Meer und See (zwei Zeichnungen)

Am Ende des endlosen Weststrands von Kalamata mündet ein kleiner Fluss, der Pamissos, ins Meer. Zunächst sammelt sich sein Wasser in einem See, der sich dann durch eine schmale Rinne ins Meer entleert. Die Gegend ist einsam und verwahrlost. Zwei ausrangierte Boote versinken langsam im Mohn und anderen Blumen. Hohes Schilf verdeckt den See. Auf der gegenüberliegenden Seite  steht ein schäbiges Gehöft, mehr Schuppen als Haus. Möwen kreisen darüber, Hühner rennen herum und ein Hund bellt aufgeregt, als er meinen Hund bemerkt. Mit dem hysterischen Gebell im Ohr mache ich vor Ort eine schnelle Bleistiftskizze.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Am Weststrand halte ich dann noch einmal an, um Tito rennen zu lassen und eine zweite Bleistift-Skizze zu machen – diesmal vom dunklen Meer, das mit kleinen Schaumkronen das Ufer berennt. Der Wind ist stark, treibt feinen Sand vor sich her. Am Horizont zeigen sich verschwommen die Ausläufer des Taygetos-Gebirges. Ein angeschwemmter Baumstamm bildet den Vordergrund der Skizze.

Zu Hause überarbeite ich beide Skizzen mit schwarzem Kugelschreiber, entsprechend meinen Erinnerungen. Ob sie dadurch gewonnen haben? Sie sind jetzt konkreter, haben aber Atmosphäre und Poesie des flüchtigen Augenblicks eingebüßt.

Durch elektronische Bearbeitung habe ich einige Eigenschaften der Skizzen noch  verstärkt (zB die Gleichförmigkeit von kreisenden Möwen und Wasser und die Beziehung zwischen der Form des Baumstamms und der fernen Küste)

Noch eine andere Sicht auf diese Gegend ergibt sich in den Fotos, die ich dort machte. Vier Medien – vier verschiedene Weisen der Welterfassung.

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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13 Antworten zu Meer und See (zwei Zeichnungen)

  1. Die Welterfassung durch die Skizzen ermöglicht weitere Dimensionen. Ich bleibe länger an dem hängen, was du ihnen mitgibst. Sehr schön, liebe Gerda!

    Gefällt 5 Personen

  2. Ulli schreibt:

    Stimmt, die Zeichnungen in „Rohform“ lassen den Raum fürs eigene Schauen und Imagnieren. Es geht ja nicht um besser oder schlechter, es geht um anders und das andere mag ich eben auch 😉
    liebe Grüße an dich, Gerda,
    Ulli

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    • gerda kazakou schreibt:

      So seh ich es auch, Ulli. Mir gefallen auch die genaueren Zeichnungen, sie sind halt anders als die Bleistiftskizzen. Durch das Gegenüber und den Vergleich der beiden Fassungen kann ich die Vorzüge der je anderen deutlicher sehen. Beide gewinnen.

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  3. kopfundgestalt schreibt:

    Überabeitungen sehe ich eher positiv. Man setzt schnell den Rahmen, das ist eher ein Notieren, und danach verdichtet und ergänzt man den Eindruck.
    Beim Modellieren dürfte es ähnlich sein:
    Man bildet einen Schlangenkopf, der so schon einer ist, und modelliert ihn schrittweise immer mehr dahingehend, daß er stimmiger wird. Das Gespür sagt einem dann irgendwann, daß das Ergebnis ok ist. Oder nicht. Dann hat man es halt verdorben.

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  4. Ule Rolff schreibt:

    Jedes wirkt auf seine Weise auf mich, die Zeichnungen (mit und ohne Kuli) empfinde ich als offener, auch intimer. Die digitalen Bearbeitungen finde ich etwas zu flächig für die feinfedrigen Zeichnungen. Aber das liegt vielleicht auch daran, dass der erste Eindruck den Interpretationsrahmen bereits festgelegt hat.

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    • gerda kazakou schreibt:

      Danke, Ule, besonders für deinen Hinweis auf den „Interpretationsrahmen“. Es ist etwas, was ich auch immer wieder bemerke: dass nämlich das Sehen eines Bildes von dem „Rahmen“ abhängt, in dem ich es wahrnehme. Das gilt übrigens auch umgekehrt: wenn ich aus einer Ausstellung komme, sehe ich die Umwelt mit anderen Augen. Dieser Effekt verliert sich nach einer Weile.

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  5. mynewperspective schreibt:

    Liebe Gerda,
    schon seit einiger Zeit habe ich mir angewöhnt, Deine Skizzen erst anzuschauen und dann den Text zu lesen. Hauptsächlich tue ich dies, um nicht beeinflusst zu werden, von dem, was ich lesen würde. Bei Deiner ersten Skizze sah ich ein gehetzt und eilig sein in Deinen Strichen. Die zweite Skizze wirkte ruhiger auf mich und nach dem Lesen wusste ich auch, warum meine Empfindung so war.
    Mir gefallen diesmal die genauen Zeichnungen besser, vor allem auch deshalb, weil ich bei der erste Zeichnung nicht mehr dieses gehetzte Gefühl empfinde.
    Die bearbeiteten Skizzen erinnerten mich – warum auch immer – an Filmausschnitte aus Zeiten des s/w-Films. Ich bin heute vier Mal auf diesen Beitrag zurückgekommen, um herauszufinden, ob mir irgendein Filmname einfallen würde. Nein, aber der erste Impuls ist noch vorhanden.
    Schöne Grüße
    Serap

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    • gerda kazakou schreibt:

      Liebe Serap, dein Kommentar hat mich sehr gefreut und auch gerührt, weil du dir mit dem Sehen so viel Zeit gelassen hast. Deine Beobachtungen sind für mich interessant, besonders, dass du den inneren Zustand der Zeichnerin in den Bildern erkennen konntest. Vielen Dank! Gerda.

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      • mynewperspective schreibt:

        Das freut mich sehr, liebe Gerda.
        Die letzten Wochen war ich ja eher nur stummer Leser und konnte den Beiträgen gar nicht so viel Aufmerksamkeit schenken. Zum Glück ist jetzt mehr Luft und Zeit für mehrmalige Betrachtungen und Feedbacks vorhanden. Die liegen mir genauso an Herzen.

        Gefällt 2 Personen

    • gerda kazakou schreibt:

      danke, Serap! ich verstehe das sehr gut: Auch ich möchte mir immer gern Zeit nehmen, die Blogs meiner Freunde sorgfältig zu lesen und zu kommentieren, aber manchmal geht es einfach nicht. Jetzt ist grad wieder so eine Zeit, ich habe lieben Besuch und mag nicht ange am Computer sitzen.

      Gefällt 2 Personen

  6. www.wortbehagen.de.index.php schreibt:

    Deine flüchtig hingeworfene Skizze zeigt sehr schön, daß Du Dich beeiltest, mit dem Tito da wegzukommen und doch ist zu erkennen, was Du gesehen hast.
    Der angeschwemmte Baumstamm mit seinen *zerküfteten*, bizarren ausgewaschenen Formen und die ferne Küste, deren zerklüftete Bergrücken nur zu erahnen sind. Die Bearbeitung mit dem Kugelschreiber macht alles etwas deutlicher, liebe Gerda. Das erkenne ich gut.
    Viel Freude mit Eurem lieben Besuch!

    Gefällt 1 Person

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