Dora zum AchtenZehnten: Lilienwunder

Vor drei Jahren, an einem Tag wie heute, schrieb ich: „Zu meiner großen Freude blühte gestern die Lilie auf, die sich in meinem Garten angesiedelt hat“. https://gerdakazakou.com/2019/10/05/die-taegliche-zeichnung-lilie-im-garten/

Im Jahr zuvor, im Oktober 2018, hatte ich sie erstmals bewundern dürfen.

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2020 erschien sie erneut in meinem Garten, blütenreicher als zuvor, und ich konnte mich nicht sattsehen an ihr.

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Lilie (Tägliche Zeichung)

Auch in diesem Jahr ist sie pünktlich wieder zur Stelle. Die Zwiebel hat sich inzwischen mehrfach geteilt. Spross die Lilie anfangs mit einem Stängel aus dem Boden, so sind es mittlerweile….

„Drei!“ kräht Dora mir ins Ohr. „Richtig“, bestätige ich. Es sind drei Stängel, und an jedem Stängel sitzen zahllose Knospen, die sich nun nacheinander öffnen. Wundersame Vermehrung!

Zwecks Bildung und Erziehung erzähle ich meiner kleinen Freundin ein wenig Biblisches und Frommes zur Lilie und zu Salominis Kleidern, zu Schönheit, Reichtum und Armut, zu Sorge und Vertrauen, zu Herrschaft und Vergänglichkeit. Meine kleine Heidin legt ihr Köpfchen schief und wundert sich. Aber es gefällt ihr.

„Klar!“ kräht sie, „wozu sich sorgen? Schließlich bin ich ja da und werde es schon richten!“ 

Besonders gefällt ihr die Liedzeile: Narcissus und die Tulipan, die ziehen sich viel schöner an als Salomonis Seide, als Salomo-ho-ni-is Seide. Die trällert sie nun schon seit einer Stunde vor sich hin. Das kann ja heiter werden!

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Salomon: „Und ich wurde grösser und reicher als alle, die vor mir in Jerusalem waren … Und siehe, das alles war Nichtigkeit und ein Haschen nach Wind.“ Prediger 2,9.11

Jesus: So ihr denn das Geringste nicht vermöget, warum sorgt ihr für das andere? Nehmet wahr der Lilien auf dem Felde, wie sie wachsen: sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht. Ich sage euch aber, daß auch Salomo in aller seiner Herrlichkeit nicht ist bekleidet gewesen als deren eines. … (Lukas 12, Lutherbibel)

Das folgende Lied ist für den Sommer gedichtet. Doch warum sollte es nicht auch für den Herbst mit seinen besonderen Freuden passen? Paul Gerhardt (1607 – 1676), der das Grauen des 30jährigen Krieges erlebte, ließ sich nicht unterkriegen. Die Natur war sein Elixier.

1. Geh aus / mein hertz / und suche freud
In dieser lieben sommerzeit
An deines Gottes Gaben:
Schau an der schönen gärten zier,
Und siehe / wie sie mir und dir
Sich ausgeschmücket haben.

2. Die bäume stehen voller laub /
Das erdreich decket seinen Staub
Mit einem grünen kleide.
Narcissus und die Tulipan,
Die ziehen sich viel schöner an /
Als Salomonis seyde.

3. Die lerche schwingt sich in die luft /
Das täublein fleugt aus seiner kluft
Und macht sich in die wälder.
Die hochbegabte nachtigal
Ergötzt und füllt mit ihrem schall
Berg / hügel / thal und felder.

4. Die glucke führt ihr völklein aus /
Der storch baut und bewohnt sein Haus /
Das schwälblein speist die jungen /
Der schnelle hirsch / das leichte reh
Ist froh / und kömmt aus seiner höh
Ins tiefe graß gesprungen.

5. Die bächlein rauschen in dem sand /
Und mahlen sich in ihrem rand
Mit schattenreichen myrthen/
Die wiesen ligen hart dabey /
Und klingen gantz vom lustgeschrey
Der schaf und ihrer hirten.

6. Die unverdroßne bienenschaar
Fleucht hin und her / sucht hie und dar
Ihr edle honigspeise.
Des süssen weinstocks starcker saft
Bringt täglich neue stärck und kraft
In seinem schwachen reise.

7. Der weitzen wächset mit gewalt /
darüber jauchzet jung und alt /
Und rühmt die grosse güte
Des / der so überflüssig labt /
Und mit so manchem gut begabt
Das menschliche gemüthe.

8. Ich selbsten kan und mag nicht ruhn,
Des grossen Gottes grosses thun
Erweckt mir alle Sinnen /
Ich singe mit / wenn alles singt /
Und lasse / was dem Höchsten klingt /
Aus meinem hertzen rinnen.

9. Ach denk ich / bist du hier so schön /
Und läßst dus uns so lieblich gehn
Auf dieser armen erden /
Was wil doch wol nach dieser welt
Dort in dem vesten himmelszelt
Und güldnem schlosse werden.

10. Welch hohe lust / welch heller schein
Wird wol in Christi garten sein /
Wie muß es da wol klingen /
Da so viel tausent Seraphim
Mit unverdroßnem mund und stimm
Ihr Alleluja singen.

11. O wär ich da! o stünd ich schon /
ach süsser Gott / für deinem thron /
Und trüge meine palmen:
So wolt ich nach der Engel weis
Erhöhen deines Namens preis
Mit tausentschönen psalmen.

12. Doch gleichwol wil ich / weil ich noch
Hier trage dieses leibes joch /
Auch nicht gar stille schweigen /
Mein hertze soll sich fort und fort /
An diesem und an allem ort
Zu deinem lobe neigen.

13. Hilf nur und segne meinen geist
mit segen / der vom himmel fleußt /
Daß ich dir stetig blühe /
Gib / daß der sommer deiner Gnad
In meiner seelen früh und spat
Viel glaubensfrücht erziehe.

14. Mach in mir deinem Geiste Raum /
Daß ich dir werd ein guter baum,
Und laß mich wol bekleiben /
Verleihe / daß zu deinem ruhm
Ich deines gartens schöne blum
Und pflantze möge bleiben.

15. Erwehle mich zum Paradeis
Und laß mich bis zur letzten reis
An leib und seele grünen /
So wil ich dir und deiner ehr
Allein / und sonsten keinem mehr /
Hier und dort ewig dienen.[1]

 

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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9 Antworten zu Dora zum AchtenZehnten: Lilienwunder

  1. Anonymous schreibt:

    Das ist ein sehr schöner Beitrag. Für mich ist er sehr erinnerungsträchtig…

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  2. Gisela Benseler schreibt:

    „Narcissus und die Tulipan..“ das sind Worte aus einem Choral, den ich sehr mag.

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  3. Wunderschön sind Deine Lilien und sie zeigen Dir ihre ganze Pracht, weil Du sie in Deinen Garten hast gebracht. Und die Kommunikation mit Dora tun ihnen auch gut!
    Deine Zeichnung ist wieder mal sehr schön!!!
    Hab einen schönen Abend liebe Gerda!

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  4. Es ist eine so wundervolle Lilie, stark und dankbar für die Beachtung durch Dich, liebe Gerda!
    Paul Gerhardts Lied kenne ich soooo gut und schon sehr lange. Mit wem und wieso ich es gesungen habe, das weiß ich nicht mehr, aber viele der Strophen habe ich im Kopf behalten und finde sie heute immer noch ganz wundersam schön.

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