Wie es uns gefällt.
Gestern ist mir die Geschichte der Tiu-Ti ins Tragische abgeglitten. Doch wer möchte schon ein trauriges Ende? Ich nicht. Also habe ich ein bisschen in die Zukunft geschaut.
Der Winter und die Jagdsaison sind vorbei. Tiu-Ti hat einen neuen Gefährten gefunden, den sie recht innig liebt, und, ja, er liebt sie auch, gerade so wie sie ist: rund und hübsch findet er sie mit ihren kurzen netten Flügeln und ihrem Stummelschwanz, und ich kann ihm da eigentlich nur beipflichten. Besonders jetzt, wo sie geduldig auf ihren beiden hellblauen Eiern sitzt, vor sich zwei schon ausgebrütete Nacktlinge. Fröhlich stimmt mich auch, dass die klitzekleine I-Kuick zurückgekehrt ist. Sie ist nicht mehr allein, denn sie hat einen Allerliebsten gefunden, mit dem sie ununterbrochen turtelt.
Mir scheint, sie ist gerade so heftig verliebt, wie es vordem unsere Tiu-Ti war.
Schön ist der Ort, den unsere Freunde für sich und ihre Lieben gefunden haben. Schön und sicher unter dem dicken dornigen Ast. Der wölbt sich über ihrem Nest, als sei er ein Delphin, sprungbereit, falls sich ein feindlicher Mensch nähert.
Aber da steht doch ein Grabstein? Ach was, es ist nur ein großer Felsen, gerade dort, wo im letzten Herbst O-Kuock plötzlich tot aus dem Himmel fiel. Unter dem Felsen quillt seither eine Kuelle mit kristallklarem akuamarin-blauem Wasser hervor.
Das Wasser (Akua) sucht sich seinen Weg hinab zu den Wiesen. Und so ist auch das Inselchen entstanden, auf dem Tiu-Ti und ihr Liebster brüten.
Und wenn ich noch ein wenig weiter in die Zukunft lausche, höre ich, wie Tiu-Ti ihren neugierigen Kleinen erzählt vom Beginn aller Zeiten:
Am Anfang waren Tui der Helle und Tiu die Dunkle. Die beiden liebten sich herzlich. Jeden Tag sangen sie Tui-tiu-tui-tiu-tuitt. Aber etwas fehlte. Und was war das? Tui-tiu-tui-tiu-tuitt – ach wären wir, ach wären wir, ach wären wir zu Dritt!
Als die Zeit reif war, legte Tiu ein wunderschönes blaues Ei. Tui war begeistert, drehte es, wendete es, setzte sich auch drauf – und plötzlich sprang es auf. Und was glaubst du, was da herausspazierte?
Ein Ziuzui – schreien die Kleinen begeistert, denn sie lispeln noch etwas. Ich!
Recht so, spricht die Mama. Ein Ziuzui kam herausspaziert. Und so hat alles angefangen.
Und wenn du hinaufschaust in den Himmel, dann siehst du Tiu die Dunkle und Tui den Hellen.
Immer wechselt der Helle Tui mit der Dunklen Tiu ab. Und so ist es mal hell, meine Kleinen, und mal dunkel in der Welt.
Dunkel und Hell gehören zusammen und sind Eins im Großen TIUTUI .
So, die Geschichte ist aus. Zeit, den Vögeln ihre Ruhe zu gönnen. Die Quelle plätschert und gluckert sacht über die Kiesel und durch das Wiesental. Es hört sich an wie Nachtgesang. Tiu die Dunkle übernimmt die Herrschaft. Gute Nacht allen Vogel- und Menschenkindern.
Gar so turtelig-romantisch hätte es garnicht werden brauchen, auch ein Grabstein hier und da ist nicht verkehrt. Aber jetzt sind wir mal zufrieden über diese deutlich freundlichere Wendung…
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Ich freu mich, Sabine, dass ich deine Hoffnungen übertroffen habe! Zum Glück ist die Natur großzügig und füllt mit vierfachem Nachwuchs die Lücken auf, die der Mensch reißt.
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