Griechische Kunst am Sonntag: Zoi Gaitanidou, Metaxourgio und documenta.

Ich kannte die junge Künstlerin Zoi Gaitanidou (Jg 1981) nicht, die Arbeiten in ihrer ersten Einzelausstellung zeigte. Die Galerie The Breeder,  in dem armen Athener Bezirk Metaxourgio (Seidenfabrikation) gelegen, ist für die sorgfältige Auswahl zeitgenössischer Künstler bekannt. Eine riesige Eisentür öffnet sich, wenn man auf den Klingelknopf drückt, einen Spalt breit, man schlüpft hindurch und wirft gleich noch einen Blick auf das komplizierte Sicherheitsschloss, das im Türrahmen sichtbar wird. Ein bisschen klaustrophobisch, das Ganze. Wer klaut schon moderne Bilder weitgehend unbekannter Künstler? frage ich mich. Aber leider sind solche Vorsichtsmaßnahmen, die die Kunst vor den Blicken der Passanten verbirgt, in diesem Bezirk wohl nötig.

Der Raum, der sich dann zeigt, ist weit und sehr hoch, und die feinen Kunstwerke, die spärlich verteilt an den Wänden hängen, haben es schwer, die Atmosphäre zu durchweben und lebendig zu machen. Da muss man schon nahe herantreten und sich auf die Bilder einlassen, die so ganz anders sind als dieser Raum: feinste Stickerei in lebendigen Farben, dazwischen mit Kreide eingefärbte Leerflächen, führen dich in eine fast afrikanisch anmutende Welt. Meditative Stimmung kommt auf, während ich mit dem Auge den feinen Verzweigungen von Pflanzen folge, die farblichen Abstufungen der Stickerei bewundere. So viel Geduld und Innerweltlichkeit! Auf dem Merkblatt lese ich, dass die Künstlerin auch Yoga-Lehrerin ist. Aha! Ja. Studiert hat sie an der Kunsthochschule Athen und an mehreren Gruppenausstellungen teilgenommen, darunter „The Equilibrists“ (2016) im Benaki-Museum.

Zum Vergrößern bitte anclicken, dann erkennst du den Wechsel zwischen Stickerei und Pastellkreide besser.

  

Von der künstlerischen Leiterin des Breeder Nadja Gerouzani erfahre ich, dass sie drei große Ausstellungen anlässlich der Documenta vorbereitet.  Auch andere große Galerien beteiligen sich. Am 8. April ist es soweit: Dann beginnt die Documenta in Athen. Man darf gespannt sein.

Als ich aus der Galerie hinaus und ins Freie trete, nimmt mich die Athener Realwelt wieder in Empfang. Ich mag sie, diese Stufen des chaotischen Zerfalls mit bewohnbaren Nischen und erstaunlichen Türen, Mauern, Katzenwildnissen. Und mit ihren Graffitis. Zwei  fotografierte ich für euch. Manchmal, sagte etwas in mir, gefallen mir diese anonymen, so großzügig der Allgemeinheit zur Verfügung gestellten Kreationen mehr als die im Innern kalter Galerien aufbewahrten Schätze. Aber warum vergleichen?

Hier eine von zwei  ehemaligen Garagentüren, die niemand mehr braucht (auch die andere war so bemalt):

und hier ein wohl für immer geschlossenes Fenster mit Ummalung:

Und, damit ihr nicht meint, alles sei hier Verfall, zeige ich euch noch ein schön renoviertes Gebäude am Platz von Metaxourgio, wo ich mich, gemeinsam mit der Freundin, die mit mir die Galerie besuchte, in einem sonnigen Winkel niederließ und eine heiße Schokolade trank.

(Das weitläufige Gebäude gehört der Stadt und wird gelegentlich für Ausstellungen benutzt. )

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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11 Antworten zu Griechische Kunst am Sonntag: Zoi Gaitanidou, Metaxourgio und documenta.

  1. ele21 schreibt:

    Danke für diese Eindrücke!

