Die große Diversifizierung der Stile, die sich in Europa seit Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelte, hat in Griechenland erst nach dem 2. Weltkrieg eingesetzt. Sicher, es gab zuvor schon Ansätze, nichts fällt vom Himmel. Nun aber wird offenkundig, dass so etwas wie ein verbindlicher Stil nicht mehr vorhanden ist. Jeder Maler geht seines Wegs. Natürlich gibt es auch in Griechenland Schulenbildung, zumal viele der bekanntesten Maler zugleich Professoren an der Kunstakademie in Athen oder Saloniki waren und sind.
Expressionismus
Mein Liebling unter den griechischen Malern war lange Zeit Giorgos Bouzianis (1885-1959), dessen expressionistische Malerei mir naheging. In den 20er Jahren lebte Bouzianis in München und kehrte mit dem Aufkommen des Nationalsozialismus notgedrungen nach Athen zurück, wo ihm eine Professur winkte – die er schließlich nicht bekam. Seine Malweise stieß bei den Kollegen auf heftige Abwehr und beim Publikum auf Unverständnis. Erst in den 50er Jahren konnte er sich durchsetzen. Das Bild in der Ausstellung („Theatrina“, Frau vom Theater) ist von 1957.
Bouzianis stilistisch am nahestehendsten ist der 1945 geborene Chronis Botzoglu. Sein wichtigstes Modell, seine Mutter, wieder und wieder in meist großformatigen Aquarellen schmerzhaft herausgearbeitet, bildet das Mittelstück auch des in der Ausstellung gezeigten Bildes aus der Reihe „mein persönlicher Abstieg in die Totenwelt“ (1993-2000). Bei großzügiger Auslegung kann man auch die Bilder von Giorgos Mavroides („zwei Mädchen“, 1973) und Panagiotis Tetsis (P0rtrait M.S., 1990-1) zu den expressionistisch beeinflussten Arbeiten zählen. Mavroides lebte von 1912-2003, Tetsis, über den ich zweimal berichtete (hier und hier) von 1925-2016. Außer dem jüngsten, Botsoglu, wurzeln diese Maler also im frühen 20. Jahrhundert.
Andere Vertreter der Vorkriegs- und Kriegsgeneration:
Von Sarantis Karavouzis (1938-2011) ist das Bild mit dem Titel „Abschied“, das die typische Abschiedszene der antiken Grabmäler aufnimmt. Auch Christos Karas (Jg. 1930) mit seinen „drei Grazien“ und Achileas Droungas (Jg. 1945) mit seiner „Athene“ (2003) benutzen die griechische Antike als Bildvorlage. Iannis Tsarouchis (1910-1989) lässt sich bei dem Portrait des „Fräuleins mit dem Spitzenkragen“ wohl ein wenig von der Fayyum-Malerei inspirieren. Von Nikos Nikolaou (1909-1986) ist der stark abstrahierende „Frauenkörper“ (1963). Die bunt-plakative Malerei von Vassilis Sperantzas (Jg. 1938) ist mit dem Titel „Auf dem Balkon“ vertreten. Sotiris Sorongas (Jg. 1936) bildet einen eigenen sehr feinen Zeichenstil aus („meine Mutter“, Diptychon, 1982). Takis Katsoulides (Jg. 1933) zeigt mit seinem Bild „Zwei Generationen“ (1983) zwei von einander abgewandte, fast gesichtslose Frauen.
Nachkriegsgeneration
Und was hat die Nachkriegs-Generation an Frauenportraits zu bieten? Zwei Vertreter eines neuen Realismus, der sich auf die Darstellung von Modellen im Atelier beschränkt und nichts von dem Charme des Realismus des 19. Jahrhunderts hat, sind Stefanos Daskalakis (Jg. 1952) mit „Myrto mit blauer Samtbluse“, und Giorgos Rorris (Jg. 1963) mit dem „Portrait R.T.“. Bei letzterem bin ich übrigens selbst noch mal in die Schule gegangen, um meine Ölmaltechnik zu verbessern. Christos Bokoros treibt den Realismus dann noch ein Stückchen weiter in Richtung auf Fotorealismus („Myrsine“, 2006). Von Pavlos Samios (Jg. 1948) ist das Bild „Mit Tizian“ (2012).
Ganz aus der Reihe fällt ein Bild des kretischen Malers Michalis Manousakis (Jg. 1953). „o.T.“ ist es das einzige der neueren Bilder dieser Ausstellung, das mein Interesse erregt. Es spielt mit einer alten Vorstellung (Opfer?), übersetzt sie aber in eine hermetische und sehr moderne Sprache.
Liebe Gerda, bei der Nachkriegsgeneration fesseln mich zwei Bilder, das erste ist von Daskalakis, Myrto, es ist der Ausdruck der Frau, der meinen Blick hält, die Malweise sehr klassisch, hier wird eine Not ausgedrückt. Ein Mitfühlen mit der Frau aus Sicht des Malers (?), anstelle der Darstellung einer Frau als Objekt.
Das zweite ist von Michalis Manousakis, hier ist es Stil und Darstellung, die mich halten. Ich rätsel noch, zwar hält sie eine Schale in der Hand, die man durchaus als Opferschale ansehen kann, sie selbst aber drückt für mich in ihrer Körperhaltung keine Opferhaltung aus …
herzliche Grüße zur guten Nacht … ich widme mich jetzt meinen Bücherschnäppchen –
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danke, und viel Spaß beim Lesen. ich habe auch grad zwei Bücher geschnappt, vom Büchertisch vor unserer Metro-Station. Der Mann freut sich, glaube ich, schon, wenn er meiner ansichtig wird, denn ich nehme immer irgendetwas mit. Das eine ist ein Thriller, geschrieben von einem Pakistani, der die USA sehr gut kennt und einem Ami in Lahore die Welt erklärt. Das andere üer die schönsteLiebe des Don Huan, geschrieben von einem französischen adligen Dandy des 19. Jahrhunderts, der schon Marcel Proust inspiriert hat. 🙂
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Doch nicht etwa Mohsin Hamid „The reluctant Fundamentalist“? Das ist zwar kein Thriller, aber sonst passt die Beschreibung …
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doch ja, das ist das Buch, ich habs auf Griechisch, und da steht, es sei ein Thriller. Hab erst zwei Kapitel gelesen. Ich finde essehr spannend.
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Danke, liebe Gerda, für diese tolle Auswahl an Frauenbildern!
Viele sprechen mich sehr an, z.b. zwei Mädchen von Mavroides, von Tetsis das Portait, Serantzas auf dem Balkon und natürlich von Michalis Manousakis die Opfergabe, die ja nicht unbedingt eine sein muß.. Auf jeden Fall hat die junge Frau, wohl eher ein Mädchen, eine so wunderschöne selbstverständliche Haltung und mit ihr bringt sie eine Gabe in einer flachen Schüssel. Sie gibt etwas her, vielleicht ein Gastgeschenk und sich gleich mit?
Liebe Abendgrüße von Bruni an Dich
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Danke, Bruni! Es ist immer interessant zu erfahren, wie die Vorlieben sind und warum. 😉
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Die ersten fand ich künstlerisch sehr anspruchsvoll und gut und die Opfergabe in stolzer Haltung ist einfaach etwas ganz besonderes für mich
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