Du warst in St. Petersburg, du Glückliche? – Nun, nicht wirklich. Aber in der Ermitage war ich. – Aber die befindet sich doch … – ja, ja, in St. Petersburg. Doch im Rahmen des „russischen Jahres“ sind einige der Schätze der Ermitage nach Athen gelangt, und die habe ich mir angeschaut.
Zuerst stattete ich freilich dem „Lykeion“ des Aristoteles einen Besuch ab. Eine nicht besonders ansehnliche Ausgrabung zwar, aber dort zu wandeln, wo einst Aristoteles lehrte, ist immerhin ein erhabenes Gefühl.
Auch hat man sich große Mühe mit der Bepflanzung dieses noch nicht lange fürs Publikum freigegebenen innerstädtischen Geländes gegeben.
Aber da sind wir schon fast im Nachbargrundstück, das zum Byzantinischen Museum gehört.
Dort war die Ermitage zu Gast. …. und grüßte ihrerseits die Gastgeberin Athen mit der Leihgabe eines herrlichen Gemäldes von Theotokopoulos (genannt El Greco): Petrus und Paulus, die beide Besucher der antiken Stadt Athen waren. Aber das ist lange her, wenngleich, nun, Aristoteles war da schon 300 Jahre tot.
Aber was soll ich zu dem Goldschmuck sagen, den das nomadische Volk der Skythen im 6.-4. Jahrhundert v.Chr. (also lange bevor Aristoteles lebte) fertigte! Ich war schwer beeindruckt. Peter der Große ließ alle Stücke, die nicht bereits durch Raubgrabungen im Ausland gelandet waren, aus den Weiten Sibiriens zusammentragen.
Wie weit dieses Sibirien war (und ist), siehst du hier.
In der Gemäldeabteilung begleiteten mich einige Freunde aus Bloghausen. ZB Runa, die so herrlich witzig von Amor und Psyche zu erzählen weiß (https://lehmofen.wordpress.com/2016/12/01/wenn-wuensche-sich-erfuellen/) ….

Auguste Rodin, Amor und Psyche
oder Dieter Motzel, dessen wundervolle Beträge zur „Sehnsucht nach dem Licht“ mit dem Italien-Verweigerer Caspar David Friedrich beginnen …
und mit den lichthungrigen Nördlern im Mezzogiorno enden. https://haushundhirschblog.wordpress.com/2016/11/28/die-sehnsucht-nach-dem-licht-4/

Franz Xaver Winterhalter, Neapolitanische Siesta, 1837
Natürlich fehlte auch die Geliebte des Zyklopen Polyphem, Galatea, nicht, über die ich gelegentlich berichtete https://gerdakazakou.com/2016/11/20/mirror-of-the-mind-2-nachtrag-die-liebe-des-polyphem/

Luca Giordano, Triumph der Galatea (1675-77)
und der immer beliebte Gott des Weines Bacchus war sogar durch ein Gemälde des Caravaggio präsent.
Ohne die Kunst, behauptet Aristoteles, gäbe es für Vieles kein Ventil und keine Ausdrucksmöglichkeit. Was im tatsächlichen Leben unerträglich sein kann, lässt sich im Medium der Kunst nicht nur viel leichter ertragen, sondern sogar genießen. Und es kann dabei auch zum Erkenntnismittel werden. „Denn von den Dingen, die wir in der Wirklichkeit nur ungern erblicken“, heißt es in der Poetik, „sehen wir mit Freude möglichst getreue Abbildungen, z. B. Darstellungen von äußerst unansehnlichen Tieren und von Leichen.“ (Wikipedia zu Mimesis)
Beispiele für derlei Kunst (mit Leichen und anderem unangenehmem Wirklichkeitswert) fehlten in der Sammlung der Ermitage weitestgehend. Die Zaren und Zarinnen hielten sich, scheints, die hässliche Welt gern vom Leibe und bevorzugten hübsche Stadt-Veduten wie diese

