Zu Anfang des 18. Jahrhunderts stieß man zufällig auf die verschüttete Stadt Herculaneum (heute Ercolani), benannt nach ihrem mythischen Gründer, dem griechischen Heros Herakles. (Ja, ja, auch dies ist eine griechische Stadtgründung!) Fieberhaft begannen Franzosen, Briten und andere Antikenbegeisterte mit Raubgrabungen, um wertvolle Artefakte für ihre Sammlungen zu sichern. Die Nachfrage war enorm, doch konnte sie kaum gedeckt werden – zu schwierig gestaltete sich das Abtragen der bis zu 18 m dicken Schuttschichten, unter denen der Vesuv die Stadt begraben hatte. Völlig freigelegt wurde ein Areal erst im 20. Jahrhundert. Bei Interesse findest du viel Wissenswertes zur Geschichte der Stadt und der Ausgrabungen, zum Verlauf der Katastrophe und zum Erhaltungszustand der Gebäude bei Wikipedia.
Hier ein paar Fotos von der Anlage: das ausgegrabene Areal, dann ein noch nicht ausgegrabenes freies Feld bis zum Meer, das mich ganz besonders anzog. Endlich Natur! Klassisch die Bepflanzung der Außenzone. Straßen der ausgegrabenen Stadt, dahinter ragen Häuser der jetzigen Stadt Ercolani auf, unter denen sicher noch viele verschüttete Teile der antiken Stadt liegen. Aber man kommt mit der Enteignung nicht voran. Eindrucksvoll eine mächtige Stützmauer, durch die die bis zu 18 m dicken Erdschichten gehalten werden, die über der Stadt lagen. Am Fuße der Mauer ein Fluss oder breiter Entwässerungsgraben (?), der Wasser führt und wunderbar lebendig ist.
Als ich durch die engen Gassen der ehemaligen Stadt wanderte – immer mit meinem Thema „Verhältnis von Natur und Technik“ beschäftigt – , dachte ich an all die wundersamen Wandgemälde, die einst das Innere dieser Räumchen schmückten und die ich tags zuvor im archäologischen Museum von Neapel betrachtet hatte. Und ich fragte mich, ob die damaligen Bewohner so viele mythische Szenen aus fernen griechischen Zeiten, so viele Vögel und Pflanzen und sprudelnde Wasser an die Wände ihrer kleinen, ineinander verschachtelten Häuser malten, weil sie die lebendige Natur aus ihrer Stadt schon verbannt hatten. Hatten sie Sehnsucht nach der alten Einheit mit der Natur, die sie nicht mehr lebten – ganz ähnlich den Romantikern des 19. Jahrhunderts, die sich ins fromme Mittelalter und ins fröhliche Schäferidyll Arkadiens zurückträumten, in der Annahme, dass das Band zwischen Mensch, Natur und Gottheit damals noch nicht zerrissen war? So dachte ich und so erklärte ich mir die romantisch anmutende Bilderwelt, die sie an die Wände zauberten. Vielleicht irre ich mich, und die Natur war damals tatsächlich noch stark mit dem städtischen Leben verbunden. Was die religiöse Inbrunst anbetrifft – nun, die war erschöpft und wartete darauf, vom Christentum neu belebt zu werden. Es war im Jahr 79 nach Christus, als der Vesuv, der 500 Jahre lang ruhig gewesen war – so sehr, dass die Bewohner vergessen hatten, dass er ein Vulkan war – die blühenden Städte verbrannte.
(Die Fotos habe ich im Archäologischen Museum von Neapel gemacht, das Abgebildete stammt teilweise aus Pompeji).
Liebe Gerda, da jagt ja ein phantasisches Bild das nächste – du hast Recht, es kann Verromantisierung sein, genauso wie Verbundenheit, plus Mythologischem – ich dachte aber auch moderne Malerei, besonders bei den beiden letzten Bildern, das, was hier modern erscheint ist dann aber wieder nichts anderes als der Zahn der Zeit…
ich danke dir sehr, dass du alles mit uns teilst.
