Autopict hat schneidende Wörter für die abc-etüden gespendet: Mondsichel und Zäsur, dazu auch noch das nicht weniger schnittige Wort kontrollieren. Und wir armen ABC-Schützen sollen daraus auf Christianes Wunsch hin eine Kürzestgeschichte basteln.
WIKIPEDIA: „Die Zäsur (lateinisch caesura ‚Schnitt‘) ist in der Verslehre ein sich durch eine Wortgrenze ergebender Einschnitt im Vers. …. Entsprechend den Bezeichnungen bei der Kadenz heißt die Zäsur nach einer Hebung männlich oder stumpf, nach einer Senkung weiblich oder klingend. …. Wird die Zäsurgrenze noch zusätzlich durch Reim betont, so spricht man von Zäsurreim. . …“
Das klingt doch recht einladend! Dazu Ludwig Zeidlers stets wundervolle Einladungskarte!
Und so reimte ich mir folgende Zäsur-Kata-Strophen zusammen.
Belehrung
Du musst sie stets beachten, die Zäsur!
Was ist damit? // Dies Ding, das scheidet! //
Den Scheitel meinst du? die Frisur?
Nein, die Zäsur! Die schneidet
Den Reim inmitten durch, wie einst der Cäsar
Als er den Knoten von / du weißt schon wem, zerschnitt*.
Jetzt komm ich wirklich nicht mehr mit.
Du meinst den Alexander, nicht den Cäsar
Ja wahr! / der Alexander wars / den meint ich, klar
Der war das mit hic Rhodos losmarschieren
Hic salta** und den Fluss / den Rubikus***,
Den wollt er vor dem andern kontrollieren,
Dem andern? Welchem? Und was war das für ein Fluss?
Der Fluss, der panta rhei vielleicht, den Heraklit ….?
Ich bitte dich, hör zu, du machst mich ganz konfus!
Von wegen der Zäsur weiß ich noch dieses Lied:
Die Mondessichel, das weiß die Göttin, kann auch schneiden,
Zeus schnitt dem Vater Kronos // so musst er verscheiden,/
damit das Dings ganz ab / das fiel ins Meer hinab / und schien verloren /
doch ward die Aphrodite dann, die Holde, draus geboren.****
Die Liebesgöttin? O, die kenn ich! Mannomann
Was die nicht alles mit den Menschen machen kann!
So ist’s! Sie kontrolliert die Sichel und auch die Zäsur,
uns bleibt, zu lieben und zu leiden und zu scheiden nur.
*Gordischer Knoten. Die Seile am Streitwagen des phrygischen Königs Gordios hielten Deichsel und Zugjoch untrennbar zusammen. Sie waren aus dem Bast der Kornelkirsche gemacht. Wer sie löste, errang die Herrschaft über Asien (Info von Wiki). Dass Alexander den Knoten mit einem Schwerthieb durchtrennte, steht symbolisch für eine tiefe Zäsur in der europäisch-asiatischen Geschichte, die bis heute fortwirkt.
**Hic Rhodos, hic salta (Übersetzung von Erasmus) stammt aus einer Fabel des griechischen Dichters Äsop. Ein Fünfkämpfer prahlte mit seinen großartigen Leistungen bei den Wettkämpfen auf Rhodos und bekam diese Belehrung: hier ist Rhodos, hier musst du zeigen,was du kannst.
***Richtig: Rubicon. Der Fluss, den Caesar mit seinem Heer Richtung Rom überschritt, womit er bewusst einem Senat-Beschluss entgegenhandelte. Den Rubicon überschreiten bedeutet daher: einen Schritt tun, den man nicht mehr zurücknehmen kann (alea iacta est – der Würfel ist gefallen – sagte Caesar angeblich, als er den Rubicon überschritt). Das Überschreiten des Rubicon gilt als tiefe Zäsur in der römischen Geschichte, denn sie läutete das Ende der Republik und den Beginn des Imperiums ein.
**** Aphrodite – die aus dem Schaum Emportauchende. Der Schaum bildete sich, als das Zeugungsorgan des Kronos (Saturn), das Zeus (Jupiter) mit der Mondsichel abhaute, ins Meer fiel. Das Ende der Herrschaft des Kronos war das Ende des „Goldenen Zeitalters“ – und mithin eine sehr schmerzhafte Zäsur, die auch durch die Geburt der Aphrodite nicht wettgemacht wurde.


Klasse Philosophie-Poem!
*Hut ab und gute Nacht*
Liebe Grüße vom Lu
LikeGefällt 2 Personen
🙂 und Gute Nacht1
LikeLike
Dankeschön 🙄
LikeGefällt 1 Person
Dankeschön
LikeGefällt 1 Person
you are welcome!
LikeGefällt 1 Person
Hier kann man wirklich viel lernen, oder Vergessenes rekapitulieren. Vielen Dank
LikeGefällt 1 Person
danke meinerseits 🙂
LikeLike
Warum war die Sichel, mit der er entmannt wurde, die Mondsichel? (Übrigens, entmannst du gerade den falschen Gott oder gibt es mehrere Mythen dazu?) Mir wäre es logisch, dass Kronos die Sichel schwingt, da er ja der Gott der Zeit ist, aber warum sollte Kronos durch den Mond (der auch was mit Zeit zu tun hat, und mit der Weiblichkeit, oder?) entmannt werden?