Bernardo Belotti, Blick auf Pirna, 1753-55
oder Bilder ihres eigenen Palastes (den Namen des Malers habe ich nicht notiert),
oder träumten, wie ihre bayrischen Kollegen in Griechenland, von einem noch größeren, noch schöneren Palast (Klenzes Entwurf für den königlich-bayrischen Palast in Athen, im Hintergrund die Akropolis)
Doch dann kam die Revolution.
Aus der Zeit danach sind mir nur zwei Werke aufgefallen: das eine ist ein Hamburger Werftarbeiter von Heinrich Vogeler (1872-1942), der deutliche Angriffe auf die aristotelische Maxime von der „naturgetreuen Nachahmung“ zeigt: kubistische und futuristische Elemente machen deutlich, wie sehr sich seit Beginn des 20. Jahrhunderts das Kunstideal vom klassischen Vorbild entfernt hat.
Noch ausgeprägter ist dies in einem Selbstportrait (1923) von Chaim Soutine, dessen Bilder wie eine Vorwegnahme der Schrecken wirken, die das 20. Jahrhundert heimsuchen werden.
Wie recht Aristoteles hatte! Diese Sammlung ist beeindruckend!
LG Babsi
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danke Babsi! Natürlich ist nur ein winziger Bruchteil der Ermitage-Kunstschätze nach Athen gekommen (dort hat man ca 2.5 Millionen Objekte im Archiv, 60 000 werden ständig gezeigt), aber es war tatsächlich eine sehr eindrucksvolle Auswahl.
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Was für ein Archiv, unglaublich 2,5 Millionen Objekte, Toll!
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Das war ein feiner Art Walk, zusammen mit dir auf den Spuren des großen Aristoteles, den ich ebenfalls sehr verehre…
Und dann noch durch die halbe Eremitage zu wandeln, inmitten goldener Kunst, wow!
Herzlichen Dank und liebe Dezembergrüße vom Lu
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danke Lu fürs Mitgehen und Mitfreuen! Wünsche schöne Tage!
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Guten Morgen, liebe Gerda, Aristoteles bringt es auf den Punkt warum wir uns überhaupt der Kunst zuwenden, warum wir uns ausdrücken, die Mittel sind verschieden, aber immer geht es um das Ventil. ich habe das schon in sehr jungen Jahren so gespürt, damals spilete ich noch Theater und malte und schrieb, ich hatte immer das Gefühl, wenn ich es nicht tue, dann platze ich, wohin sonst sollten denn alle meine Eindrücke fliessen? Und daran hat sich nichts geändert, nur dass ich heutzutage nur noch mit den Kindern schauspielere …
Der Goldschmuck ist atemberaubend, besonders wenn man die Zeit bedenkt und den Ort!
Und dann fällt mir noch etwas aus meinem Kunstunterricht ein (als ich mein Abi nachgemacht habe), dass sich die Art zu sehen mit der Veränderung der Fortbewegung verändert hat, ging man einst zu Fuss, oder fuhr mit der Kutsche, was alles gemächlich war, gab es plötzlich die Eisenbahn und die Welt zog ganz anders an den Menschen vorbei und veränderte die Sichtweisen auf sie und somit auch den Malstil … darüber kann man jetzt sinnieren. Ich füge hinzu, dass es Ende des 19. Anfang des 20. Jahrhunderts war, dass die Psychologie als Wissenschaft zu der Menschheit kam und damit die Innenschau einen ganz anderen Stellenwert bekam.
Ich danke dir für die Reise nach Petersburg 😉 und grüsse dich von Herzen
Ulli
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Sehr danke ich dir für deinen gedankenreichen Kommentar, liebe Ulli, und nehme hoffentlich ein bisschen Postkutschen-Gemächlichkeit mit mir, wenn ich gleich ins Auto steige und in die Mani düse. Ich melde mich wieder aus dem Paradies. Gerda
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gute Fahrt, liebe Gerda und heiles Ankommen!
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Danke Ulli, wir sind schon angekommen, haben aus- und eingeräumt, ich habe etwas geputzt und ein Feuerchen im Kamin entzündet. Draußen funkeln Mondsichel und Aphrodite (Venus) um die Wette, um mein Herz zu erfreuen. 🙂
Dir eine geruhsame sternenklare Nacht! von Herzen, Gerda
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Toller Beitrag mit interessanten Infos. Sehr niedliche Plastik von Amor und Psyche. Und Danke für´s Verlinken meiner Geschichte! 🙂
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Pingback: Im Stadtwald, über Utopie nachdenkend. | GERDA KAZAKOU
Es muß eine wirklich wundervolle Ausstellung gewesen sein, liebe Gerda, die Du Dir ansehen konntest. Wie gut geht es doch der Psyche, wenn sie mit Amor Herz und Seele und ein einziger Körper ist…
Ein bayrisch königlicher Palast und im Hintergrund die Akropolis… Wie schrecklich wäre es doch gewesen und wie gut, daß eine Revolution kam. ..
Die ururalten Goldarbeiten der Skythen aus Sibirien sind unglaublich schön und sie sind tatsächlich kaum zu glauben, wenn man an dieses heutige Land denkt. (Mir fällt ein Lagerarbeiter aus Sibirien ein, der bei Minusgraden von 24 ° noch nicht fror. Er trug ein Flanellhemd mit offenem Kragen unter seiner Tiefkühlkleidung und war da die absolute Ausnahme unter all den anderen)
Danke für diesen wundervollen Spaziergang durch Teile eines berühmten Museums, die in Athen zu Gast sein konnten.
Herzliche Grüße von Bruni
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Freut mich sehr, liebe Bruni, dass ich dich zu einem Bummel durch die Ermitage einladen konnte! Liebe Grüße dir! Gerda
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ich bin so gerne mitgegangen, liebe Gerda
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