Eine Melange aus Zimmerreise und abc-etüde? Ja, warum eigentlich nicht, liebe Heide, liebe Christiane, lieber Wortverdreher. Puzzleblume hat es vorgemacht, ich eile hinterher mit einer zweiten Etüde und einer zweiten etwas ungewöhnlichen Zimmerreise.
abc-etüde als Zimmerreise
Der Kürbis und der Totenkopf
„Am Ende wird es ja auch bei uns auf einen hohlen Kopf hinauslaufen, dessen Anblick andere erschreckt“ – das schrieb ich als Antwort auf Puzzleblumes Kommentar zu meiner gestrigen abc-etüde. Zur Illustration zog ich einen Totenkopf aus dem Archiv, den ich von einem Kupferstich Dürers abgezeichnet hatte. Sehr sorgfältig übrigens, ohne in gewohnter Weise zu krakeln.
Plötzlich verstand ich: Auch Dürer dachte Totenkopf und Kürbis zusammen. Der hohle Kürbis spielt auf den menschlichen Totenkopf an, vor dem die Kinder schreiend davonlaufen.
Kürbis in Dürers „Hieronymus“, Tintenstift-Kopie
Wie hatte ich das übersehen können? Und wieso vergaß ich, dass ich Kürbis und Totenkopf mit unserem W = Wohnzimmer in Athen zu einem neuen Ensemble vereint hatte? Das war, als Tito noch lebte und kurz vor Corona. Keine Sorge, ich werde dies kitzlige C-Thema nicht weiter verfolgen.
Im Wohnzimmer sind alle friedlich vereint: Löwe und Hund, Totenkopf und Kürbis. Ein Großteil des Mobiliars ist aus Hieronymus‘ Gehäus entlehnt. Nur das Gemälde mit den Zypressen, Hängelampe, Tischtuch, Eule und Musikregal sowie der Bewohner sind aktuell vorhanden.
Ein merkwürdiges Ambiente. das mich zu weiteren Experimenten anregte. Ich zeichnete den Raum neu, stellte alles Kopf. Der Kürbis entwächst nun dem Boden, der eigentlich die Zimmerdecke ist.

Montage aus Zeichnungen und Fotoelementen
Das aber lässt mich schwindeln. Möge der Kürbis weiterhin friedlich von der Decke hängen und uns nicht eines Tages auf den Kopf fallen. Der Löwe mag bleiben.
Das wars für heute. Weitere Wohnraum-Gestaltungen findest du unter dem Stichwort Hieronymus, zB hier.
Tja, friedlich vereint oder nicht, ob Mensch, Tier oder Kürbis, wir alle sind vergänglich. Ich bleibe lieber bei deiner Etüde von gestern und denke mir das zyklisch – aber momentan ist mir nicht wohl bei dem Gedanken, in dieser (kommenden) Zeit erneut Kind zu sein.
So viel, was mich seit Neuestem erschreckt.
Nachdenkliche Abendgrüße 🤔✨🍷🍪👍
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Liebe Christiane, einerseits geht es mir wie dir: vieles, sehr vieles erschreckt mich zutiefst. Andererseits aber, und wenn ich mich auf das Licht einlasse und dem Gang der Dinge gelassen nachsinne, erfüllt mich etwas wie Hoffnung, dass wir dies finstere Zeitalter hinter uns lassen können. Kampflos aber wird es nicht gehen.
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Wahrscheinlich ist das das Geheimnis: den Mut nicht verlieren 🤔😏
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Ja, und den Mut nutzen, um neue freundlichere Lebensformen zu entwickeln, egal wieviel dagegen spricht..
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Und prompt fällt mir dazu Brecht ein:
„Dabei wissen wir doch:
Auch der Hass gegen die Niedrigkeit
verzerrt die Züge.
Auch der Zorn über das Unrecht
Macht die Stimme heiser. Ach, wir
Die wir den Boden bereiten wollten für Freundlichkeit
Konnten selber nicht freundlich sein.“
(Aus: An die Nachgeborenen)
Tja, daran denke ich oft. Sorry, sprang mir gerade so in den Kopf.
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Daran denke ich auch oft. Und dass wir, die Nachgeborenen, nun unsererseits mit Zorn Unrecht und Niedrigkeit kommentieren. Jede Generation meint, sie könne für die nächste bessere Verhältnisse durch Hass erwirken, aber das Unrecht zeugt sich fort. Die einzige Chance ist, schon jetzt richtig (gerecht, hochherzig) zu handeln, egal wie die Verhältnisse sind..
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Gekonnt zwar, aber doch etwas kraß zuletzt.
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Wenn man euren Gedanken folgt, dann entkernen wir uns gerade selbst und die Köpfe werden immer hohler. Kann ich gut nachvollziehen, wenn denn schon im Fernsehen bei der Werbung das Richten von Brillenbügeln als kreativ dargestellt wird. Da kriegst du doch einen zu viel, man.
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Danke, Werner, an diese Art von Aushöhlung hatte ich gar nicht gedacht. Aber du gebe dir recht.
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Die Melange von ABC-Etüde mit Zimmerreise passt gut zum Inhalt mit den vermischten Räumlichkeiten, alles im Austausch befindlich, Leben und Tod, Vergangenheit und Gegenwart.
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Gerda stellt auf den Kopf, was zum Boden gehört 🙂 , aber es ist so schön verrückt, so wundervoll kreativ, daß man immer wieder hinsieht, hoch- und runterscrollt und sich freut, daß doch alles im richtigen Rahmen bleibt.
Kürbis und Totenkopf, auf diese Verbindung wäre ich nicht gekommen, aber die Form gibt es her und das Vergängliche aller Dinge auch.
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lieben herzlichen Dank, Bruni! Ich meine, die beiden gehören sogar noch enger zusammen, denn es ist doch auffällig, dass der Kürbiskopf mit seinen gezackten Zähnen und hohlen Augen für Halloween steht, wo die Gespenster umgehen. Er soll ja erschrecken – genau wie der Totenschädel – und ans Vergängliche des (individuellen) Lebens erinnern. In der ersten etüde ging es mir um den Kreislauf des Lebens, aber das individuelle Leben des Kürbis endet ja wie auch das unsere.
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Beide erschrecken uns vielleicht.
Mich der Kürbis weniger als der Totenkopf…
Eben habe ich wieder, wie jetzt jeden Abend, eine Kerze im kürbiskopf platziert – eine Nachbarin hatte ihn hingestellt.
Sein Inneres beginnt faulig zu werden und das ehemals feste gelbe Fleisch wird schwarz…
Da gehen mir die Gedanken durch den Kopf, wie es ist, wenn wir vergehen, Gerda…
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Besser du schmeißt den Kürbiskopf weg, liebe Bruni, bevor deine Gedanken faulig werden! 😉
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😊🌟🌝
Das tue ich auch, Gerda.
Es war ziemlich eklig 💀👻
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