Heute und das Wochenende nehme ich an einem Seminar teil. Meine Rolle ist ungewiss, am ehesten könnte man sie als Tutorin beschreiben. Vor fünf Jahren begann ich eine Fortbildung mit dem Psychotherapeuten Dr. Avi Goren-Bar aus Israel, der einen besonderen Zugang zu Kunsttherapien entwickelt hat. Drei Jahre lang lernte und lernte ich, begeistert. Danach bat er mich und drei andere Absolventinnen seiner Kurse um Mithilfe bei der nächsten Gruppe von Studierenden. Und nun bin ich seit zwei Jahren dabei, als Helferin und erneut als Lernende.
Heute zeige ich ein paar Bilder aus dem Seminar – nicht dem heutigen, sondern dem vor vier Jahren. Ich werde keine Gesichter zeigen, nur Fotos von Händen. Beziehungsweise von Gipshänden. Der Vorgang: eine Teilnehmerin umkleidet die Hand der anderen sehr behutsam mit gipsigen Windeln. Ein feuchtes Erlebnis, positiv gewendet. Ein wenig, wie wenn die Mama dir als Säugling die Windeln anlegt. Das Abziehen der Gipshand von der lebendigen Hand ist ein Prozess, den du mit angehaltenem Atem verfolgst. Es ist wie eine Geburt. Wird die Form halten?
Es ist ein sehr eigenes Gefühl, seine eigene Hand als Abguss in Händen zu halten. Doch bevor die „Geburt“ stattfinden kann, muss der Gips trocknen.
Dann also die Geburt der Hand.
Nun ist die Hand geboren. Recht hilflos und weiß liegt sie am Boden.
Alle machen sich daran, ihre Hand zu bemalen, dazu auch ein Umfeld zu schaffen, in das zwei Begriffe eingetragen werden. Eines für den negativen, eines für den positiven Pol.
Meine Hand zerbrach. Ich war bestürzt. So sehr hatte ich mir gewünscht, ein schönes heiles Objekt in Händen zu halten. Aber nein, es zerbrach. Was tun? Ich beschloss, der Hand ein großes Begräbnis zukommen zu lassen. Hier sehr ihr das Ergebnis.
Die Begriffe, die ich hinzu setzte, waren „Touch of Life“ (Berührung durch das Leben) und, in Spiegelschrift und insofern ins Gegenteil verkehrt, „Hate“ – Hass. Ich muss sagen: Ich war sehr zufrieden mit meinem Produkt: meine zerbrochene, reich geschmückte Hand schien mir genau das zu sein, was ich brauchte.
Ich freu mich auf mehr.
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Danke Arabella, du hast mich ermutigt!
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Das hast du gar nicht nötig:-)
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und doch, Arabella! jeder braucht Ermutigung, glaube ich. ich sowieso 🙂
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Zuweilen ist das einzige Zerbrochene das schönste im Sammelsurium….
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wohl wahr, Sabine! Aber man hätte es doch gern auch manchmal ein bisschen heil 😉
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Sehr schön und interessant, die Entstehung von Kunstobjekten chronologisch demonstriert und die Aussage geschildert. LG Alexander
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Aus: Simone Weil, Schwerkraft und Gnade, München , 1981, 3.Auflg
***S. 149
Die Verwundbarkeit der kostbaren Dinge ist schön,
weil die Verwundbarkeit ein Merkmal der Existenz ist.
Gruß, Elsbeth
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Liebe Elsbeth, danke für deinen Kommentar. Obgleich ich die Schönheit der verwundbaren Dinge einsehe – (o ja, sie sind schön!) – oder ist gar die Verwundbarkeit selbst schön? – so ist es mir doch nicht leicht, sie zu loben und durch die Zähne zu pfeifen, wie der Landarzt (Kafka): „und nun finde ich: ja, der Junge ist krank. In seiner rechten Seite, in der Hüftengegend hat sich eine handtellergroße Wunde aufgetan. Rosa, in vielen Schattierungen, dunkel in der Tiefe, hellwerdend zu den Rändern, zartkörnig, mit ungleichmäßig sich aufsammelndem Blut, offen wie ein Bergwerk obertags. So aus der Entfernung. In der Nähe zeigt sich noch eine Erschwerung. Wer kann das ansehen ohne leise zu pfeifen?“
Es tut sich immer die Frage der Heilung auf.
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