Heute war wieder mein zehnjähriger Freund D zu Besuch. Ich möchte ein wenig erzählen und zeigen, was wir so trieben. Vielleicht kannst du es bei Gelegenheit brauchen.
Wir beginnen auf D’s Wunsch hin mit dem Bilderlegen: Abwechselnd legen wir Maries Schnipsel – die weiße Seite nach oben. Na, was ist das? „großer Hausschuh, Schlange, Fisch“. Hihi, haha, hoho.
Umdrehen lasse ich ihn alleine. Er mag es sehr.
„Und?“, frage ich, „wie gefällt es dir besser: weiß oder farbig?“ Klar, mit Farben. Viel besser.
„Und welche Farbe gefällt dir am besten?“ Dieses Spiel habe ich kürzlich erfunden: Ich lasse die Farben sortieren: rechts außen die liebste (es ist blau), links außen die unangenehmste (weiß) und so fort, bis zur Mitte hin. Dadurch habe ich einen Hinweis auf Affinitäten auch in der Familie.
Und nun wollen wir mal sehen, welche Farben und Formen er der Familie verpasst. Aha, der kleinen Schwester hat er eine ungeliebte (dunkel-violett) – dem Vater eine geliebte Farbe (grün) zugeordnet, die Mutter hält die Mitte. Mutter und Vater erscheinen in Komplementärfarben (grün-orange), die Geschwister liegen farblich nahe beieinander (blau-violett).
Beim Weitermalen mischt er die Farben sorgfältig: Blau-Violett (die Geschwister) – orange-grün (die Eltern).
Um zu malen, wählt er übrigens von allen angebotenen Pinseln den dicksten aus.
Und malt noch ein zweites Bild, das uns beiden sehr gefällt.
Kunstunterricht in der Schule? Nein, leider nicht. Den gibt es nur in den ersten beiden Grundschulklassen – eine Stunde pro Woche…… Seufz.
Wir aber wollen noch Theater spielen. Also machen wir uns Masken aus Schreibmaschinenpapier, in das wir vier Löcher reißen.
Dann bemalen wir unsere Masken. Seine wird ein gebildeter Typ, der beruhigend auf das wütende Kleinkind einzuwirken versucht. So jedenfalls entwickelt sich unsere Show.
Auch Tiere spielen wir, ohne Masken. Wie schon das letzte Mal, wählt er als Lieblingstier den Wolf. Wir spielen nicht nur wölfische Szenen, sondern ich frage auch nach dem Charakter der Tiere: der Esel ist…, die Katze ist…, die Schlange, der Fuchs, das Huhn…. und welches Tier den Vater (Löwe, Wolf), die Schwester (Schlange, Katze), mich (Eule, Meise) charakterisiere. Die Tiere sind ja meist einem menschlichen Charakterzug zugeordnet, das versteht er gut, und auch, dass der Wolf als aggressiv gilt. Ob er als Mensch diesen Wolf in sich trage? Da lächelt er lieb und meint: „ich glaube nicht“. Warum also wählst du ihn? „Weil das Leben es erfordert“. Aber in seiner Antwort ist ein kleines Fragezeichen. Also frage ich: Ist der Wolf denn wirklich so gut dran? Und: Was bist denn du deiner Meinung nach als Tier? „Eine Katze“ (wie die Schwester). Und magst du Katzen? „Nicht so“. Also magst du dich selbst nicht besonders? —
Natürlich kann ich den Dialog nur dem Sinn nach wiedergeben. Er lief auf die Frage hinaus, ob es nicht besser sei, das zu sein und gerne zu sein, was man ist, als etwas werden zu wollen, was man sowieso nie wirklich sein kann und was auch nicht besonders erstrebenswert ist.
Das ist sehr interessant Gerda! Sicher ist diese Arbeit sehr spannend und erfüllend!
Ein Teil des Textes liegt leider über dem Bild, aber irgendwie konnte ich es dann doch noch lesen!
Bist Du wieder in der Mani?
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Danke, Babsi. Das mit dem Text ist bei mir nicht zu sehen. Hier ist alles in Ordnung, auch im reader. Merkwürdig.
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Grossartig. Selbst nur im Tun, ohne weiteren Sinn. Aber ja, man kann auch was darin zu sehen versuchen. Und man sieht ja immer auch etwas, das mit einem zu Tun hat. Alles, was wir sehen, kommt aus uns. Und sagt uns was über uns. Wenn wir hinsehen. Beim Sehen.
Liebe Grüsse
Sandra
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Ganz herzlichen Dank, Sandra! Und es ist so unterschiedlich, was wir sehen. Das wird mir beii solchem Arbeiten sehr klar.
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Eine feine Sitzung mit dem jungen Freund. In Griechenland gibt es keinen Kunstunterricht ? Ausgerechnet in Griechenland …
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Ja, es ist ein Graus. Und gibt es ihn, ist er schlecht, nicht weil die Lehrer schlecht sind (im Gegenteil, es handelt sich oft um Künstler, die sich so ihren Lebensunterhalt verdienen) , sondern die Umstände. Eine Freundin von mir unterrichtet Kunst in der Grundschule, Klassen 1 und 2, sie hat wöchentlich mehr als 200 Schüler zu verkraften (ca 22-25 pro Klasse, jede Klasse eine Stunde in der Woche).
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Die Anzahl der Kinder pro Klasse wäre ja gar nicht schlecht, aber die Anzahl der Klassen ist natürlich furchtbar. Allein, alle Schüler*innen wenigstens minimal kennenzulernen ist ja fast unmöglich …
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Was D. malt(Bild, Maske) gefällt mir besonders gut.
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mir auch.
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Die Anregung mit dem Farben sortieren übernehme ich gern…und denke an meinen Kunstunterricht, worüber die Damen und Herren Lehrer stets schnöde ihren Mund verzogen, weil ich beispielsweise die Bilder der Kinder nicht tabellenmäßig ordentlich befestigte, sondern die Kinder es schräg und beliebig selbst tun ließ- und erst die geforderte Bewertung, ach…
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Bewerten sollte man Kinderarbeiten überhaupt nicht. Aber was wird nicht alles falsch gemacht in der Schule und weiteren Erziehung….Ich habe an unserer Sparchschule in Athen allerdings eine Art Wettbewerb organisiert: die Kinder malten, was sie wollten, alle Arbeiten (ca 200) wurden in einem Saal aufgehängt und nummeriert, und dann konnte jedes Kind 13 Bilder aussuchen für den nächsten Jahres-Kalender. Die mit den meisten Punkten wurden dann im Kalender gedruckt. Ich habe aber bisweilen heimlich geschummelt und Bilder, die ich viel besser (weil origineller) fand, mit hineingenommen und andere, die eher Comic-Kopien waren, rausgeschmissen.
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Ach wie schön! Da hüpft mein Herz 💓
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🙂
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Meins auch.
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Wie schön, dass du in deinen Augen eine Eule bist. In meiner Interpretation ist das ein feines Kompliment.
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das zu sein und gerne zu sein, was man ist
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Wie interessant muß er die Stunden bei Dir empfinden, liebe Gerda.
Es wird ihm großen Spaß machen, mit Dir gemeinsam Bilder zu legen
und mit Farben und Formen zu *arbeiten*
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ja, das ist eine gute idee, das mit dem farben sortieren … es kann die interpretation der bilder unterstützen!
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