Und weiter geht’s im Text (Ausschnitte aus meinem Roman Schwanenwege)
…doch wird sie (Io) gnadenlos verfolgt, gejagt und geplagt von einem „Oistros“, den Hera schickt, und sie rennt, um ihm zu entrinnen, „bis an den Saum der Welt“*
Wer oder was ist dieser Oistros? Das Wörterbuch sagt: Kuhbremse. Aber Io ist doch wohl nicht wirklich zur Kuh geworden? Verlangen, inneres Feuer, Stachel. Das passt schon besser. Hat Io, erschrocken und zutiefst verletzt, ihr erstes Monatsbluten erlebt? Hormon, wie Oistrogen ein griechisches Wort, bedeutet ungestümes, reißendes, unaufhaltsames Vorwärtsdrängen – und das genau ist es, was Io bei ihrer wahnsinnigen Flucht empfindet und schildert. Vielleicht ist Io einfach ins Alter gekommen, wo es sie nach einem Mann verlangt? Natürlich nicht nach irgendeinem Kuhhirten, sondern wenn schon, dann gleich nach dem obersten Gott.
Io also entkommt ihrem Wächter Argos und stürmt davon, soviel ist sicher. Sie wird fortgerissen, durch Meere, Ströme und Katarakte vorwärtsgetragen in rasender Flucht. Zuerst rennt sie nach Norden (…..)
Dann wendet sich Io „nach Sonnenaufgang“* und durchquert von wilden Volksstämmen bewohnte Gegenden – unmöglich, sich all die Namen zu merken. Bis in den fernsten Kaukasus gelangt sie, zu Prometheus, der dort, an den höchsten Berg geschmiedet, schmachtet.
Auch er ein Opfer des Gottes. Ein Adler zerreißt ihm die Leber. Er brachte den Menschen, die „Träumer und stumpfen Sinns“* waren, das Feuer der Intelligenz. Ist das ein Verbrechen?
(…) Prometheus, „der Vorausschauende“ – denn das ist sein Name -, verkündet Io das Schicksal ihres ganzen Geschlechts….
*Aischilos, Der gefesselte Prometheus.
Die Bremse gefällt mir, klein, schnittig, markant. Toll, diese bildlich bewegte Umsetzung des dramatischen Textes…
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danke dir, Sabine! Ich hoffe, Bremsen lassen dich in Ruh!
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