach der Beerdigung nicht alleine.
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Als Hauptbetroffene weiß ich nicht, ob es mir so gefiele. Es kommt drauf an. Aber grundsätzlich stimme ich dir zu. Ich habe versucht zu zeigen, dass das Familiengrab ja nur die Knochen, die Erinnerungen und allerlei Plunder beherbergt. Die Seele schwebt im Freien. Vielleicht ist das der Grund, warum alle es so angenehm finden. (ich auch)
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Du hast deine Gedanken sehr gut visualisiert, liebe Gerda.
Papa fällt es trotzdem schwer „sich von seinem „Plunder“ im Zuge des Umzugs zu trennen. Vielleicht ist es leichter, in seinem Plunder zu sterben? Aber viel schwerer für die Angehörigen. Ein heikles Thema! Ich habe letzte Woche angefangen, mich von meinem Plunder zu trennen. Es befreit!
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Es ist gut, solches Loslassen zu Zeiten zu üben, wenn man noch genügend Kraft hat. Es ist sonst tatsächlich nicht einfach für die Angehörigen, die sowieso schon genug mit ihrer Trauer zu tun haben. Wir sind nach vier Monaten noch nicht durch mit der Hinterlassenschaft meines Schwagers, dessen 2-Zimmerwohnung bis oben mit Büchern und Zeitschriften vollgestopft war. Andererseits, wenn man nun da hineingeht, entdeckt man Wesenszüge des Verstorbenen, die man nicht kannte. Und vielleicht ist es ja auch so eine geheime Hoffnung jedes einsamen Menschen, dass sich nach seinem Ableben jemand für das vergangene Leben interessiert und insofern die Hinterlassenschaft als Lebens-Dokument betrachtet.
Wenn jemand alles wegtut, um die Nachfahren zu entlasten, zeigt das auch, dass er oder sie die Kontrolle behalten will über das. was die Nachfahren wissen dürfen. Er oder sie nimmt ihnen ihnen die Möglichkeit der Entdeckung unbekannter Wesenszüge.
So hat alles mehrere Seiten…..
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Ich bin 54 Jahre alt, zu jung, um mich von Dingen zu trennen, an die mein Herz hängt. Da hast du zu 100 % recht, liebe Gerda. Es ist für mich viel erschreckender festzustellen, wieviel Zeug ich besitze, was ich nicht brauche. Es sind Dinge, die ich geschenkt bekommen habe, Dinge, aus denen ich hinaus gewachsen bin, Dinge, die ich in zu großer Häufung besitze (besonders im Bad und in der Küche) und Dinge wo ich dachte, ich bräuchte sie, die sich aber als unbrauchbar erwiesen haben. Mich von 3 Kochtöpfen der gleichen Größe zu trennen, wo doch einer reicht, das ist ein gutes Gefühl!
Von Büchern habe ich mich dank momox leicht getrennt, Bücher zu denen ich keine Beziehung hatte. Und haben wir die nicht alle bei uns im Schrank?
Ich grause mich vor der Auflösung des Haushalts meiner Eltern. Meine Mutter hatte zum Beispiel Schränke voller Porzellan. Ihr waren so andere Dinge wichtig als mir.
Ja, alles hat seine Seiten und jeder muss seinen eigenen Weg finden, damit fertig zu werden. Ich kann mir gut vorstellen, wie ihr euch in die Wesenszüge deines Schwagers vertiefst.
Ich bin in unserer Familie das schwarze Schafe…. ich bin so ganz anders als die anderen geworden 😜 achja- ich mag schwarz.
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Schwarze Schafe sind was gaaanz Besonderes! Fast so rar wie schwarze Schwäne 🙂
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Danke, Gerda 🙂
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Die beiden Legebilder finde ich liebenswert. Sie geben die Atmosphäre deines Textes, wirken aber auch unabhängig davon.
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danke, Ule. Ich freu mich auch, dass es mir gelang, einer eigentlich sinistren Szene Heiterkeit und Trost abzugewinnen.
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Ich bin ganz vernarrt ins Familiengrab – nein, ich selbst möchte in keins hinein, vielleicht wird es gelingen, dass meine Asche vom Wind in die Welt getragen wird …
Nach einer Beerdigung auf das gelebte Leben des Verstorbenen anzustoßen, finde ich weder unmoralisch, noch verwerflich – man gedenkt seiner oder ihrer … und vielleicht lassen sich nach so einem Gläschen auch wieder besser Worte finden, Worte der Wertschätzung für sie/ihn, die/der gegangen ist.
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Ich stimme dir zu. Bruder Albrecht findet ja auch nur die Ausdrucksweise unangemessen (ins Gras gebissen), dazu auch noch der missglückte Reim. Wie ich oben bei Christiane schrieb, war ich schon auf so manchem Totenkaffeekränzchen und fand es immer angenehm bis erheiternd. Es kommt freilich an, in welchem Verhältnis man zu der oder dem Toten stand.
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ich finde es passend, Klaus
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gut, ich auch, lieber Klaus.
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alles Gute auch für nächste Woche
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Du bist und bleibst eine Schelmin!
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Wie das? 😉
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Pingback: Schreibeinladung für die Textwoche 14.19 | Extraetüden | Irgendwas ist immer
Grossartig zu sehen und zu lesen. Vielen Dank.
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Ganz herzlichen Dank!
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Ach ja – diese schönen Leichenschmäuse – bloß nicht pietätlos werden und einen kleinen Scherz bringen – lieber den Teller vollladen.
Sehr treffend geschrieben.
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Jaaaa, das Familiengrab ist das schönste Deiner Legebilder hier, liebe Gerda. Vielleicht weil man die Seele so frei darüber fliegen sieht oder weil man die Räume im Familiengrab erkennt, wie in einer Gruft mit vielen Särgen.
Ein Brauch, der mit Butter- und Streuselkuchen gegangen wird, wenigstens dort, wo einst meine Heimat war.
Cognac für die, die einen Extra-Trost-brauchen *schmunzel*. Ja, so kann man es auch nennen, liebe Gerda, aber manchmal stimmt es ja tatsächlich…
Ich hoffe sehr, nicht so schnell wieder an einem solchen Beisammensein teilnehmen zu *müssen*.
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Danke, Bruni. ich bin auch nicht wild darauf, ehrlich. Es gibt freilich Leute, die immer gern dabei sind, die Trauergemeinde zu vergrößern. Es sei ihnen gegönnt.
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