Liebe Grüße, Ulli
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es ist mir ein Bedürfnis, meine Erfahrungen zu ordnen und zu teilen, und ich bin sehr froh, mitdenkende LeserInnen und GuckerInnen zu haben.
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Gleich das 1, Bild erinnerte mich an Piranesi – seine Figuren wirkten auch so verloren, aber sie bewegten sich in Gewölben, Kellern und Verliesen.
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Das ist ein interessanter Hinweis, Gerhard. die verschachtelten Gemäuer, in die Piranesi seine Figuren versetzt, erinnern niht wenig an die verschachtelte Stadt Herkulaneum, die ich besuchte. Sicher kannte er die Ausgrabung von Pompeji, und die von Herkulaneum war grad hoch aktuell. Vieles lässt sich hier spekulieren …
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Ja, sicherlich, liebe Gerda!
ZUFÄLLIG entdeckte ich NACH dem Comment bei Dir Aufnahmen von Piranesi’s Radierungen in Berlin, wo ich 2014 weilte.
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Schöne Zufälle, wenn einem neue Einsichten und Ideen zufallen!.
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welcher reichtum, wunderbare bilder, schätze zu hauf! dank dir, liebe gerda, für’s teilen dieser kostbarkeiten!
sei herzlich gegrüßt: pega!
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nichts ist mir lieber, Pega, als zu teilen mit Menschen, die zu nehmen wissen 🙂
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🙂
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wow, das muss eine tolle Stadt sein 🙂 :O….müsste man sich wirklich auch mal angucken :O :D…ich danke dir aber erstmal für deine gelungene Darbietung hier 🙂 Hab noch einen schönen abend und ein tolles wpchenende 😉 Lg vom wellness südtirol meran ! Pia
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freut mich, Pia! Du bist ja schon ein bisschen näher dran…
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Räumchen bebildern, ach Gerda, bei dir wuchert die Kultur – es ist hervorragend, hier zu schauen und zu schauen, wer noch alles schaut und sich zu ergötzen, sich zu wundern, sich an der Kunst und deinen Texten dazu zu freun!
Gruß von Sonja
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Ich wollte dir noch sagen, Sonia, bevor ich auf der Dachterrasse schlafen gehe, wie sehr mich dein Kommentar gefreut hat.
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Ich liebe die Atmosphäre des Uralten, da wo man die Wurzeln der Menschheit spüren kann und selbst die Luft anders riecht, als in modernen Städten. Hab ein wunderbares Wochenende liebe Gerda!
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Herzlichen Dank, Arno. Die „Wurzeln der Menschheit“ sind in diesen Gemäuern freilich auch nicht zu finden..Kennst du die Einleitung von Thomas Mann zu „Joseph und seine Brüder“, wo er über den tiefen Brunnen der Zeit nachsinnt?. Die römische Epoche ist Neuzeit. 😉
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Meine Frau hat mir davon erzählt und natürlich nicht die echten Wurzeln der Menschheit, denn wer weiß schon wo die liegen, da wir ja aus Sternenstaub bestehen 😉
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🙂 Sternenstaub mit Wurzeln
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ein Bild schöner, als das Nächste, alles Gute wünsche ich dir.
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danke Klaus, auch dir alles Gute!
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Herculaneum – schon der Name alleine läßt mich in die Vergangenheit versinken, liebe Gerda.
Die Wandgemälde rühren mich sehr an. Die scheinbar leicht verblassten Farben und die Motive tragen mich weit zurück. Aber jetzt sehe ich wieder hin und ich glaube, die Farben sind gar nicht verblasst, sondern so wie in Pompeji erhalten,ganz wie sie damals gemalt wurden, vor soooo langer Zeit.
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Ja, Bruni, die Farben sind erstaunlich lebendig. es gibt darüber etliche Abhandlungen. warum und wieso.
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