Da mich eine blöde Erkältung weiterhin daran hindert, mich unter die Jecken zu mischen, muss der Karneval dieses Jahr ohne mich enden. Zum Glück gibt es die Kunst, wenn reale Lustbarkeiten Mangelware sind – und Yves Kleins Blau, selbst wenn der attische Himmel, wie heute, von Saharastaub getrübt ist, so dass das Atmen schwer fällt.
Yves Klein (1928-1962), französischer Maler, versuchte, den Umweg über die Kunst zu vermeiden und sich direkt in den Besitz der Welt zu bringen. Wie? Nun, er lag im Jahr 1946, gerade mal 18 Jahre alt, an Nizzas Strand, sah den blauen Himmel und … signierte ihn. Es war sein erstes „Monochrom“. „Neuer Realismus“ nannte sich die Richtung, die sich damals herausbildete. Wozu malen, wenn alles bereits da war und man es sich nur aneignen musste?
Ein wenig erinnert das natürlich an all die „Entdeckungen und Inbesitznahmen“ unserer Vorfahren rund um die Welt. Hier ist ein Berg, eine Insel, ein Kontinent: setze deinen Namen drauf, signiere ihn und er gehört dir. Finde eine Statue, eine Maske, ein Schmuckstück fremder Kulturen – und es ist deins.
Bei Klein und den anderen Realen gab es freilich ein Problem: das Original war nicht zu haben. Der Himmel blieb unverkäuflich. Also mussten sie sich etwas einfallen lassen – und doch den Weg über die Kunst nehmen.
Yves Klein nahm zum Beispiel die „Venus von Milo“ oder die „Nike von Samothrake“ – beide einst aus griechischem Marmor erschaffen, von französischen Archäologen ausgegraben und zusammengeklebt und schließlich an prominentem Platz im Louvre ausgestellt -, ließ Kunststoff-Kopien anfertigen und färbte sie ultramarinblau ein.
Und so stand auch ich am vorletzten Sonntag voller Bewunderung ob dieser Chuzpe vor den berühmten Bildnissen in International Klein Blue (I.K.B., 1960 patentiert).
Natürlich bedarf auch die kühnste neuartigste künstlerische Idee, damit sie marktreif wird, eines kongenialen Philosophen und Kunsthändlers und einer kongenialen Galeristin. Ersteren fand der junge Yves in Pierre Restany, letztere in Iris Clert (aka Iris Athanassiadis, 1917-1986). Dieses Trio machte 1958 in Paris mit der Ausstellung-Performance „Vide“ (Leere) Furore: 3000 Besucher kamen, um das Werk – die leere weißgetünchte Galerie – zu besuchen (die insofern allerdings nicht leer war).
Eine Idee läuft sich leicht tot, also ist es gut, ihr durch Begegnung mit lebendigen Körpern Lebenskraft einzuhauchen, so geschehen in den berühmten Anthropometrien mit Modellen Kleins, die ihre nackten blau-farbig triefenden Körper auf Leinwände pressten (1960 in der Galerie Internationale d’Art Contemporain in Paris die Performance). Ein Orchester spielte derweil ein von Yves komponiertes Stück, das im wahrsten Wortsinne ein-tönig war: es bestand nur aus einem Klang (Symphonie monotone).
Klinge ich nun wie eine Kunstbanausin? Vermutlich. Die Wahrheit ist, dass ich diese Kunst und diesen Künstler fabelhaft finde, dass sie mich inspirieren, erfreuen, dass ich auch den Mut derer bewundere, die einer banausischen Welt solche Kunstkonzepte unterjubeln. Natürlich lohnt es sich auch pekuniär für die Beteiligten – aber ist das mein Problem? Einen „Seiltänzer zwischen Genie und Scharlatan“ nannten sie ihn, der nur 34 Jahre alt wurde. Ja, ein Traumtänzer war er wohl. Und genau das macht seine Kunst für mich unwiderstehlich.
Da fällt mir ein eigener Beitrag ein, der meine Haltung zur Traumtänzerei illustrieren mag:
Was willst du denn mal werden, Susi? —- Was ich werden will? Ooo, ich werde Primaballerina oooder Akrobatin auf dem Seil, ganz hoooch oooben, oooder wie heißt das gleich, Traumtänzerin, ja, ich werd Traumtänzerin, das gefällt mir am besten. Und du? Was willst du mal werden?
Was schwebt der Susi vor, wenn sie „Traumtänzerin“ werden will? Na, etwas in der Richtung:

aus Schnipselspenden von Susanne Haun, Jürgen Küster aka Buchalov und Ulli Gau von mir einst gefertigtes Legebild.
