Welttheater 2023: Die ersten sieben Auftritte plus ein vermasselter Auftritt

Auftritt Domna, die blinde Poetin.

Das Alte Jahr, ganz pünktlich ist es um

Auf ging der Vorhang für das Neue Jahr

Und in dem Saal sitzt stumm das Publikum

Was wird? Ist jetzt gebannt wohl die Gefahr?

 

So fragt es sich. Doch wer spielt auf den Bühnen

Wenn nicht du selbst, die dieses Spiel ja schreibt?

Bist du’s nicht selbst, der unsre Welt lässt grünen

Der Frieden schafft und uns in Kriege treibt?

 

O Freund, o Freundin, lass uns all zusammen

das Neue Jahr in Frieden schön gestalten

dass es nicht gar verbrennt in Krieges Flammen

und nicht regiert wird von den Nachtgewalten.

Domna tritt ab.

Auftritt Ungur, die Fragende:

Was soll mir Hoffen, warum sollt ich bangen?

Die Wahrheit such ich hinter der Erscheinung.

Wenn du nicht suchst, zur Wahrheit zu gelangen

Bleibt alles Spuk und subjektive Meinung.

Drum hör nie auf, all das, was dir geschieht

Mit Fragen nach dem Wo und Wann, Warum

Und Wer das tat und Wer ihm dazu riet

Zu löchern, denn sonst bleibst du dumm.

Ungur tritt ab.

 Auftritt Tschinn, der Macher:

Ich bin der Tschinn, der Macher

Ich packe an, ich schaffe, tu

Auf meiner Seite sind die Lacher

Wie ich es mache, mach’s auch du!

 

Wer zu viel fragt, wer immer wartet

Dass alles sich von selbst erledigt

Wer niemals selbst zu Taten startet

Stattdessen Ruh und Frieden predigt

 

Den wird es balde kalt erwischen

Der wird verlassen sein und arm

Du musst schon selbst die Karten mischen

Sonst Gnade dir und Gott erbarm! 

Tschinn tritt ab

Auftritt das Paar, Yin und Yang.

Du weisst, wir bleiben einsam: du und ich,
Wie Stämme, tief in Gold und Blau getaucht,
Mit freien Kronen, die der Seewind streift;
So nah, doch ganz gesondert, ewig zwei.
Und zwischen beiden webt ein feines Licht
Und Silberduft, der in den Zweigen spielt,
Und dunkel rauscht die Sehnsucht her und hin.

(Dies ist kein eigenes Gedicht, es stammt von Paul Wertheimer, Seelen, aus: Neue Gedichte, 1904. Yin und Yang sahen es heute bei Christiane und fanden es für ihren ersten Auftritt passend.)

Yin undYang treten ab

Auftritt Isolde, die Hedonie.

Freude, Wonne, in der Liebe

In dem Spiegel deiner Augen

Funkelt mir das All entgegen

Eine bin ich mit dem Ganzen

Nichts kann mich von dir entfernen

Denn Eins sind ich, du und alle

Meine Lippen wolln dich küssen

Meine Schenkel dich umfassen

Und mein Herz will nur dich schlürfen

 Diesen reinen süßen Trank

Deinen Atem will ich trinken

Will in deinem Hauch versinken

„Sind es Wogen
wonniger Düfte?
Wie sie schwellen,
mich umrauschen,
soll ich atmen,
soll ich lauschen?
Soll ich schlürfen,
untertauchen?
Süss in Düften
mich verhauchen?
In dem wogenden Schwall,
in dem tönenden Schall,
in des Welt-Atems
wehendem All —
ertrinken,
versinken —„
unbewusst —
höchste Lust!“

(Wie du vielleicht erkannt hast, geht der Gesang der Hedonie in den der Isolde über, als sie sterbend hinsinkt. Libretto von Richard Wagner )

Isolde tritt ab

Auftritt Jerma, die Sowiedu.

Wo seid ihr, ihr andern? Ich bin so allein!

Wer bin ich, wenn ich euch nicht hab?

Ich möchte so gerne geliebt von euch sein

Ihr seid mir der Trost, ihr seid mir der Stab!

 

Sehr gern werd ich grün, wenn das Grün euch behagt

Was zählt ist allein, dass ihr andern mich liebt

Ich werde auch blau oder rot, wenns gefragt

Denn ihr seid mein Alles, so wahr es mich gibt!

Jerma tritt ab

Auftritt Hera, die Göttin.

Friede sei an allen Küsten

lasst uns die Welt von Krieg befrein!

Kommt her und saugt an meinen Brüsten

die euch Unsterblichkeit verleihn!

Ich geb euch Nahrung, geb euch Quellen

denn darben sollt ihr wirklich nicht.

Doch dürft ihr nicht die Bäume fällen

Auch fordere ich Fleischverzicht.

 

Die Tiere sind mir tief verbunden

Sie schütze ich, sowie auch dich

Ich mag es nicht, wenn sie geschunden

Wenn du sie tötest, triffst du mich!

 

Ich bin die Göttin, die vor Zeiten

ihr habt von ihrem Thron gestürzt

Die Rückkehr sollt ihr mir bereiten

sonst wird das Leben euch verkürzt

 

Ich geb dir alles, doch verlange

ich stets Respekt vor Baum und Tier

so du den hast, sei dir nicht bange:

Mit Gotteskraft steh ich bei dir.

Hera  tritt ab

Auftritt Diaphania, die Transparenz

….

Hier schaltet sich Dora ein. „Sag mal, spinnst du? Willst du alle 17 Typen auftreten lassen, damit sie ihr Sprüchlein daherbeten? Die Zuschauer – und sicher auch die Zuschauerinnen – werden sich zu Tode langweilen, wenn das so weiter geht. Sie verlangen Handlung, Action! Also lass dir was einfallen, ja?“

Erschrocken lasse ich den Vorhang fallen, bevor Diaphania ihr Sprüchlein loswerden kann. Dora hat wahrscheinlich recht.  Ich werde mich mit ihr beraten müssen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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18 Antworten zu Welttheater 2023: Die ersten sieben Auftritte plus ein vermasselter Auftritt

  1. Don Esperanza schreibt:

    Also ganz Unrecht hat Dora nicht, aber Recht hat sie auch nicht, ich fand die Gesänge sehr berührend und würde auch gerne noch lesen, was Diaphania zu sagen hätte. Frohes neues Jahr noch liebe Gerta.

    Gefällt 2 Personen

  2. Gisela Benseler schreibt:

    Na da ist ja einiges los. Und alle Deine Figuren haben interessante Namen bekommen. Woher stammen die Namen, Gerda?

    Like

  3. Dora ist ein kluges Mädchen, Gerda.
    Es wurde ein bissel sehr lange, das Weltentheater und ich merkte, wie meine Aufmerksamkeit nachließ 🙂
    Das Gedicht von Herrn Wertheimer fiel mir sofort auf, denn ich fand es bei Christiane schon so wunderschön.

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    • gkazakou schreibt:

      Danke, Bruni, auch für den Hinweis auf die Länge. Ich bin mir bewusst, dass die Texte samt Bildern auch für den Leser eine Herausforderung sind, da kaum jemand Zeit hat, so viel Zeug anzuschauen und zu lesen. Ich möchte nun aber trotzdem meinem inneren Rhythmus folgen und veröffentlichen, was sich gestalten will. Die eine oder der andere bringt vielleicht genügend Geduld auf. Wenn ich mich ausbremse, geht die Inspiration flöten.

      Gefällt 1 Person

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