Montags ist Fototermin: Gesamteindruck oder Detail?

Heute möchte ich mich einem ganz banalen Thema zuwenden, das mich beim Fotografieren oft genug beschäftigt: Gesamteindruck oder Detail?

Ein Beispiel gefällig? In einem der vielen römischen Museen mache ich ein schnelles Erinnerungsfoto. Es hat trotz der schlechten Fokussierung einen gewissen Reiz für mich. Das Miteinander und Gegeneinander von Statuen und lebendigem Besucher sowie Hell und Dunkel der Figuren gibt ihm Inhalt und Spannung. Wenn ich es ansehe, erinnere ich mich an den besonderen Moment einer gemeinsamen Reise.

Am selben Ort mache ich ein zweites Foto. Es ist ein Detail der Marmorskulptur des Flussgottes rechts im Hintergrund.

Das Interesse (Motiv), das zum Foto führt, ist hier ein ganz anderes.  Fragen nach dem WAS, dem WIE, der tieferen Bedeutung wollen Antwort. Was hat den Künstler bewogen, dem Flussgott diese Miniatur aus Putte und Schuppentier unter die Hand zu legen? War es zu seiner Zeit ein gängiges Motiv? Gewinnt die Skulptur durch dieses Detail an künstlerischem Interesse? Hat überhaupt einer der unzähligen Besucher dieses Detail bemerkt? Wieviel Zeit und Kunstfertigkeit ist nötig, um die feinen Formen aus dem Marmor zu hauen und zu schneiden? Stillstehen, Schauen, Wundern, auch Bewundern gehen dem Entschluss voraus, dies zu fotografieren.

Ein zweites Beispiel: Ich gehe bei stürmischem Wetter am Meer spazieren. Himmel-Meer-Vogelschwärme. Das Foto gibt die Gesamtstimmung wieder. Es könnte besser geschnitten sein: mehr Vordergrund, weniger Himmel … Aber das sind stilistische Einzelheiten, die den Gesamteindruck nicht verändern.

Nun aber gehe ich nahe an ein paar Vögel heran, die vor den auflaufenden Wellen am Strand stehen. Was für Vögel sind das? Wie stehen sie gegen den Wind, wie fliegen sie auf? Mit bloßem Auge meine ich zu erkennen, dass es sich um junge Silbermöwen handelt. Es gibt auch eine Menge Tauben, die bei meinem Nahen auffliegen. Ich mache etliche Fotos, um mir zu Hause Einzelheiten zu beschauen. Es hat sich gelohnt.

Hier eine protestierende Silbermöwe im Jugendkleid.

 

und auffliegende Tauben:

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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13 Antworten zu Montags ist Fototermin: Gesamteindruck oder Detail?

  1. afrikafrau schreibt:

    eine stilvolle Umgebung – wunderschön

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  2. Myriade schreibt:

    So ein Foto ist ja auch sehr persönlich und warum man es gemacht hat und was man selbst darin sieht, kann von anderen nicht wirklich beurteilt werden. Zum Beispiel bei deinen letzten Foto, kann man sagen, dass es die Wirkung verstärken würde, wenn man die Beine der Café-Möbel wegschneiden würde. Aber kann jemand sagen, ob sie nicht für dich irgendeine Bedeutung haben?

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    • gkazakou schreibt:

      Die Stuhlbeine sind natürlich nicht von Interesse, sie können fehlen. Ich habe die Fotos absichtlich nicht beschnitten, wohl wissend, dass sie verbesserungwsbedürftig sind. Mein Thema war ja ein anderes.

      Gefällt 1 Person

  3. kopfundgestalt schreibt:

    Ich schnitt vor mehr als 20 Jahren Frauenportraits an. Das war mir ganz natürlich. Die Frauen dachten wohl: Wo ist mein Haar, meine Schulter, mein Kleid, die mich bestimmende Wohnung?
    Ich würde es heute ähnlich wieder ähnlich machen.

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  4. Ich fand die Entscheidung zwischen Gesamteindruck und Detail auch immer sehr schwierig. Meine Lösung wurde die, die du hier im Grunde auch zeigst. Ohne es bewusst zu setzen, wechseln sich Panoramen und Straßenbilder regelmäßig mit Details von Pflanzen, Türen oder Kunstwerken ab. Die Zusammenschau bringt dann die Erinnerung an den erlebten Moment sehr nahe.

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    • gkazakou schreibt:

      Danke, Andrea! Ich mache es natürlich heute, wo man drauflos knipsen, vergrößern, beschneiden kann, ebenso. Früher überlegte man es sich dreimal, ehe man auf den Auslöser drückte.

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  5. Die auffliegenden Tauben im Vordergrund sind Dir richtig gut gelungen, liebe Gerda!

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