Wenn er schon nicht in die Schule geht, soll er doch kein Analphabet bleiben, der Will.i. Und so nutzte ich heute den Weg zum Nachbardorf, ihm den Buchstaben A nahezubringen.
Beim ersten großen Schild machten wir Halt. „Siehst du das Ding im Stern ganz oben, das wie eine Trittleiter aussieht? Das ist der Buchstabe A“.
Damit hatte ich ein Fass aufgemacht. A, A, A – die ganze Gegend war bald von A΄s überschwemmt. Und Will.i fand sie alle. Und begann sie zu zählen. Allein auf dieser Tabelle waren es zehn!
Niemals hätte ich gedacht, dass es auf dieser Wegstrecke so viele Tabellen gibt. Will.i wollte alle knipsen. Ich ließ ihn machen, aber am Ende schmuggelte ich zwei Fotos ohne A rein: Gartenplastiken vor den ApArtments IphigeneiA. Auch das drittletzte Foto stammt von mir: da haben Anwohner eines Müllplatzes einen Telegrafenmast mit liebevoll bemalten Blumenkanistern geschmückt und herzlich darum gebeten, doch bitte kein Altöl in die Mülltonnen zu entleeren.
Endlich kamen wir an unserem Ziel, einem Minimarkt, an, wo ich Tomaten, Zwiebeln, Brot und Joghurt bekam und in meinen Rucksack lud.
Und während ich Will.i zusah, wie er die A’s zwischen all dem anderen Kraut und Gemüse suchte und stolz vermeldete, dass es 21 seien, dachte ich an meine erste Zeit in Griechenland. Denn auch mir halfen die allgegenwärtigen Tabellen, mir das fremde Alphabet einzuprägen.
Noch einmal wollte ich nicht an allen Schildern stehen bleiben, also schlug ich einen Feldweg ein. Doch wenn ich gedacht hatte, nun mit dem A durchzusein, hatte ich mich getäuscht.“Halt, da sind noch zwei A΄s! Das macht zusammen 42 A΄s!“
Gut, dass Will.i die kleinen a΄s nicht erkannt hat, sonst wäre er wohl bei über hundert gelandet.
Den steilen Heimweg verkürzten wir uns mit unserem neu erfundenen A-Spiel: Sag ein Wort mit A! Dann ich – dann du – dann ich…. Und so wanderten wir den steilen Feldweg hoch, und Will.i rief „Apfel“, ich „Abend“, er „Ast“, ich „Art“ und so gings hin und her mit „albern – artig – astrein – ansteckend – Anker – Auto – Anna – Arbeit – Arm – alle – Amsel – Automat….“ bis uns der Atem ausging.
Zu Hause nahm Will.i die Fotos und kringelte die A’s ein. „Elf!“ rief er triumphierend. „Es sind elf, nicht zehn!“
„Nun mal aber nicht um jedes A einen Kringel“, ermahnte ich ihn. Sonst hält man dich noch für einen Anarchisten.“ – „?“ „Lass man, ein andermal. Vielleicht willst du das A malen? Wem gleicht es denn? „Das A? Asteria.“
Aha, so so! Er hat also ein Auge auf Asteria geworfen. Das kann ich gut verstehen. Du erinnerst du vielleicht an die kleine Zeichnerin?
Hui, da hat er schon einiges übersprungen – reden konnte der kleine Kerl von Anfang an, oder? Und zählen und rechnen kann er, bevor er lesen lernt – ein hoffnungsloser Fall für Deine Welt 😉😉😉
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Ja klar kann er reden, Sabine, ist ja schon bald 7 und in einem Haushalt, in dem viel geprochen wird. Was das Rechnen anbetrifft, so ist es eher ein Zählen. Immer zählt er. Zahlen sind sein A und O. Bei den Kirchen im oberen Dorf ist es mir zuerst aufgefallen. Aber warum nennst du ihn einen hoffnungslosen Fall für meine Welt?
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Hm, ich habe den Eindruck, er ist mehr der technisch-mathematische Typ, nicht so der sprachlich-musische, hihi – aber kann ja noch werden. Aber wenn er Dir zu ähnlich wäre, könnte er Dich nicht so fordern. Ist schon gut so.
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Da gebe ich dir in allem Recht, Sabine. Ich bin auch schon recht früh zu ähnlichen Schlüssen gekommen. https://gerdakazakou.com/2021/01/06/willis-interessenrichtung-wissenschaftlich-technisch-versus-kontemplativ/
Man kann sich den Charakter des Jahres ja nicht zu zurechtschneidern, wie man vielleicht möchte. Also muss man lernen, sich anzupassen.
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Lächel … unerschöpflich deine tägliche Kreativität *Chapeau *
Herzliche Grüße vom Lu
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Dankeschön, Lu 🙂
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Ein schönes Beispiel das die Konzentration auf eine kleine Sache, den Blick schärft.
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Ja, so gehts, Mitsi. Fängst du an, auf etwas zu achten, fixiert sich der Blick, fixiert sich auch das Hirn. Das wissen auch die Medienmacher, die uns seit neun Monaten auf ein Wort mit C fixieren. Und alle zappeln wir dran und haben Mühe, es auch nur vorübergehend aus unserem Hirn zu verbannen.
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Das wird jetzt alles richtig lebendig und schön mit Deinem Unterricht und den hübschen Kinderzeichnungen. Da kannst Du bald eine Malschule für Kinder aufmachen .. Ja, wenn nicht Corona wäre.
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Bloß keine Schule, liebe Gisela! Kinder soll man malen lassen, das ist alles. Will.i wird leider bald aus dem kindlichen Alter herausgewachsen sein.
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Wie Du ihm das A beigebracht hast, das war doch richtig guter Unterricht, wie man ihn sich wünschen kann, und wie es Kindern auch Freude macht. Learning by doing.
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Und morgen kommt das B dran oder? Ich wusste es doch: Du bist eine gute Lehrerin!
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Will.i muss das Lesen in Windeseile lernen – er entwickelt sich ja sehr schnell, dreieinhalb Tage sind wie ein Jahr. Da wird er wohl morgen das Restalphabet schlucken müssen. 😉
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Oh, überfordere ihn nur ja nicht….
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Toll, was sich da entwickelt! So lernt man die Dinge ganz frisch mit neuen, anderen Augen zu sehen…😉
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Lernst du auch noch mal das ABC? 🙂
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Nicht bewusst… aber ich denke auch beim ABC könnte ich noch was lernen 😉
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