Gute Besserung, erhole dich gut
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Danke, liebe Afrikafrau. Diesmal will und will es nicht werden, es zieht sich hin und ich habs gründlich satt. Geduld ist nicht meine Stärke.
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Ja, gute Besserung! Und Danke für diesen tollen Artikel. Gedankenbremsen gelten in der Kunst nicht, und du schaffst es immer, mich mitzunehmen, in die Werke einzutauchen, das Spektakel wertzuschätzen, denn es liegt ja am Ende an uns selbst, das Leben bunt und schön zu gestalten und zu leben!!
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Danke für die guten Worte und Wünsche, Alexander. Grad gelingt mir solch bunte Lebensgestaltung nur virtuell.
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Da gibt es andere als Yves, deren Beiträge zur Kunst man ernsthaft diskutieren müsste.
Ich mochte ihn immer.
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Gute Besserung und Heilung, liebe Gerda.
Sich auf eine einzige Farbe in der Kunst zu beschränken, wie gewagt ist das denn! 😇
Herzliche Morgengrüße vom Lu
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… und auf einen Klang! Aber nun. „In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister…“
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Ist das nicht frustrierend auf dauer, liebe Gerda? Nur eine einzige farbe … *verkwer guck*
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Anscheinend hat er gut damit leben können, lieber Lu 😉 Ich möchte es nicht. Sogar das dauernde sommerliche Himmelblau, so schön es ist, macht mich nervös.
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Lächel … aber nur im Hochsommer!
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Der dauert hier ziemlich lange, und ich als Norddeutsche werde da gelegentlich des Blaus überdrüssig.
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Verstehe ich voll und ganz … Griechenland wäre mir als Wohnort viel zu heiß und sonnig.
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Nun, im Hochsommer, aber sonst ist es ja ein durchaus sehr angenehmes gemäßigtes Klima. Momentan ziemlich grau, und es regnet.
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Ein halbes Jahr Hochsommer … das halte ich unmöglich aus!
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😎🥵👹
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💐🌞💐
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Deine beiden Beiträge gefallen mir s e h r !!
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Das freut mich sehr, Gisela!
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😊
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Danke für diesen tollen Beitrag.
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Da danke ich dir, Ernst!
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„Klinge ich nun wie eine Kunstbanausin?“
Nein, im Gegenteil. Ich hatte beim Lesen durchaus den Eindruck, dass Du das Werk und Werden Kleins mit Sympathie geschildert hast. Was mich durchaus verwirrt hat, denn gegenüber dieser Art von moderner Kunst stehe ich selbst durchaus als Banause. Wenn die Chuzpe wichtiger ist als das Werk, wenn man dieses also überhaupt nur als Werk erkennt, weil es entsprechend präsentiert wird, dann schwindet mein Interesse.
Aber da Leute wie Du, die von Kunst erheblich mehr verstehen als ich, davon angetan sind, ebenso wie Leute, die von Musik erheblich mehr verstehen als ich, moderne E-Musik schätzen, suche ich den Fehler bei mir und versuche immer wieder aufs Neue, mich auf die modernen Werke einzulassen. Insofern danke ich Dir für diesen Beitrag.
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Lieber schwarzer Kater, es stimmt, ich habe Sympathie für die Kunst von Yves Klein, sie ist intelligent, herausfordernd. Was geschieht mit mir, wenn mir Aphrodite als blaue Plastik entgegenleuchtet? Es öffnen sich Abgründe zwischen dem Heiligen und seiner Verbildlichung (heute häufig als Zitat früherer Imaginationen) – in gewisser Weise ist dieser abgründige Raum der Raum der Kunst. Da gibt es nichts mehr, um sich festzuhalten, als vielleicht ein vages „es gefällt mir“, „es amüsiert mich“, „es berührt mich“, „es regt mich an“. Yves Klein hat mal einen „Sprung ins Leere“ zelebriert, als Kunstaktion. Mit 42 blieb sein Herz dann stehen.
Aber mach dir deshalb bloß keinen Kopp. Wenn dir eine Kunstrichtung nicht gefällt, wende dich einer anderen zu, die dir mehr Nahrung gibt. Es gibt ja soooo viel Auswahl heutzutage. 🙂 Es gibt Zeitgenossen (ich kenne einen), der alles, was nach der Vorrenaissance entstand, mit Naserümpfen beiseiteschiebt. Trotzdem bleibt noch eine Menge für ihn übrig. 🙂
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Deine Traumtänzerin auf dem Pferd , die aus Schnipseln besteht, empfinde ich heute als die Schönste von allen
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