Impulswerkstatt Bild No 4 und abc-etüde: Gottesanbeterin Mantis

Die eindrucksvolle Skulptur der „Gottesanbeterin“ (Mantis, Wahrsagerin), liebe Myriade, hat bei mir gefunkt. Und da Christianes abc-etüden heute Nacht in den verdienten Sommerschlaf fallen, habe ich mir zugleich ein paar Kata-Strophen einfallen lassen. Danke Myriade, danke Christiane. (Für die abc.etüden, Wochen 25/26.2022: 3 Begriffe, maximal 300 Wörter. Die Wortspende stammt dieses Mal von Donka mit ihrem Blog OnlyBatsCanHang. Sie lautet: Wiedergeburt, blümerant, antanzen.)

abc.etüden 2022 25+26 | 365tageasatzaday

Leben und Tod der Gottesanbeterin Mantis

Eine kata-strophische Moritat

Mantis (Gottesanbeterin) kämpft mit ihrem Schatten

Der Tag war windstill und trocken

Und Dämmerung zieht nun ins Land

Der Mantis Duft wird verlocken

Wer sich im Duftkreis befand.

*

Da tanzt er schon an, der Bewerber

Der das Weib voll Entzücken gerochen

Sie wird für ihn zum Verderber

Sobald er auf sie ist gekrochen.

*

Ihr Gesichtchen funkelt verwegen

„Sei du mein geliebter Gemahl

Du kommst mir gerade gelegen

Ich hatte kein Mittagsmahl.“

*

Sie fasst ihn mit dornigen Klauen

Blümerant wird dem Armen zumut

Ach, ahnte er nicht, dass die Frauen

Nur selten sind zärtlich und gut?

*

Die Mantis lässt sich fein schmecken

Den sie in den Fängen fest hält

Um sich dann die Lippen zu lecken

Und zu lauern, wer noch ihr verfällt.

*

Die Mantis frisst noch einen andern

Der allzu verliebt sich ihr naht

Zu Ende ist damit sein Wandern

Vergebens um Gnade er bat.

*

Der Schmaus hat gestärkt unsre Mantis

Der nächste Gemahl kommt zum Zug

Du fragst mich vielleicht, „wie-und-wann-dies?“

Und ob dies nicht Lug und Betrug?

*

Doch wahr ist, was ich dir sage.

Die Mantis empfängt und zur Feier

Des Endes der Sommertage

Legt sie an die vierhundert Eier.

*

Die hüllt sie in schaumige Hülle

Und birgt sie an sicherem Ort

Auf dass sich ihr Schicksal erfülle

Und die Mantis-Art zeuge sich fort.

*

Sie selbst wird ins kaltweiße Auge

Des Todes dann freundschaftlich blicken

Gewiss dass der Nachwuchs was tauge

Und folge denselben Geschicken.

*

Das ist was die Mantis uns lehre:

Den Gott anzubeten auf dass

Er Wiedergeburten beschere

Und niemand sich etwa beschwere

Wenn er anderen dienet zum Fraß.

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Bei meiner Lektüre handelt es sich um einen Roman von Peter Henning, „Die Ängstlichen“, Aufbau Verlag, 2009. Zu Ende gelesen habe ich es nicht.

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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11 Antworten zu Impulswerkstatt Bild No 4 und abc-etüde: Gottesanbeterin Mantis

  1. Christiane schreibt:

    Danke Gott und nimm dein Schicksal hin? Fressen und gefressen werden? Hmmmmmmm.
    Ich glaube, ich habe noch nie eine Gottesanbeterin in freier Natur gesehen, jedenfalls kann ich mich nicht erinnern. 🤔
    Abendgrüße 🌤️🌳🍷🍪🌼👍

    Gefällt 1 Person

  2. Myriade schreibt:

    Schaurig finde ich die Mantris in natura und in Stein. Bei den Insekten haben es die Männer ja allgemein sehr schwer, sexueller Kannibalismus …. Auch bei den Spinnen ist das eine häufige Praktik. Die Kata-strophen beschreiben in wie immer perfektem Versmaß diesmal „Brutalitäten“ in der Tierwelt, wobei instinktgetriebenes Verhalten eigentlich gar nicht brutal sein kann …
    Super, dass du doch immer passendes Fotomaterial in den Archiven hast 😉
    Vielen Dank für Beitrag Nummer 1 dieses Durchgangs.