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  2. afrikafrau schreibt:

    deine Kunst-Sonntagsführung hat mir sehr gefallen, der gestickte Afrikakopf begeistert……
    auch die anderen vorgestellten Arbeiten, die Graffities…. vielen Dank

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  3. afrikafrau schreibt:

    darüber freue ich mich…

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  4. Ulli schreibt:

    Das sind ganz wunderbare Bilder und ich dachte an den Artikel von Susanne vor längerer Zeit, als es um die Verbindung von textiler Kunst und Malerei ging- vielen herzlichen Dank, liebe Gerda, dass du uns mitgenommen hast- ausgesprochen gut gefällt mir auch die bemalte Garagentür und ja, ich dachte auch schon öfters so, wie du, wenn ich das eine und andere Strassenbild bewunderte … das renovierte Haus sieht dagegen regelrecht steril aus- ich mag Stadtviertel, die bunt sind- aber die Erfahrung zeigt doch, dass auch sie früher oder später den Spekulaten unter die Nägel gerät, nur ist es ja grad so eine Sache in Griechenland mit dem Geld und den Investitionen und vielleicht tummeln sich die Spekulanten (noch) in anderen Gefilden …
    herzliche Frühabendgrüsse sende ich dir nach Athen- ich habe gerade den Keller entrümpelt und war ein bisschen traurig, was Feuchtigkeit so alles zerstört- vor allen Dingen viele alte Blechdosen, aber nun, so ist das eben mit Kellern und der Vergänglichkeit…
    Ulli

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    • Ulli schreibt:

      P.S. Ich vergass ganz zu schreiben, dass ich mich besonders freue, dass du uns eine Künstlerin zeigst und dass auch die künstlerische Leitung in Frauenhänden liegt- ich hab mich nämlich gestern mal wieder darüber geärgert, dass ich einen Kunstkatalog durchblätterte, um zu entscheiden, ob ich ihn noch einmal mit umziehe oder nicht und darin nicht eine einzige Frau vertreten war und das Ganze nennt sich dann: new spirit in painting- also weg damit!!!

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      • gkazakou schreibt:

        dies ist nicht die erste Künstlerin, die ich zeige, Denk mal an die große Retrospektive Opi Zounis. Und die künstlerische Leitung der Galerie hat ebenfalls eine Frau. Ich habe den Eindruck, dass die Frauen sehr am Kommen sind.

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      • Ulli schreibt:

        ja, liebe Gerda, auch daran erinnere ich mich und ich hoffe, dass du Recht hast!

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    • gkazakou schreibt:

      deine Erfahrungen mit dem keller-Ausräumen erinnern mich jetzt sehr daran, wie es war, als wir aus unserer ersten Athener Wohnung auszogen. Die B+cher, die wir im keller hatten, waren alle nass geworden, angeschimmelt und verbogen, Wir stapelten sie vor dem Haus zusammen mit allerlei anderem Gerümpel. Kaum waren die Sachen draußen, kam wie aus dem Nichts ein Wägelchen mit einem Pferdchen davor die Straße entlang, drauf saß eine freundliche Frau in langem Kleid, die besah sich die Sachen und nahm, was sie brauchen konnte, mit. Ich dachte ich träume, und auch jetzt, wo ich mich dran erinnere, kommt es mir wie ein Traum vor. … Am nächsten Morgen war übrigens, bis auf einen alten Kaktus, auch der Rest verschwunden.
      Zur Ausstellung noch: ich erinnerte mich an euren Austausch über Textilkunst. das war auch ein Grund, warum ich hinging.

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    • gkazakou schreibt:

      Noch zur Buntheit des Stadtviertels: Dieses hier ist nicht bunt, sondern verfallen. Früher waren hier Fabriken, wie ja auch der Name sagt (Metaxourgeio=Seidenspinnerei). In den ebenerdigen Häusern lebten vor allem Angehörige der musulmanischen Minderheit (Türken, Zigeuner aus Thrazien). Es gab dann einen Aufschwung, auch schon Spekulation, es entstanden Hausmonstren, auch große Hotels, und einige verfallene Häuser wurden von Künstlern, von Bars und Restaurants übernommen. Es wurde bunt. Aber dann kam die Krise, die schon sieben Jahre dauert, und jetzt gibt es fast nur Stillstand und weiteren Verfall, sehr viele Ruinen. Das sind fabelhafte Fotoobjekte, ich mag sehr gern dort spazieren gehen, aber zum Leben ist es schwierig geworden. Ganz in der Nähe ist auch das Cabaret Voltaire, wo ich mal ausgestellt habe, ich schrieb davon. Eine ganze Menge mehr dazu findest du hier (https://gerdakazakou.com/2015/11/24/metaxourgeio/), und wenn du Cabaret Voltaire als Suchwort eingibst.

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      • Ulli schreibt:

        ich schaue nochmal, aber ich erinnere mich, dass du schon einmal über das Viertel geschrieben hast und ich unbedingt einmal dort durch schlendern möchte… auch an die Ausstellung erinnere ich mich-
        liebe Grüsse am Montagmorgen
        Ulli

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