Das kennen wir, glaube ich alle: Du sitzt in einem Seminar, hörst zu, machst Notizen, und plötzlich verselbständigt sich die Hand. Der Kugelschreiber produziert allerlei Linien, Figuren, Symbole, bald ist die ganze Seite statt mit ordentlich geschriebenen Sätzen mit
automatischen Zeichnungen bedeckt.
So ging es mir gestern. Ein Paar war zu einer therapeutische Sitzung gekommen, die Studierenden durften zuschauen. Ich kritzelte vor mich hin, während ich der Familiengeschichte lauschte. Irgendwann aber merkte ich, dass es einen Zusammenhang gab zwischen dem, was ich hörte und sah, und der Bewegung meiner Hand. Das war für mich eine wichtige Entdeckung, denn schon lange hatte ich nicht mehr gezeichnet. Ich freute mich, dass es „noch ging“ oder „wieder ging“ – dass meine Hand die Schwingungen aufnehmen konnte, die vom Gefühl meines Gegenübers zu mir herüberströmten. Hier zwei Beispiele: Zarte Einfühlung, die sie so sehr brauchte, sei nicht von ihrer Mutter gekommen – darüber spricht die Frau. Und ihr Verlangen ist, sie beim Partner zu finden.
Aber dies ist wohl nicht möglich. Stattdessen entwickelt sich ein Muster großer Abhängigkeit bei gleichzeitiger Abwehr, Abgrenzung und Konflikthaftigkeit.
Allmählich ging ich dazu über, bewusst zu zeichnen. Dadurch verließ ich leider die Ebene der Schwingungen und geriet auf die der Beobachtung des äußerlich Wahrnehmbaren.
Als später eine andere Klientin kam, setzte ich die Versuche mit Portraits fort,
wurde aber zunehmend von der Körperhaltung in den Bann gezogen.
Und schließlich war sie wieder da, die halbbewusste Arbeit der Hand, und nahm Bewegung auf, ohne nach den Einzelheiten des Äußeren zu fragen.
So gelangte ich an eine lange verschüttete Erinnerung. Vor Jahren hatte ich eine Frauenfigur gemalt – ganz in sich zusammengezogen, dunkel und depressiv. Die muss sich aufrichten, dachte ich, und malte eine zweite Figur, die, immer noch am Boden sitzend, den Oberkörper hebt, doch ein Arm biegt sich wie eine schützende Samenhülle über ihren Kopf. Die dritte Figur – volle Aufrichtung – wollte ich malen, konnte es damals aber nicht, und so blieb es beim Vorsatz, den ich schließlich vergaß.
In den beiden letztenn Skizze sehe ich nun endlich die sich entwickelnde Form: die Aufrichtekräfte heben den Oberkörper und aus der kreisenden Bewegung steigt die aufrechte Gestalt empor.







Da hast Du das Thema Skizzieren ja schon in Deinem Blog aufgegriffen! Schön!.
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Ja, ich sagte es dir im Kommentar zu deiner Besprechung des Buches über Skizzieren. Es ist ein spannendes Thema.
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Bei solchen Gelegenheiten (Fortbildungen, Seminaren etc) kritzelte ich stapelweise Blätter voll. Leider bin ich nie auf die Idee gekommen sie aufzubewahren. So im nachhinein fast schade.
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na ja, ich habs auch zum ersten Mal getan. Sicher hast du noch viele Gelegenheiten 🙂
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Großartig….
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