Die grandiose Dora!

Erstaunen und tiefe Verbeugung bei den Mitspielern, meint Dora, sei die angemessene Art der Begrüßung, wenn sie die Bühne betritt.

Wenn jemand meint, Dora sei ein bissel narzisstisch und selbstverliebt, so möchte ich dem wiedersprechen. Sie ist SEHR selbstverliebt. Oder, um es hoffnungsvoller auszudrücken: Sie ist aus der für Kinder eher normalen „Grandiosität“ und Selbstherrlichkeit noch nicht herausgewachsen, also noch nicht im guten Sinne erwachsen.

Ich nehme an, Dora hat diesen Narzissmus von unserer modernen Kultur aufgesogen. Sie ist ja ein Kind unserer Zeit. (Zu kindlicher Grandiosität hier und hier). Und so meint nicht nur Dora, sondern so mancher andere Zeitgenosse, dass es so toll wie heute in der Welt noch nie zugegangen sei. Mit all den wundervollen technischen, medizinischen und überhaupt Errungenschaften, mit unserem demokratischen Gemeinwesen, unserer Mobilität und unserem Wohlstand seien wir allen anderen Epochen weit voraus. Sie wundern sich über Leute, die die Grandiosität der heutigen Menschheit hinterfragen. „Ja, würdest du etwa lieber im Mittelalter leben? ohne Strom? Mit Hexenverbrennung? Hast du überhaupt eine Ahnung, wie scheußlich die Menschen früher gerochen haben? Und denk mal, was man heute alles transplantieren kann, und bald werden wir auf dem Mars siedeln können! Ist das etwa nichts?“ Nein (ja), natürlich (nicht), antwortest du dann kleinlaut.

Als kürzlich ein KRIEG in Europa ausbrach, waren sie sehr verwundert: Wie? Ist das denn möglich? Unter zivilisierten Menschen, also weder in Afrika noch in Asien, sondern HIER, vor unserer Haustür? Im 21. Jahrhundert? Längst vergessen haben sie, was HIER im 20. Jahrhundert alles möglich war. „Ach was, das war ein Versehen. Nie wieder! Wir haben unsere  Lektion gelernt. Die Russen freilich, die haben da offenbar eine Lektion verpasst. Die müssen wir ihnen nun erteilen“. Tja. Grandios.

Liebe Dora, du bist mir lieb. Du bist einzigartig. Aber einzigartig bist nicht nur du. Jeder und jede ist auf die eine und andere Art einzigartig. Wenn du das lernst: den Wert der anderen Epochen, Völker, Menschen und Lebewesen, ja, auch die mühsam hergestellten Dinge genauso zu schätzen wie den eigenen Wert, dann hast du ein bisschen an Weisheit hinzugewonnen.

(Diese Blüten mit kurzen und langen Stengeln hat Dora gestern unterwegs abgerupft, weil sie schnell welche haben wollte. Ich habe Dora deswegen gescholten und die Blüten dann mit einem Schwemmholz zusammengebunden und in eine Vase gestellt)

 

 

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
Dieser Beitrag wurde unter alte Kulturen, Dora, Erziehung, Geschichte, Glasscherbenspiel, Leben, Legearbeiten, Meine Kunst, Psyche abgelegt und mit , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

7 Antworten zu Die grandiose Dora!

  1. finbarsgift schreibt:

    Eine feine humane Stimme (Stimmung) finde ich hier vor … mit feinem Legebild und Foto … schön. Herzlichen Dank dir dafür ⭐ ⭐ ⭐
    LG von mir zu dir, Lu

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  2. Gisela Benseler schreibt:

    Nun, Dora ist nicht perfekt, macht nicht alles richtig….Wie wir übrigens auch nicht. Man „übt“ sich halt im „Menschwerden“.🧍💐

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  3. Ingrid Spieker schreibt:

    Du grandiose Dora!

    Ich möchte keinen Kommentar zu heute schreiben * dich allerdings etwas auf morgen vorbereiten *
    LASS DICH NICHT IN DEN APRIL SCHICKEN

    denn der 1. April ist traditionsgemäß der Tag, an dem man sich gegenseitig Streiche spielt * scherzhaft und lachhaft auf den Arm nimmt * Vielleicht fällt dir ja auch ein Aprilscherz ein * Grad in schweren Zeiten darf uns der Humor nicht verlorengehen 🤗

    Gefällt 1 Person

  4. Auch ein Jahr, noch jung an Tagen, kann dazulernen und mal sehen, wie es sich zur Mitte hin vielleicht schon ein wenig verändert 🙂
    Ein feines kleines Sträußchen, Gerda. So mag ich sie.

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