Dora zum SiebenundzwanzigstenVierten: Vassilopita – eine brauchstümliche abc-Etüde.

abc.etüden 2022 16+17 | 365tageasatzaday

Ich möchte gern noch eine abc-etüde für Christiane schreiben. Dora hockt auf meiner Schulter, bereit, mir zu helfen. Es geht um Ludwig Zeidlers Wörter

Königskuchen
akribisch
träumen.

„Kai ti einai parakalo ena Königskuchen„? fragt Dora. Sie spricht gewöhnlich Griechisch mit mir. Auf Deutsch: „Und was ist bitte ein Königskuchen?“  „Königskuchen heißt hier Vassilopita“, erkläre ich ihr.  Was eine Vassilopita ist, weiß Dora, auch wenn sie sich nicht an Einzelheiten erinnert, war sie doch erst einen Tag alt, als sie den Königskuchen zu Gesicht bekam. Am 1. Januar, so will es die Sitte, wird er auf den Familientisch gestellt und geteilt. Der Hausherr oder auch die Hausherrin ritzt drei Kreuze rein, möglichst akribisch bitte, denn es sollen zwölf gleichgroße Stücke entstehen. Oft kommt ein Kreis in der Mitte hinzu. Und dann wird bestimmt, an wen die Stücke fallen: an den Hausstand, an den Papa, die Mama, die Oma, die Tante Emma, an den abwesenden Sohn, den Bruder, den Neffen, die Hungrigen dieser Welt, die Flüchtlinge,  die Freundin, den Fremdling….Das runde Stück in der Mitte wird oft dem Lieben Gott zugesprochen. Manchmal ist es auch die Firma oder, bei Emigranten, das ferne Vaterland.

Ist der Kuchen verteilt, beginnt die Suche nach dem Glückstaler, der im Kuchen versteckt ist. Früher war es schon mal ein echter Silber-Sterling, heute reicht eine billige Nachahmung, in Aluminiumfolie eingewickelt. Aber egal: Glück ist Glück! Fällt er dir zu, zeigst du ihn glücklich herum und beginnst zu träumen: Dieses Jahr, so träumst du vielleicht, mache ich endlich eine Weltreise, treffe ich meine große Liebe, wird endlich Frieden einkehren, haben alle Menschen genug zu essen…. Jeder träumt anders.

„Und wer bekam dieses Jahr den Glückstaler?“ fragt Dora. „Ich“, antworte ich lächend. „Und ich träumte von einer Dora, die mir tagtäglich Freude schenkt“.

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About gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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11 Responses to Dora zum SiebenundzwanzigstenVierten: Vassilopita – eine brauchstümliche abc-Etüde.

  1. Avatar von Christiane Christiane sagt:

    Das ist eine schöne Sitte, die Verteilung des Königskuchens, inklusive der Berücksichtigung der 13. Fee in der Mitte, wie auch immer man sie bezeichnet.
    Dann muss es ja ein gutes Jahr werden, eigentlich, oder? Zumindest scheinst du den Sturz gut überstanden zu haben – ich war so erschrocken, als ich es las, daher frage ich nach. 😉👍
    Danke für die Etüde!
    Abendgrüße 🌅🌼🍵🥗👍

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  2. Avatar von Alexander Carmele Alexander Carmele sagt:

    Dora macht uns alle Freude. Ein Glück gibt es diesen Königskuchen! Ich würde mir jahraus, jahrein weniger Selbstgerechtigkeit und mehr Dora-Leichtigkeit wünschen! Viele Grüße!

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  3. Was für ein wertvoller „Glückstaler“!

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  4. Wie hast Du das wieder wunderschön dargestellt!

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  5. Ich kenne den Brauch nur mit einer Bohne, die darin versteckt wird.
    Deine Etüdengeschichte gefällt mir aber besser, Gerda!

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  6. Pingback: Schreibeinladung für die Textwochen 18.19.22 | Wortspende von Myriade | Irgendwas ist immer

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