Myriades Impulswerkstatt: Bild 2, irgendwann, ein Schiff (Glas)

Klar, weiß doch jeder, dachte ich, als ich den Text las. Leben setzt sich überall durch. Wenn wir dem Leben eine Extrachance geben, gehts noch besser, aber auch ohne unser Zutun: Das Leben, irgendwann einmal auf diesem Erdball entstanden, lässt sich nicht unterkriegen.

Müll macht da keine Ausnahme. Jeder Müllplatz ist auch ein Recycleplatz, denn die Materialien zersetzen sich, werden überwuchert … , ohne dass wir Menschen irgendetwas dazu tun. Wie zB diese auf dem Müll gelandete Fotoserie: https://gerdakazakou.com/2021/10/16/haende-fuesse-kleine-beobachtungen/

 

Recyclen hat jedoch noch einen spezielleren Sinn, wie mir scheint, nämlich „Wiederverwenden“. Das ist was anderes, als „in den natürlichen Kreislauf zurückgehen“. Letzteres geschieht, ersteres setzt menschliche Tätigkeit voraus.

Das „Wiederverwenden“ kann künstlerisch-spielerisch oder ökonomisch-zielgerichtet erfolgen. Dadurch werden neue Artefakte (vom Menschen Hergestelltes) geschaffen, die ihrerseits irgendwann recycled werden – sei es durch Naturprozesse oder durch erneutes  Umformen durch Menschen.

Irgendwann also. Irgendwann, oder genauer: am 29. November 2018, nahm ich dieses Schiff in die Hand und zeichnete es. Schifflein Ahoi! Das Schiff legte ab.

Zerbrochen war die Flasche, die womöglich jemand weggeworfen hatte und die am Strand rumlag, bist ein alter Seemann,  den niemand mehr brauchte, sie aufgesammelte und das zusammenklappbare Schifflein hineinbugsierte, um sich ein Extrageld zu seiner kleinen Rente zu verdienen. Irgendwann wechselte es in meinen Besitz über, irgendwann zerbrach die Flasche.

Die Flasche ist aus Glas. Und das Glas, woraus ist das, und seit wann kennt man das Rezept? Wer fand es zuerst heraus?

„Das erste bekannte Rezept für Glas stammt aus dem Jahr 658 vor Christus und wurde aus der Bibliothek des assyrischen Königs Assurbanipal überliefert: „Nimm 60 Teile Sand, 180 Teile Asche aus Meerespflanzen und 5 Teile Kreide und du erhältst Glas.“ (zitiert nach printplanet.de)

Aha. Damals also – und tatsächlich schon lange bevor das Rezept aufgeschrieben wurde (die ältesten Glasfunde stammen von 3500 v.Chr.) – verwandelte man eine Mischung aus Sand, Pflanzenasche und Kreide unter Zusatz starker Hitze in Glas. Die Glasmanufaktur und die Herstellung von Glasuren für Tongefäße entwickelte sich zuerst in Ägypten und Mesopotamien – nun ja, in China gabs auch schon dieses Wissen. Die Glasbläserei erfanden wohl die Syrer kurz vor der Zeitenwende, und 100 Jahre später schaffte man es dann in Ägypten, farbloses Glas herzustellen – das Fensterglas für die römischen Villen war geboren.

Doch wie kam man überhaupt darauf, Sand etc in Glas zu verwandeln? Gab es Vorläufer in der Natur, von denen man abschreiben konnte? O ja. Obsidian entstand aus abkühlender Lawa, Gesteine schmolzen durch Meteoriteneinschlag „und wandelten sich zu glasigen Geschossen“, Gewitter kamen und schmissen diese glasigen Geschosse auf sandige Gebiete, Blitze schlugen ein und „machten draus Quarzglas, sogenannte Fulgurite.“ (zitiert nach printplanet.de. Auch die anderen Informationen stammen aus diesem Artikel)

Als diese wilden Zeiten der Erdgeschichte sich ausgetobt hatten und Menschen auf der sich beruhigenden Kruste erschienen (woher nur? Wann? Nun, irgendwann halt), sammelten sie das Quarzglas ein und machten daraus Speerspitzen, Amulette und Schmuck, später auch Werkzeuge. Wir wissen das, weil einige solcher Artefakte von Archäologen gefunden und „einsortiert“ wurden.

Glasgefäß, archäologisches Museum Kalamata

Wieviele dieser Artefakte durch spätere Generationen recyclet wurden, um kunstvollere Gegenstände herzustellen – zB die obige Vase – wissen wir nicht. Was wir hingegen wissen, ist, wann und wo die vollautomatische Glasherstellung begann: Mitte des 19. Jahrhunderts in den USA. Innerhalb einer Minute konnten jetzt schon neun Flaschen produziert werden! Die massenhafte Flachglasherstellung gelang freilich erst ein halbes Jahrhundert später, 1917, wiederum in den USA. Die Verfahren wurden seither immer mehr beschleunigt und verbessert, die Anwendungsbereiche vermehrt, gläserne Türme entstanden und beherrschen nun die Skyline der Großstädte…

Und irgendwo in diesem Prozess fand sich auch eine Gelegenheit für die Herstellung der Flasche, in die ein nicht mehr gebrauchter Seemann ein Boot einbrachte. Sie zerbrach und ich zeichnete es. Und formte es elektronisch um. Schifflein ahoi! Und schon legt das Schiff ab, einer weiteren Verwandlung entgegenträumend.

Dies ist ein Beitrag zum zweiten Foto von Myriades Impulswerkstatt  unter Verwendung der Mosaiksteine „irgendwann“ und „das Schiff legte ab“.

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About gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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8 Responses to Myriades Impulswerkstatt: Bild 2, irgendwann, ein Schiff (Glas)

  1. Wunderschön: Die Hände und Füße auch, dann aber ebenfalls Dein Schiff-Ahoi-Kunstwerk, als Zeichnung und zuletzt künstlerisch verwandelt. Wirklich schön!

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  2. Avatar von Myriade Myriade sagt:

    Solche Texte sind ja ein Genuss, vom Hundertsten ins Tausendste und alle Teile interessant und informativ. Glas ist auch ein faszinierender Werkstoff, es wird wohl auch irgendwann zufällig entstanden sein, genau „irgendwann“. Den Abstecher ins Maritime mag ich auch sehr, das zusammengelegte Schiff in der Flasche, vielleicht auch noch eine Flaschenpost, fertig sind die Kulissen für Meergeschichten. Diese Schiffe in der Flasche sind eine ganz eigene Kunst, ich glaube sie werden so gebaut, dass man an einem Faden zieht und das Schiffchen legt sich so klein zusammen, dass es in die Flasche passt. Hohes Handwerk !
    Vielen Dank für den sommerlichen Beitrag !

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  3. Avatar von Myriade Myriade sagt:

    Mir scheint, dass das Problem mit Liken und Kommentieren mit der Verbindung zusammenhängt. vom PC aus funktioniert es prächtig, der hängt an einem Kabel. Über den Laptop, der per WLAN läuft, funktioniert es nur sporadisch …

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  4. Sie sind faszinierend, die älteren (und manchmal auch neueren) gläsernen Objekte.
    Mich faszinieren sie seit vielen Jahren schon und deshalb findet man altes Glas in allen möglichen Formen und Farben auch bei mir in der Wohnung 🙂
    So wie es bei Dir die Eulen sind, ist es bei mir das Glas, Gerda
    Es fing mal mit mundgeblasenen Christbaumkugeln an…, die am Weihnachtsbaum der Eltern hingen *schmunzel*

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