Legebild des Tages: „Hier hat die Frau das Sagen“ (aus dem Archiv, mit Texten)

Ich habe mal wieder ins Archiv gekramt.  Und stieß auf eine Geschichte, die ich im Rahmen von Juttas Geschichtengenerator schrieb und legte.

„Tom und Martha“ ist ein bitterböses Ehedrama. In der zweiten Episode – das Paar kann nach einem vermasselten Kinobesuch nicht in die Wohnung, denn Tom hat den Schlüssel von Innen stecken lassen,  und Martha muss unbedingt auf die Toilette, denn seit ihrer OP hat sie eine Blasensenkung – klingelt Martha bei der Nachbarin, erhält Einlass und eilt auf die Toilette. 

„Weinen nach unten“, dachte Martha und musste unwillkürlich lächeln, als sie nicht mehr zurückhalten, sondern weich herausströmen lassen durfte, was sich an bitterer Flüssigkeit in ihr angesammelt hatte und was sie, der ihr anerzogenen Gedankenzensur gehorchend, „Wasser“ nannte. Sie ließ also Wasser, und dabei streifte ihr ebenfalls weich gewordener Blick im Raum umher. Der war ganz in Rosa gehalten, rosa die Wände, rosa die Kacheln mit Rosenmuster, rosa das Waschbecken und das Toilettenpapier, rosa die weiche flauschige Auflage auf dem Toilettensitz. Ein bisschen lässig lagen und hingen Dinge herum: Handtücher, ein Höschen – nein, nicht rosa, sondern weiß mit Spitzen -, Tuben und Gläser, ein Rasierpinsel mit Schaumresten. „Hier hat die Frau das Sagen“, dachte Martha. 

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Ein schönes Beispiel für Vorurteile. Denn wo ich, ebenfalls eine Frau, das Sagen habe, sieht es ganz anders aus. Weit und breit kein Rosa. Wenn du mehr von Martha und Tom lesen möchtest, geht es hierlang.

Sonst schauen wir mal, was sich sonst so tut, wenn „die Frau das Sagen hat“. Da wäre zum Beispiel die Göttin Artemis. Eine Jungfräuliche, die mit Männern harsch umspringt. Einen, der sie beim Baden belauschte, macht sie zum Hirsch und lässt ihn von seinen eigenen Hunden zu Tode hetzen. Hier sieht man sie als dunkle Göttin …

IMG_4648aoder, bearbeitet, als hell leuchtende Erscheinung. Artemis war ja die Gottheit des Mondes und hat wie dieser (und, nb, wie auch wir Frauen) helle und dunkle Phasen.

 

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Wo Frauen das Sagen haben, darf natürlich die Göttin Aphrodite nicht fehlen. Damals, als ich das folgende Bild legte,  schrieb ich:

Aphrodite heißt wörtlich: „die aus dem Schaum Emportauchende“. Der Schaum entstand, als Gott Kronos (Zeit) seinem Vater Uranos (Himmel) die Genitalien mit einer Sichel (Mond) abhaute. Der Zeitgott Kronos entmannte (entmachtete) den zeitlosen Uranos. Später wird Kronos seine Kinder verschlingen (wir kennen das alle: die Zeit verschlingt, was sie hervorbringt). Das Zeugungsorgan  des Uranos fiel in den Okeanos (Ozean, großes Meer). Bei der Berührung mit dem Himmelssperma schäumte das Meer auf, und aus dem Schaum herausgeboren wurde Aphrodite, Herrscherin über ein Reich, das sich nicht wie Himmel – Meer – Erde als physisches Element, sondern als unüberwindliche, gefährliche und süße Himmelsmacht darstellt: die Liebe.

Nun habe ich die Hälfte der Geschichte erzählt. Oder vielmehr den Hintergrund angedeutet, auf dem sich eine Vielzahl von Geschichten entwickeln können – ja, immer schon entwickelt haben und jeden Tag neu entwickeln: Die Macht der Aphrodite. die andere Hälfte wäre noch zu erzählen. Sie ist für jeden Menschen verschieden, vermute ich mal.

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Wo die Frau das Sagen hat – das führt mich natürlich auch zur Göttermutter Hera. Und zum Welttheater! Ach, wie lange ist das schon geschlossen, weil die Protagonisten eingeschlafen sind! Vielleicht erinnerst du dich dennoch, wie es begann: mit Doras Interviews. Da trat auch die Göttin Hera als Bewerberin fürs Welttheater auf (hier).

Darf ich an das damalige Interview erinnern?

Dora fühlt sich mit Hera sofort freundschaftlich verbunden – kein Wunder, denn beide sind aus demselben uralten Göttergeschlecht. „Hallo, Hera! Schön dich zu sehen!“, flötet sie daher, während sie tollkühn auf der Hand der Göttin balanciert.