    Gefällt 1 Person

    • gkazakou schreibt:

      Das Verspeisen von Männchen hat hier die sonderbare Funktion, dass das Weibchen zu Kräften kommt, damit es möglichst viele Eier legt und dann auch sorgfältig einpflegt. Wir sagen ja oft, auf die Gegenwart komme es an. Bei den Tieren scheint es eher auf die Zukunft anzukommen. Nicht auf die des Einzelwesens natürlich, sondern auf die der Art. Alles, was ihr nützt, kommt zur Anwendung. Warum das so ist? Und warum es bei uns Menschen offensichtlich nicht so ist? Ich weiß nur eine Antwort: die Tiere haben kein Gefühl für Individualität, sie leben als Teil der Gattung, während sich bei den Menschen ein Individualbewusstsein herausgebildet hat, durch das Anfang und Ende durch das Leben des Einzelexemplars bestimmt wird. Das Ergebnis ist ziemlich furchtbar, wenn jedes Einzelexemplar danach strebt, ewig zu leben, und die Gattung aus dem Auge verliert. Das ist auch eine Art von Kannibalismus…

      Gefällt 2 Personen

      • Myriade schreibt:

        Meiner Ansicht nach, gibt es ja nicht für alles eine Erklärung. Die Frage nach dem Warum zB die Gottesanbeterin das Männchen frisst, macht ja keinen Sinn. Man kann feststellen, dass ein gewisses Instinktverhalten gewisse Wirkungen hat, wie zB das Fressen des Männchens, das Eiweiß bringt, aber wie dies entstanden ist, kann man nur vermuten. Die Evolution ist ja nicht zielgerichtet mit einem Plan vor Augen wie die Dinge sich entwickeln sollen.
        ES erstaunt mich, dass du als freiheitsliebende Person es furchtbar findest, dass Menschen nicht ausschließlich nach Instinkten funktionieren müssen sondern auch als Einzelexemplar Ziele verfolgen können. Das ewige Leben wäre allerdings ein recht blödsinniges, weil unerreichbares Ziel 🙂

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    • gkazakou schreibt:

      Du hast mich komplett falsch verstanden, liebe Myriade. So gehts manchmal. Ich wollte den Gedanken äußern, dass für Tiere die Arterhaltung offenbar wichtiger ist als das Individualleben, während es beim Menschen tendentiell umgekehrt ist. Beides kann mörderische Folgen haben: einmal für die Idividuen (Männchen), das andere mal für die Menschheit und das Leben auf der Erde insgesamt. Natürlich plädiere ich deshalb weder für ein „nur instinktgeleitetes“ Verhalten der Menschen noch für eine gewaltsame Reduktion der menschliche Gattung. Ganz und gar nicht! Vielmehr würde ich mir wünschen, dass jeder Mensch, dessen Recht auf individuelle Lebensgestaltung ihm niemand absprechen sollte, in seinen Entscheidungen auch das Gesamt (Gattung, Erde) ins Auge fasst und sein Verhalten entsprechend einstellt.
      Mein Plädoyer geht IMMER in Richtung Freiheit, denn nur unter der Voraussetzung von Freiheit kann auch Verantwortlichkeit für individuelle Entscheidungen entwickelt werden..

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      • Myriade schreibt:

        Das kann natürlich passieren 😉 Ich möchte dagegen halten, dass für die allermeisten Tiere die Arterhaltung nicht wichtig sein kann, weil sie nicht in der Lage sind, bewusst zu denken. Der Instinkt treibt sie zu arterhaltendem Verhalten nicht die Einsicht, dass die Art über dem Individuum steht.
        Im Idealfall entsteht durch Selbstbestimmung Verantwortlichkeit, ja, das denke ich auch. Allerdings braucht es auch noch ein drittes Element, nämlich Information und Wissen und leider tritt dieser Idealfall nicht immer ein …

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    • gkazakou schreibt:

      Natürlich entscheiden sich die Tiere nicht BEWUSST für die Arterhaltung. Die Art hat das für sie überindividuell festgelegt – in Form von Instinkten. Ich spreche, in Analogie zum individuellen menschlichen Ich, gern von einem Gruppen-Ich der Tiere, das das Individualverhalten weitgehend steuert.
      Bewusstseinsakte (und damit Freiheit) sind nur bei individuellem Ich möglich. Die Individualisierung ist also Voraussetzung für die Entwicklung von Freiheit, aber mehr auch nicht. Wir Menschen sind ja durchaus nicht frei, wir sind an unsere Art (Menschheit) und unseren Planeten gebunden. Unsere Instinkte sind aber nicht mehr maßgebend und sind ja auch inzwischen schon recht verschlissen..Ich denke, wir sind uns hier im Grunde einig. Die Frage ist dann, was an die Stelle der nicht mehr gut funktionierenden Instinkte treten soll, wenn Vernunft und Moral noch in den Kinderschuhen stecken. Ich denke: Erziehung und Selbsterziehung.

      Gefällt 1 Person

  3. Pingback: Etüdensommerpausenintermezzo 2022 – Hinter den Kulissen | Irgendwas ist immer

  4. Die armen Gefressenen kannten ihr Los, denke ich, aber hielt es sie ab???
    Deine Katakata-strophische Moritat ist tatsäch eine, und was für eine supertolle, liebe Gerda!

    Gefällt 1 Person

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