Aber egal welcher Gott, mich interessiert der Mond.
Liebe Grüße aus dem regnerischen Hamburg und danke für diese tolle Etüde!
Christiane
LikeGefällt 2 Personen
Recht hast du, Aphrodite entstand, als Uranos (Himmel) von seinem Sohn Kronos (Zeit) entmannt wurde. In der nächsten Generation stimmt es dann wieder: Zeus entmannt seinen Vater Kronos (Saturn). Es scheint die gängige Form der Herrschaftsablösung gewesen zu sein, denn die Götter (Titanen) waren ja unsterblich. Die Reihe der Titanen-Götter Uranos (Himmel) – Kronos (Zeit) – Zeus (Wetter) – also ein Abstieg vom Allgemeinen zum Besonderen. Die entsprechenden Göttinnen-Titaninnen sind Gaia (Erde) – Rhea (das Fließende) – Hera (Familie).
Dass es die Mondsichel war, ist ziemlich sicher. Es heißt, Gaia habe sie aus ihren Eingeweiden geschmiedet – und tatsächlich ist der Mond nach alter Überlieferung aus der Erde herausgebrochen – womit die Zeitrechnung (Herrschaft des Kronos) begann. Wie Gaia hielt es auch Rhea, ihre Tochter. Schwester und Ehefrau des Kronos. Auch sie verhalf dem Sohne (Zeus) zur Herrschaft, indem sie ihm die Mittel lieferte, den Vater zu entmachten.
In den alten Versionen heiratete die Mutter-Göttin den Sohn und verjüngte sich auf diese Weise. Insofern sind Gaia – Rhea – Hera ein und dieselbe. Ein Widerschein davon ist der Ödipus-Komplex, an dem die Söhne (nach Freud) bis heute nagen.
LikeGefällt 4 Personen
wundervoll – Deine Erklärung, ich habe danach gelechzt *lächel*
LikeLike
Was ein zuerst sinnverwirrendes Poem, das meine ganze Halbbildung infrage stellte -:)) Aber die Knoten im Hirn haben sich ja alle aufgelöst, so spielerisch müsste den Kindern Wissen vermittelt werden.
Die Götter Griechenlands waren noch schlimmer als die heutigen politischen Halbgötter, obwohl????
Herzliche Grüße vom Dach, Karin
LikeGefällt 3 Personen
die Mythologie ist eine sinnverwirrende Geschichte, man kann sie auf die verschiedenste Weise lesen, nichts ist fest und stabil. das macht es so spannend. Was die historischen Ereignisse betrifft, so werden sie uns in der Schule halt meist nur in Bruchstücken vermittelt, und hängen bleiben irgendwelche Zitate, die später durcheinander geraten.
Was die griechischen Götter anbetrifft:.Sie eignen sich hervorragend als Spiegel der menschlichen Tugenden und Grausamkeiten. Die Psychologen würden von Projektion reden.
LikeGefällt 4 Personen
Ein Poem, liebe Gerda, bei dem mich das Schmunzeln von der ersten Zeile an begleitete.
Es war ein Schmunzeln, dem auf seinem Weg Bekanntes und Unbekanntes begegnete und mit großer Freude habe ich am Ende dann Deine Anmerkungen und später die ergänzende Erklärung gelesen.
Aphrodite, meine schöne Schaumgeborene, hat also auch einen blutigen Ursprung, das wußte ich nicht, und was für einen. Solch drakonische *Strafen* haben die Menschen also von den Göttern übernommen 🙂
Bei Gaia meldete sich wieder mein Krümel an Bildung und ich hörte, ich lag nicht falsch *juchhu* und ich freute mich. Also doch das Göttliche der Erde, an dem ich niemals zweifelte
Eine geniale Etüdenarbeit, liebe Gerda!
Liebe Grüße von Bruni
LikeGefällt 1 Person
Besonders freue ich mich über dein Schmunzeln, liebe Bruni, das, könntest du mich jetzt sehen, sich auch bei mir eingenistet hat 🙂
LikeGefällt 1 Person
Das ist schööön 🙂
Schmunzelgrüße von mir, liebe Gerda
LikeGefällt 1 Person
Oha, das ist ja großartig, diese belehrende Zäsur-Kata-Strophen, auch mit dem gordischen Knoten mittendrin, der ist klasse. Und inklusive Hintergrundinfos dazu. Das werd ich mir noch mal genauer durchlesen müssen (alles schon so lange her oder noch nie gehört). Alea jacta est wird im Asterix ja meist falsch übersetzt mit Die Würfel sind gefallen, soweit ich mich zumindest erinnere. Super und danke für diese Extra-kreative Etüden-Variante!
LG !
LikeLike
war mir eine Ehre, lieber autopict!
LikeGefällt 1 Person
Sehr gelungen und herrlich amüsant obendrein! :o)
Liebe Grüße
Patricia
LikeLike
Danke und freu 🙂
LikeGefällt 1 Person