Hera lächelt erfreut, zumal Doras Geschenkbox dem goldenen Apfel gleicht, den sie als eines ihrer zahlreichen Symbole bei sich zu tragen pflegt. „Hallo, kleine Dora! Was treibst du denn bei den Menschen?“ – „Och“, meint Dora. „irgendwer muss sich ja um die armen Menschen kümmern, seit du dich absentiert hast.“ – „Absentiert? Du bist gut! Die Menschen haben mich rausgeschmissen.“ -„Rausgeschmissen? Hast du vielleicht die falschen Kleider angezogen? Die Menschen sind da merkwürdig.“ – Hera lässt ein kleines göttliches Lachen vernehmen. „Du fragst wohl, kleine Dora, weil ich so viele verschiedene Kleidungsstücke an mir trage? Das ist, weil ich überall auf der Erde zu Hause bin. Hier gibts Seide, dort Baumwolle, Leinen oder Flachs, hier braucht es Felle, dort reicht ein feines Gewebe. Aber lass uns, bevor wir ins Einzelne gehen, eine erfreulichere Gegend aufsuchen. Wohin möchtest du denn? Nord- oder Süd-Halbkugel, Frühling, Sommer, Herbst oder Winter?“

„Das überlass ich ganz dir!“ antwortet Dora artig. „Das ist nett von dir, Dora. Die Menschen sind nicht so höflich. Sie wollten immer schon den Ort bestimmen, wo ich erscheinen darf…. wenn überhaupt. Mit den Frauen machen sie es genauso, wie du vielleicht bemerkt hast. Ich denke, ich nehme dich mit in meine gegenwärtige Bleibe. Es ist ein alter Höhlentempel mit einem Opfertisch. Meine letzten Adepten pflegen dort Früchte zu deponieren, als Dank dafür, dass ich sie reifen ließ. Die können wir gemeinsam verspeisen und uns dabei gemütlich über die Weltläufte unterhalten.“

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Eine andere Berühmtheit unter den göttlichen Frauen ist Persephone, von den Römern Proserpina genannt, verehrt und gefürchtet, denn sie ist eine Gottheit der Unterwelt. Dort herrscht ja eigentlich Hades, aber seit er die Demeter-Tochter Persephone gewaltsam entführte und in sein Reich verschleppte, hat sie die Herrschaft übernommen. Hier sieht man sie mit ihrem Gemahl und dem Granatapfel…

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Nun aber verabschiede ich mich von den Göttinnen, denn auch unter den Sterblichen gibt es ja genügend Frauen, die das Sagen haben. Oder es jedenfalls versuchen.

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About gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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11 Responses to Legebild des Tages: „Hier hat die Frau das Sagen“ (aus dem Archiv, mit Texten)

  1. Ich kannte eigentlich hauptsächlich Frauen, die das Sagen hatten oder haben.
    Aber sie mussten die extra Energie dafür aufbringen. Insofern bin ich gespalten, wie ich das bewerten sollte.

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    • Avatar von gkazakou gkazakou sagt:

      🙂 Sie mussten Extraenergie dafür aufbringen…. Ja, freilich, Gerhard! Frauen müssen das, was einem Mann „von Natur aus“ zukommt, nämlich „das Sagen zu haben“, durch Extraenergie erringen, und das ist oft nicht angenehm, weder für die Frau noch für die Beobachter. Es wirkt so angestrengt, manchmal auch hysterisch.

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  2. Avatar von Unbekannt Anonymous sagt:

    „das Sagen haben“ gefällt mir nicht. Egal ob er oder sie oder kleine Tyrannen es haben. Mit „gemeisam Lösungen finden“ könnte ich mich eher anfreunden 🥳

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  3. Das Sagen haben bedeutet ja auch, ständig Entscheidungen treffen zu müssen, die bestimmen, wohin uns unser Leben führen wird.
    Ist es nicht sinnvoller, wenn Partner sich das Sagen teilen?

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    • Avatar von gkazakou gkazakou sagt:

      Ja, ich mag auch nicht allein das Sagen haben. Das ist zu anstrengend. Aber ich mag gern berücksichtigt werden und Vorschläge machen, die ernsthaft in Betracht gezogen werden…. 😉

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  4. Und genau so sollte es auch sein❣️

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  5. Avatar von Holger Holger sagt:

    „Da wäre zum Beispiel die Göttin Artemis. Eine Jungfräuliche, die mit Männern harsch umspringt. Einen, der sie beim Baden belauschte, macht sie zum Hirsch und lässt ihn von seinen eigenen Hunden zu Tode hetzen. Hier sieht man sie als dunkle Göttin …“

    Diese Artemis ist extrem gefährlich, die schießt ständig Leute über den Haufen -> https://www.mythologie-antike.com/t101-artemis-gottin-der-jagd-und-huterin-vom-wald-zwillingsschwester-von-apollo

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