Beim Anblick deines Bildes, so sagte ich, liebe Myriade, steigen viele Reminiszenzen auf und wollen an die Oberfläche. Verbranntes, Verkohltes, doch immer noch Form.
Meine zweite Erinnerung führt mich ins archäologische Museum von Neapel.
Zwischen den Exponaten aus den untergegangenen Städten Pompeji und Herculaneum und in den offenen Höfen des Museums stehen Holzskulpturen, viele davon verkohlt. Sie erschüttern mich mehr als die aus dem Brand geretteten, gesäuberten und glänzenden Werke einer früheren Epoche. Denn diese Holzskulpturen sind zeitgenössisch. Sie sind lebendig.
Die Skulpturen sind keinem Feuer zum Opfer gefallen, sondern der italienische Künstler, Aron Demetz (Jg 1972), hat sie kunstvoll selbst verbrannt.
Das ist schwer zu ertragen. Es geht ins Mark, denn die verbrannten Figuren (rechts) wirken lebendiger als die antiken Bronzeskulpturen (links) und vielleicht sogar als die Besucher des Museums, die sich wie Schattenrisse gegen das Licht abheben (Mitte). Und so zwingen sie den Betrachter, sich mit dem qualvollen Tod durch Verbrennen auseinanderzusetzen.
Sie rufen die Leiden der von der Lava verschlungenen Menschen ins Gedächtnis … doch wie ein sich ausbreitendes Feuer greift es über auf die Scheiterhaufen, auf denen Millionen Menschen verbrannt wurden, weil sie anders dachten und anderes glaubten, als die Herrschenden erlaubten. Und weiter greift es über auf die Bewohner der belagerten Orte, die sich selbst verbrannten, um größerem Unheil zu entgehen („ολοκαυσιμα“ =Holocaust), und auf das rennende in Flammen stehende vietnamesische Mädchen. Und immer weiter breitet sich die Feuersbrunst aus, sie wird zu den Flammenmeeren der mit Phosphorbomben in Brand gesteckten Städte des zweiten Weltkriegs und geht auf im Rauch der Krematorien, in denen die Ermordeten eines furchbaren Regimes verbrannt werden.
Ja, und das ist auch unser deutsches Trauma.
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Sehr eindrücklich.
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Danke, Marion.
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Jaaaaaaaaa, Gerda, hier geht es mir wie Dir…
Die verkohlten Gestalten zeigen das Leid, das die Menschen selbst über sich bringen und wie eine gewaltige Feuersbrunst die Erde mit all ihren Ungeheuern zerstört…
Pompeji war anders, aber nicht weniger schrecklich
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Genau, da gibt es diesen Unterschied zwischen Naturkatastrophen und Katastrophen,die der Mensch sich selbst bereitet.
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Beides gleich schlimm… *seufz*
Feuer ist die Hölle
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das unbeherrschte Feuer ist die Hölle. Das beherrschte Feuer ist wundervoll lebendig und wärmend.
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So ist es, liebe Gerda. Wie auch überall, gute und schlechte Eigenschaften…
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Die Figuren sind phantastisch eindringlich. Das habe ich gestern auf dem Handy gar nicht so gesehen. Jetzt am großen Bildschirm bin ich noch ein Stück beeindruckter. Auch eine interessante Perspektive, dass Marmorstatuen, wie schön sie auch sein mögen, im Normalfall gar nichts Lebendiges an sich haben …
Wo mein gestriger Kommentar hingekommen ist, ist mir ein Rätsel …
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Im Spam ist er nicht, ich hab gleich mal nachgesehen. Danke herzlich für diesen Kommentar.
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Naja, ich war gestern ja nicht ganz zurechnungsfähig, vielleicht habe ich ihn gar nicht gepostet 😦
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🙂
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