Ein schöner Juni-Abend. Wahlsonntag – schon wieder -, die Menschen entspannt. Ich setze mich bei den Mandelbäumen an einen Tisch aus einfachen Holzbrettern, zwei Herzen sind hineingeschnitten.
Ich zeichne die alten Bäume, deren Borke von gelben Flechten überzogen ist. Der eine hat eine üble Narbe, rot und schwarz. Ich zeichne auch die langen Schatten, die auf die Wiese fallen. Auf die Bank vor mir setzt sich eine Frau, ihren Rücken skizziere ich schnell, bevor sie wieder aufsteht, und das junge Paar mit dem kleinen Kind und dem drolligen Hund auf einer anderen Bank in der Ferne halte ich mit ein paar Strichen fest. Die Schatten stellen Beziehungen her, die es in Wirklichkeit so nicht gibt, die aber doch „in der Luft liegen“. Von dem Rücken der Frau vor mir geht Traurigkeit aus, so als wäre die Wunde des Baumes ihre, und als wären die lustigen jungen Leute mit dem Kleinkind und dem Hund dort hinten auf der Bank ein Traum, den sie träumt, eine Sehnsucht und ein Kummer.
Eine schöne traurige Geschichte hast du da eingefangen, die sich so, vielleicht aber auch ganz anders verhält. Da wir es nicht erfahren werden, kann der Betrachter selber entscheiden, was er erkennen will, was wiederum seine eigene Stimmungslage wiederspiegelt. Dazu fällt mir ein Witz ein, den mir kürzlich ein Freund erzählte. „Zwei Rabbiner treffen sich. Der Eine fragt den Anderen, ……sag mal Moshe, mich beschäftigt seit Langem eine Frage, wie verhält es sich mit den Gedanken, kommen sie von Innen, oder von Außen. Der Zweite Rabbi hält lange Zeit Inne und sagt schließlich, …mein Onkel sagt ja.“ Ich wünsche dir eine kreative, erfüllte Woche Marie
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Ja.
In diesem Fall würde ich mich freilich nicht auf meinen Onkel beziehen müssen, sondern könnte getrost antworten: sie kamen von außen. Sie flogen mich an. Ich heftete sie der Frau an den traurigen Rücken mitsamt meinem Wunsch, dass ihr davon große Schwingen wachsen.
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ich wünsche dir eine gute harmonische Woche, Klaus
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Danke, Klaus. Dir auch!
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vielen dank, alles Gute
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Heute also erzählst du mit deiner Zeichnung eine Geschichte, die man als Betrachter*in so oder so sehen und deuten kann – mich springt bei der Betrachtung das Krebsgeschwür des Baumes an, das direkt vis-à-vis der Frau ist, die, obwohl am Rande sitzend, den Schwerpunkt auf dieser Zeichnung bildet. Ganz Im Kontrast zu dem lebendigem Paar mit Hund sitzt sie still, den Rücken leicht gebeugt. Sie stellt mir Fragen und ich lausche ihren leisen Antworten …
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Du siehst also dasselbe wie ich? Das freut mich. Tatsächlich habe ich immer noch diesen Rücken vor Augen, der breit und ein wenig gerundet war und mir eine hilflose Resignation auszustrahlen schien. Dazu das dunkle glatte Haar, das in einem Pferdeschwanz achtlos zusammengebündelt war, die schwarze Bluse. ich versuchte das Gesicht der Frau zu sehen, es gelang mir auch für flüchtige Augenblicke,wenn sie zur Seite schaute, Es war von seiner Struktur her ein schönes Gesicht, aber auch hier gab es diese merkwürdige Abwesenheit, die mir auffiel – so ganz anders die entfernt sitzende, sehr lebhafte und zugewandte Menschengruppe. Die Frau stand dann auf und ging, ohne sich nach mir umzudrehen, genauso wie sie sich zuvor hingesetzt hatte. Dabei war nur der Tisch zwischen uns.
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Ein wundervolles Bild ist wieder entstanden und die Zeichnerin teilt uns dazu ihre Gedanken mit und ihre Wünsche für die dicht vor ihr sitzende Frau. Es wäre schön, könnte sie dann beim Aufstehen schon bemerken, daß sich etwas verändert hat. Ihr Rücken hat tatsächlich etwas Sehnsüchtiges und das junge Paar mit dem Kindchen, weiter entfernt, könnte durchaus genau diese Gedanken in ihr geweckt haben.
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Ach, Bruni, wie schön, dass du es auch siehst. Die Frau ist mir immer noch vor Augen, ich wollte, ich könnte sie irgendwie ermuntern, ihre Flügel zu bemerken…..
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Vielleicht ist sie ja auch ohne Flügel zufrieden, wer weiß, liebe Gerda!
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zufrieden wirkte sie eben überhaupt nicht, sondern tief resigniert. Einsam. Aufgegeben.
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dann brraucht sie doch unbedingt Flügel, liebe Gerda!
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