Als Wiedergutmachung für die gestrige Vernachlässigung bin ich heute mit Will.i hinauf in die Berge gefahren, um ihm eine Burg zu zeigen. Als er sie auf dem Hügel liegen sah, schrie er begeistert: „Eine richtige Ritterburg! Gleich kommen die Ritter mit ihren Pferden und Fahnen herausgestürmt über die Zugbrücke, dass es donnert! Und die Burgfräulein stehen auf den Zinnen und winken mit ihren bunten Taschentüchern!“ – Verblüfft blieb ich stehen. „Woher hast du das?“ – „Was?“ – „Diese Bilder von der Burg, den Rittern und so.“ – „Och, das weiß doch jeder“, kam seine rätselhafte Antwort. „Ja, aber woher? Hast du ein Buch mit solchen Bildern gesehen?“ – „Nein. Aber ich weiß doch, wie es auf einer Burg zugeht“. ….
Stumm stieg ich neben Will.i die steile Straße zur Burg hoch. Ab und an schielte ich zu ihm rüber. Wusste er etwas, was ich nicht wusste? Hatte er vielleicht schon mal gelebt? Bruni brachte mich auf den Gedanken, dass er Eltern und Großeltern gehabt haben könnte. Aber eine Wiederverkörperung käme ja genauso gut in Frage, oder? Nicht grad hier, in der Mani, aber vielleicht war er das Jahr 1021 irgendwo in Franken? „Hier“, sagte ich schließlich, „lebten aber keine Ritter. Wann die Burg genau gebaut wurde, weiß man nicht, aber vor genau 200 Jahren wurde sie erstmalig erwähnt. Damals kämpften die Menschen hier für die Befreiung ihres Landes von den Türken.“
Aber Will.i war nicht bei der Sache. Er stürmte über die herabgefallenen Steine zum Eingang. „Vorsicht! Pass auf!“ schrie ich und stolperte hinter ihm her. Dummes Zeug! Was soll Will.i schon passieren? Ich sollte lieber auf meine eigenen Füße aufpassen, denn die Böden haben große Löcher, und die Stockwerke sind nicht abgesichert.
Mich zog es zu den großen leeren Fenstern im Süden. Nichts als Bläue und Licht, das Meer in der Ferne eine glänzende Scheibe. Will.i winkte mal vom Rundturm, mal vom hohen Eckturm, turnte über die zugewachsenen Stufen, balancierte auf schmalen Mauergraten, während ich mich bemühte, ein wenig zu zeichnen.
Nicht nur hat man von hier oben einen herrlichen Blick über das Meer, sondern man schaut auch weit ins Gebirge hinein. Das Dorf Havaugi („glänzende Morgenröte“) lag noch in der Sonne, als alles andere bereits im Schatten versank.
Ich machte noch eine Zeichnung vom Gebirge, dann gings hinab ins schattige Tal.
Ein paar Blüten am Wegrand musste ich noch bewundern und verlor Will.i prompt aus den Augen. Wo ist er bloß abgeblieben? Das Kind wird langsam allzu selbständig.
Bilder die die Phantasie anregen. Ich kenne das Mittelalter weil ich viel darüber gelesen habe.
Deine Zeichnung wie immer sehr schön.
Grüße von Michael
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Schmunzel … ist er inzwischen wieder aufgetaucht?
Hoffentlich!
Schöne Bilder. Feine Zeichnungen.
Herzliche Morgengrüße vom Lu
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Ich liebe Burgen schon seit meiner Kindheit. Und bei uns im Odenwald gibt es zum Glück viele.
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Wunderbar:Zeichnungen, Geschichte, Photos!
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*lach*, er war schon mal bei uns, aber schon vor zig Jahren? Du hast Ideen, liebe Gerda.
Der Will.i ist sehr lebendig und stets auf der Suche nach Dingen, die er noch nicht kennt.
Deine Fotos sind toll, aber Deine Zeichnungen sind noch viel toller. Du hast mit Muse gezeichnet und man sieht es ihnen an. Sie sind wunderschön geworden.
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🙂 Ja, ein lebendiger Kerl ist er. Ob er nun schon mal im Fränkischen war, weiß ich nicht sicher, aber wer weiß schon etwas sicher? Danke für dein Lob meiner Zeichnugen, liebe Bruni!
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Sie sind ganz wunderschön geworden.
Mit liebevoller Hingabe gemalt, denke ich
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