Am Nachmittag legte ich mich aufs Sofa, wo sich auch Tito bereits platziert hatte. Ich zeichnete ihn schnell in der sehr verkürzten Perspektive, den Kopf nah bei mir, der übrige Körper zusammengeschrumpft.
Viel Zeit zum Zeichnen ließ er mir nicht. Schon bald verzog er sich indigniert unter den Tisch, auf dem sich an- und ungelesene Bücher nebst manchen anderen Dingen stapelten. Den dicken Schmöker habe ich gestern im Papierwarenladen gefunden – eines von zehn deutschsprachigen, ein Mängelexemplar und daher sehr billig. Es ist der dritte Band einer Familiensaga aus Neuseeland, bequem zu lesen (Sarah Lark, Der Ruf des Kiwis). Titos Beine unter dem Tisch bitte beachten!
Bei der dritten Zeichnung wollte ich mich mal wieder auf Umrisslinien beschränken. Man sieht, wenn man will, den Tisch mit dem Buch, dem Handy, der Kaffeetasse, der Fruchtschale mit gefundenen Hölzern, der Kristallvase, dahinter die Lehnen des Schaukelstuhls und den ausgezogenen Arbeitstisch mit Stühlen und noch dies und das. Mir kam es auf das freie Spiel der Linien an, die das Blatt gliedern, lebendig machen, aber nicht füllen.
In farbiger Bearbeitung des Fotos sieht die Zeichnung so aus:
Eine vierte Skizze machte ich dann noch vom selben Platz auf dem Sofa aus. Sie hat eine ziemlich ausgefallene Komposition mit der hohen Zinnvase im Zentrum, dahinter der durchgeschnittene Schaukelstuhl und die Lampe auf einem Extratischchen. Die Gardinen und der Tischläufer halten die Dinge mit ihren Mustern zusammen.
Beim Hundespaziergang im Syngrou machte ich dann bei einem zerfallenen Haus Halt, um noch einmal bei meinen architektonischen Zeichnungen anzuknüpfen. Hier faszinierten mich besonders die ragenden Balken des Dachstuhls und das fächerartige Auseinanderfallen der Deckenbalken, die scharfe Schatten warfen. An den bröckelnden Pfeiler des Eingangs hat jemand sinnigerweise das Wort „PAST“ gesprayt. Gern hätte ich eine präzisere Zeichnung gemacht, aber ich musste im Stehen skizzieren und die Ameisen wanderten an meinen Beinen hoch. Da war Eile geboten.
Das du trotz der Ameisen noch zeichnen konntest…
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tito gefällt mir natürlich besonders 😉
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🙂
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Im Grunde mag ich beides, auch das reduzierte Linienspiel, aber die anderen Skizzen gefallen mir in diesem Fall noch besser. Vielleicht machen sie auf mich einen „energiegeladeneren“ Eindruck. Sehr schön und interessant, was du in Gegenwart von Ameisen noch zustande bringst 🙂
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Danke, almuth. das ist eine interessante Wahrnehmung. Tatsächlich scheint mir auch mir, dass in den „energiegeladeneren“ Skizzen mehr von mir drin steckt und zum Ausdruck kommt.. Sie sind mit meiner Energie geladen. 🙂
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Vielleicht auch, weil du in diesem Fall, so meine Vermutung, mehr überlegt hast bei den Linien. Manchmal macht man so was besonders locker aufs Papier, aber das hier wirkt bedachter. Vielleicht auch Einbildung meinerseits..
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Past? Past.
Meine Frau lehnt die Beschäftigung mit der (persönlichen)Vergangenheit ab, ich kann das gutheißen.
Vieles war “ Mist“, das Leben ist jetzt.
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Danke, Gerhard. Klar ist das Leben jetzt. In diesem Fall ist das Jetzt ein zerfallenes Haus mit einer Vergangenheit und ich, die ich es zeichne, während mir die Ameisen die Beine hochkrabbeln. 🙂
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Zeichnen statt Grübeln ist sicher sehr gut!
Ich mag nach wie vor die Zeichnungen mit den vielen Schraffuren am liebsten, weil sie auf mich am lebendigen wirken.
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danke, Marion. „Energiegeladener“? 😉
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Genau!
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Eine gute Alternative zum Grübeln. Die Leerfassungen gefallen mir am Besten. Ich bin ja immer fürs Reduzieren, in nahezu allen Lebensbereichen. Das gelingt aber eben nicht immer. Liebe Grüße. Es regnet, Halleluja
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Danke, Marie! Ich mag beides, es ist halt sehr verschieden „geladen“, wie Almuth von Pflanzwas anmerkt. Wir hatten, wie du wohl weißt, Unwetter im Norden, was sich bei uns in Südgriechenland als wohltätige Abkühlung bemerkbar machte. Was dem einen sin Ul, is dem andern sin Nachtigall…
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Ja, ich habe es mitbekommen und meine Gedanken waren gleich bei einem Freund in Thessaloniki. Ich nehme es zum Anlass, einmal wieder Kontakt zu ihm aufzunehmen. LgMarie
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Besonders betroffen war die Halkidiki, nicht so sehr Saloniki. aber Kontakte wieder aufzunehmen ist immer gut, auch wenn der Anlass traurig ist.
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beim Zeichnen vergisst man das Grübeln, wünsche schönen Samstag mit vielen schönen Momenten, Klaus
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Genau, Klaus. Habs auch gut!
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danke, wünsche ich auch
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Bleibt natürlich die Frage im Raum: wieso grübeln?
Mir geht es wie Marie, ich mag auch ganz besonders die reduzierte Zeichnung und den „verlassenen Ort“, ja … sehr sinnig hier noch ein „past“ draufzusprühen 🙂
Habs gut, liebe Gerda,
Ulli
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danke, Ulli, nun weißt du ja, warum „grübeln“.
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Ja, wieso grübeln, Gerda?
Tito zu zeichnen muß schwierig sein, vor allem icht auch aus dieser Perspektive. Aber er ist sehr gelungen! Als Tischbein finde ich ihn sehr lustig, aber er sollte den Tisch nicht trsgen wollen *g*, sonst müßt Ihr gleich wieder zum Tierarzt *schmunzel*. Bücherstapel unter dem Tisch? Das hab ich noch nie geschafft und ich vermute, es hätte mir Ärger eingebracht… Aber ich liebe Bücherstapel und verteile sie sehr geschickt *kicher*
Dein Umrisslinienzeichnung könnte ivch mir in einem Buch zum Ausmalen für Anfänger und ‚Fortgeschrittene gut vorstellen, liebe Gerda. Wundervoll ausgewogen ist gerade diese Zeichnung und ich mag sie sehr mit dem gefüllten Korb im etwas verschobenen Mittelpunkt.
Mit emsig hochkrabbelnden Ameisen an den Beinen würde ich kein einziges Strichlein hinbekommen *lach*, aber DU schaffst da auch noch ein so interessant vom Verfall bewegtes Bild, daß ich mich mal wieder verehrend verneige.
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Vielle danke, Bruni! aber die Bücher liegen nicht unter dem Tisch, sondern drauf! Es ist ein niedriger Couchtisch.
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Ach sooo *lach*
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