Bei Joachim Schlichting las ich heute:
„Ich machte mir Gedanken, wie es wohl zu dieser ästhetisch ansprechenden Gestalt gekommen sein mag, bis mir einfiel, dass man Schönheit gar nicht erklären muss – wohl auch deshalb, weil man es nicht kann. Sagte nicht bereits Friedrich Schiller (1759 – 1805):
„Schön, kann man also sagen, ist eine Form, die keine Erklärung fordert, oder auch eine solche, die sich ohne Begriff erklärt„.*
So ist es wohl. Wie sollte man Schönheit „erklären“? Erklärt sie sich nicht „von selbst“? Und doch bleibt die Frage des Erfassens von Schönheit. Im nachahmenden Zeichnen, im Malen, in der Poesie, aber auch im Betrachten möchte man sich die Schönheit ins Bewusstsein heben, um dem vergänglichen Augenblick einen Ort zu schaffen, an dem er bleiben kann.
Das komplizierte Schöne:
Ich habe das Bedürfnis, es mir Stück um Stück zu erschließen, vielleicht, dass ich das Geheimnis seiner Schönheit erfassen kann. Ich könnte es malen, zeichnen, könnte Worte suchen. Hier habe ich es nur fotografisch festgehalten: die sanften Farbspiele zwischen Goldgelb und ätherischem Violett-Rosa, die verspielten aufsprühenden Pinselstriche, die anmutige Biegung von Stempel und Staubgefäßen, die elegant-liebliche Vervielfältigung der Drei vom Zentrum bis in die schwingenden Außenblätter – es ist ein nicht endendes Fest für die Augen.
Das einfache Schöne: Ich begreife es sofort. Oder? Der um einen dunkelbraunen Abgrund schwingende Fünfstern von klarstem Gelb – einfache Vollkommenheit.
Ja, Schicht um Schicht versucht man sich dem schönen Objekt zu nähern, wobei ich gerade versuche, mir die „komplizierte“ Blüte eindimensional farbig vorzustellen. Ist sie wirklich so kompliziert? Interessant ist dann, wie jeder Mensch die Schönheit anders erfaßt.
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Danke Almuth, Zweidimensional ist sie auf dem Foto ja. Versuch sie dir lieber dreidimensional vorzustellen. Oder besser noch vierdimensional – im sich Entfalten, Blühen, Verwelken. Dasselbe emfehle ich für die „einfache“ Blüte mit ihrem tiefen Brunnenzentrum.
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Das ästhetische Empfinden beim Betrachten oder auch Schaffen schöner Dinge entspricht vielleicht dem was man auch bei der erfolgreichen Lösung eines wissenschaftlichen Problems verspürt. In beiden Fällen ist das, was in uns abläuft, entscheidend, aber genau das bleibt uns als solches weitgehend verborgen.
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Es ist nicht verborgen, meine ich, da sehr deutlich fühlbar als Freude, Begeisterung, wie auch immer zu benennen. Es entzieht sich nicht dem Bewusstsein. Vielleicht gibt es eine hormonale Ausschüttung („Glückshormone“), die freilich nicht die Ursache, wohl aber das Mittel sein kann, durch das uns ein Glücksmoment körperlich-seelisch wahrnehmbar und geistig bewusst wird.
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Pingback: Schönheit. Das Komplizierte und das Einfache (kleine Beobachtungen) | Bernwards Blog
Schönheit ist so vielfältig. was dem einen schön erscheint, ist dem anderen vielleicht zu schlicht oder auch zu kompliziert. Liegt in der Schönheit, so wie wir sie sehen, nicht in erster Linie die Harmonie? Ein harmonisches Miteinander von verschiedenen Faktoren?
Bei Deiner komplizierten Schönen ging mir sofort das Wörtchen * kapriziös * im Kopf herum und siehe da, bei der einfachen Schönen fand ich zuviel Schlichtes. Da war nun nichts, was mich wirklich anzog und bei der anderen war es mir zuviel 🙂
Im Schönen muß ein harmonischer Funke stecken, etwas, was uns ins Auge sticht, unseren Blick festhält.
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Interessant, dein Gesichtspunkt. Meine beiden Schönen sind für dich also entweder kapriziös oder allzu schlicht. Wenn du es auf Menschen überträgst, mag ich dir zustimmen, bei Blumen nicht. Um es auf Menschen zu übertragen, fehlt freilich der eigentliche Inhalt: der Mensch im stofflichen Gewand.
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Oh ja, Gerda : ein SO wichtiges Thema. SCHÖNHEIT ! Bezaubernd, deine Fotos, anregend deine Gedanken…
Mir begegnet Schönheit verstärkt täglich in Gesichtern, vor allem in denen von Kindern.(Ich wohne zwischen 5 Kitas und habe tägliche kleine Begegnungen.)Hier kurz noch zwei Stimmen von meinen kleinen Nichten zum Thema : „Schönheit ist, wenn mein Herz so hüpft“ — und– “ Kitsch ist, wenn man sich schämen muss, dass man es trotzdem schön findet“.—
Und eine Neu-Entdeckung für mich : das Thema ZELTSCHULE in Flüchtlingslagern im Libanon und in Syrien. Auch das hat für mich mit dem Thema Schönheit zu tun. Denn wenn etwas getan wird, das gut ist, ist es auch schön. Das wussten die Alten Griechen, denn es gab für unsere ZWEI Wörter bekanntlich nur EINS :καλóς ! weil es als dasselbe empfunden wurde.
Hier einer der links, die Zeltschule, Idee und Umsetzung betreffend :https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/libanon-fluechtlingshelferin-baut-zeltschulen-fuer-gefluechtete-syrische-kinder
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Danke dir, liebe Elsbeth, für deinen ieb- und anregungsvollen Kommentar. Ja, schön und gut fallen im moralischen Urteil zusammen.
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