Meine Zuhause-Rumhängerei wegen der anhaltenden Erkältung geht mir gewaltig auf die Nerven, also sage ich mir: egal, ich gehe jetzt raus. Das Wetter ist wenig einladend, aber nun: am „Reinen Montag“ zu Hause hocken, das geht gar nicht. Es ist der Tag, an dem ALLE draußen zu sein haben, um zu picknicken und Drachen steigen zu lassen.
Gut, dass ich gegangen bin.
Ich mag es einfach, wie die Leute an diesem Tag mit Kind und Kegel rausziehen. Die Papas zeigen ihre Drachensteigkünste, die sie selbst als Knirpse erworben haben und nun ihrem Nachwuchs vorführen. Die Mamas und Omas wissen, was an diesem Tag in den Picknickkorb gehört: das spezielle Fladenbrot, weiße und rosa Rogenpaste, Tsatsiki, eingelegte Oktapus, Oliven, Gürkchen … viel Pikantes, alles außer Fleisch. Denn heute beginnt das Fasten. Einige kleine Mädchen treten noch als Prinzessinnen auf, denn gestern war das große Karneval-Show-down und manchen fällt es schwer, sich von einem Traum zu trennen.
Viele Gruppen sind bereits am Aufbrechen, als ich rausgehe. Am Himmel stehen noch einige Drachen, die traditionellen sechseckigen sind in der Minderzahl, mancher ist bereits abgestürzt.
- Drachen im Anflug
- Drachen ist hängengeblieben
- herangezoomt
Im Stadtwald wandere ich streckenweise allein. Da kommt mir eine Frau entgegen, stutzt, nimmt die Sonnenbrille ab. Gerda? Ah, du bists? Eine alte Bekannte, auch sie deutsch, auch sie allein wandernd. Sie erinnert sich: da drüben war dein Atelier, das Fest, 30 Jahre her? – Nein, sage ich, 20. Aber es kommt mir schon wie eine Ewigkeit vor, seit ich das Atelier aufgegeben habe, damals, als wir in der Mani bauten. Zu meinem 60. Geburtstag hatte ich eingeladen, fast 100 liebe Menschen waren gekommen. Ich frage nach anderen Bekannten: die ist nach München gezogen, jene auch, aber ihre Tochter ist noch hier, schlägt sich mit Übersetzungen durch. Die T? frage ich. Die muss jetzt an die 40 sein. Die hab ich mal gemalt, die Mutter hatte ein Portrait in Auftrag gegeben, aber dann gefiel es nicht und ich behielt es. Ist halt so eine Sache mit Aufträgen und erst recht mit Portraits: der Besteller hat eine bestimmte Vorstellung von Ergebnis, das der Maler nicht liefern kann. – Eben habe ich nachgeschaut und fand zwar kein Foto des Gemäldes, wohl aber eine Vorstudie in Kohle.
Ich freue mich über die unerwartete Begegnung, die Anregung der Erinnerung, und gehe froher gestimmt weiter. In der Ferne lagert noch Volk, die Stimmung wirkt gelöst.
Ein wenig Heranzoomen wird erlaubt sein, denn sonst müsste ich für solche „typische“ Szene viele Worte machen.
Eine kleine Prinzessin will noch nicht gehen, sie muss noch Blumengespräche führen.
Ich bin zufrieden mit meiner Ausbeute und meiner Geh-Leistung (6.9km), und damit ich auch den Restweg schaffe, lasse ich über meine neuen, direkt mit dem Handy verbundenen Hörgeräte (nach außen dringt kein Laut) den Rhythmus von Ravels Bolero in meine mürben Glieder fahren.
Wunderbar! Ob Du auch die gesungene Bolerovariante von Angelique Kidjo kennst? Hör mal rein, ein geballtes afrikanisches Lady-Kraftpaket…
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Vielen Dank, Sabine! Toller Tipp! https://youtu.be/zbO4BjW459Q
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haaaaaaa, eine Pracht! Dass man als Zuhörer dabei unbeweglich sitzen bleiben kann….
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schwierig. 🙂
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Freue mich mit dir, über deinen Spaziergang, die Begegnung, Erinnerungen die du mit uns teils, die Photos, von einem Picknik im Freien können wir hier nur träumen,
ist doch auch was……
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Ja, sicher, liebe Afrikafrau, ist schon was. Nur, wie man hier sagt: „Das Bessere ist der Feind des Guten“.
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Gute Besserung, Gerda!
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Dankeschön, Marion! Du laborierst letztens ja auch mit Erkältungen rum. Ein blöder Zustand.
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Ja, wirklich nervig!
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Wundervoll den Tag genutzt, liebe Gerda, Carpe Diem zelebriert, schön …
Herzliche Abendgrüße vom Lu
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man bemüht sich… 😉
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Schön 💐
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Die Überwindung zum Bummeln hat sich gelohnt. Fein.
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Ja, danke dir, Ernst.
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Schöner Bericht! Jung gebliebene rasende Reporterin, du!
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hihi. Ich dachte, wenn Alice einer Friedensbewegung voranstürmen kann, werd ich doch jedenfalls eine Runde im Wald schaffen.
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Gute Besserung, liebe Gerda und auch Bewegung an der frischen Luft mit so schönen Eindrücken hilft sehr bei der Genesung. Werd meine gefühlsmäßig schon ewig andauernde Erkältung auch nicht so richtig los und wird wohl in Heuschnupfen übergehen…
Liebe Grüße, Hanne
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Es ist ein Elend. Ich hoffe, dass du, bevor der Heuschnupfen kommt, noch eine schnupfenfreie Zeit hast! Wir haben grad ne schauderliche Atmosphäre, Sand der Sahara dicke, ein wahres Reibeisen für die armen Bronchien.
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und trotz der miesen Erkältung einen so langen Spaziergang gemacht… Toll, Gerda!
Du bist schon eine Wucht!
Deine Kohlskizze sieht doch schon ganz wundervoll aus.
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Die Skizze ich besser als das Gemälde,finde ich. Ist oft so.
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