Individuum – das Unteilbare. Das Besondere, Gesonderte, Abgesonderte. Das Einmalige, das hervorgetreten ist aus dem Ungesonderten, Vermischten, Undefinierten.
Wie tritt ein Individuum aus dem recht gleichmäßig auf alle einwirkenden Umfeld einer Familie, eines Landes, einer Epoche als ein Besonderes hervor? Nein, nein, ich will hier keine Antwort geben, auch keinen Vortrag halten, sondern nur zeigen, wie mich diese Frage zu einem bildnerischen Experiment führte. Das war vor ein paar Tagen.
Ich nahm meinen Zeichenblock und legte in das Mittelfeld ein etwas dunkleres kleineres Blatt. Dann überzeichnete ich alles mit Kohle und Ölkreiden.
Nahm ich das Mittelstück weg, blieb rechts und links ein „Umfeld“, ein „Milieu“. Nennen wir die rechte und linke Form mal versuchsweise Vater und Mutter.
Das Mittelstück wäre dann ihre recht robuste, lebenslustige „Tochter“.
Die leere Fläche im Zentrum provozierte mich, eine andere Form aus denselben dominierenden Linien und Farben des Umfeldes hervorwachsen zu lassen.
Es entstand eine zweite „Tochter“, viel zarter und sensibler als die erste.
Würden sich die beiden so verschiedenen Schwestern miteinander vertragen? Hm, ein paar gemeinsame Linien fanden sich rasch. Die beiden stammten ja von denselben Eltern und entwuchsen demselben „Milieu“.
Würden sie vielleicht sogar zusammenleben können? Ich probierte es aus. Es ging ganz gut, wenn ich die Außeneinflüsse kappte und die beiden „Individuen“ auf einige ihrer peripheren Merkmale verzichteten.
Aber so richtig glücklich ist ihr Zusammenleben wohl nicht. Die Zartere scheint sich der allzu vitalen Schwester entziehen zu wollen. Sie reduziert sich immer mehr und sucht, um nicht ganz zu verdunsten, schließlich Rückhalt im zarteren Aspekt ihres Geburtsmilieus.
In diesem Fall Rückzug, aber sie hätten sich auch gut ergänzen können in ihrer Unterschiedlichkeit … was ist Milieu, was Prägung und Sozialisation, was bringen wir mit, was tragen wir, ohne es zu wissen?
Das sind so Fragen, nicht wahr?
LikeGefällt 1 Person
Ja, Fragen über Fragen. Meine „Schwestern“ sind ja nur zweidimensionale Produkte, die über kein „Ich“ verfügen…Man darf nicht zu viel von ihnen erwarten. 😉
LikeGefällt 1 Person
🙂 aber Fragen können sie aufwerfen, das schon 😉
LikeGefällt 1 Person
Hm ja. Das war ja eigentlich der hinterlistige Zweck der Übung.
LikeGefällt 1 Person
Ein interessanter Ansatz spontan entstandenes intellektuell zu interpretieren. Ob es spontan bleiben kann ?
LikeLike
Bei mir laufen rechte u linke Hirnhälfte synchron 😉
LikeGefällt 1 Person
Hi,HI, ein Wunder der Natur ….
LikeGefällt 1 Person
Ich habe eine persönliche Frage: verarbeitest Du mit den Bildern auch manchmal biographisches? Ist es wie bei einem Autor, der manchmal frei erfindet, sich on Situationen und Menschen hineinversetzt und über sie schreibt? Der aber auch autobiographisch-analysierend oder -verarbeitend unterwegs ist? Grüsse, Cornelia
LikeGefällt 1 Person
Für mich ist das Biographische, wie du es nennst, Voraussetzung meines SoSeins. Zum Biographischen gehört aber nicht nur, was mir persönlich zugestoßen ist, sondern auch, was ich erfahren durfte und was mich in irgendeiner Weise beschäftigt hat. Selbstverständlich schöpfe ich auch aus meiner Biographie im engeren Sinne. In diesem Fall: Ja, ich habe eine Schwester. Und ich frage mich, wie es kommt, dass wir uns so verschieden entwickelten, obgleich die einwirkenden Umweltfaktoren ja fast dieselben waren. Hätte ich keine Schwester, würde sich aber das Thema nicht anders stellen.
LikeLike
Sehr interessanter Ansatz, war erst die Gestaltung und dann die Interpretation, oder umgekehrt…..???
LikeLike
Gleichzeitig. Das Tun u das Denken sind verschränkte Prozesse. Wie im Leben.
LikeLike
Diese Fragen muss ich erstmal mit mir rumtragen, das Endergebnis … Wenn man es so nennen will…ist kraftvoll und für mich harmonisch, trotz oder gerade wegen der Wiedersprüchlichkeit. …die ungleichen Schwestern, da ist es wieder das Thema … Marie
LikeLike
Danke Marie. Ist auch bei mir ein Lebensthema.
LikeLike
Eine sehr interessante Vorgehensweise, Gerda, mit sehr interessanten Ergebnissen! Hier brauchen deine Bilder die Sprache des Blogs, so sind sie viel besser verständlich!
LikeGefällt 2 Personen
Danke Susanne! Ja, stimmt, das Bloggen erlaubt diese Kombination aus Bild-Folgen und Gedanken am besten.
LikeGefällt 1 Person