Hephaistos oder Schmiede das Eisen…

…solange es heiß ist. Dum ferrum candet, cudere quemque decet. Dem römischen Dichter Ovid (43 v.Chr – 17 n.Chr.) sprachen es seither viele nach. Es wurde zum geflügelten Wort.

Das Zeitfenster für den erfolgreichen Aufbau einer neuen Weltfinanzarchitektur ist nicht allzu groß. Je mehr die Auswirkungen der aktuellen Krise noch zu spüren seien, desto größer sei die Bereitschaft, sich auf Veränderungen einzulassen, heißt es immer wieder im Umfeld Merkels: „Man muss das Eisen schmieden, solange es noch heiß ist.“ (Nürnberger Nachrichten, November 2008)

Ja, ja, ich weiß, das ist lange her. Sieben Jahre. Andererseits, zu spät für eine neue Weltfinanzarchitektur wäre es auch nach sieben mal sieben Jahren nicht. Die Krise ist weiter aktuell, das Eisen flüssig, jedenfalls im Lande des Hephaistos (Gott der Schmiede und Alchemisten), das man zur Zeit auch das Land der roten Alchemisten nennen könnte.

In der Schmiede, rote Version (c) Gerda Kazakou

Kennst du den Mythos? Hephaistos war ein Gott, den die anderen Götter nicht in ihrem schönen Olymp haben wollten. Es heißt, seine Mutter Hera habe ihn runter auf die Erde geworfen, weil sie ihn hässlich fand und den Spott ihrer Mitgötter fürchtete. Andere behaupten, Vater Zeus habe ihn ins Meer geschleudert, weil er in einem Streit die Seite der Mutter bezog. Armer Kerl, und war doch ein vollwertiger Gott, einer der Zwölf. Weg musste er, der unschöne Balg. Er brach sich im Sturz die Beine, was ihn auch nicht schöner machte.

Wie so mancher Weggeworfene machte Hephaistos dennoch eine erstaunliche Karriere. Er schmiedete die herrlichsten Geschmeide, Waffen, Schilde, Ketten, Throne und Netze (seine Mutter Hera fesselte er an einen goldenen Thron und erstritt sich so seinen Platz im Olymp).

Geschmeide aus den Tiefen (c) Gerda Kazakou

Er schuf auch die erste künstliche Frau (Pandora), das erste vollautomatische Waffensystem (Talos von Kreta, s. Blogeintrag Ikaros), er war Helfer bei der ersten künstlichen Geburt (Athene aus dem Haupt des Zeus) und Erzeuger des ersten Athener Königs (Erechthenios). Da Erechthonios ebenfalls keine brauchbaren Beine hatte, erfand er das Rad und ließ sich mit dem Wagen herumfahren.

IMG_1376gruen rotO griechische Weisheit! Sie war uns auch im Bereich der Technologiekritik um einiges voraus. Nimm die Kunstfrau Pandora! Wie ihr Name sagt,  ist sie nicht nur geschmückt mit „allen Gaben“, sie gießt sie auch mit vollen Händen über die Menschheit aus. Heute würde sie wohl ganz Afrika kostenlos mit Tabletts,  Geschirrspülmaschinen, Impfkampagnen und Maschinengewehren überschwemmen. Fürchte die Büchse der Pandora!

Oder nimm den automatischen Talos: der umkreiste die Erde und erschlug die Feinde, ähnlich den heutigen Satelliten und Drohnen. Doch die Griechen mochten das nicht, sie schickten die Argonauten nach Kreta. Die erledigten den Unhold Talos, indem sie ihm ein Ventil aus seiner einzigen Vene entfernten. Heraus floss sein Treibstoff. Das war sein Ende.

Das Ende des Talos (c) Gerda Kazakou

Es war allerdings nicht das Ende der hephaistischen Schmiedekunst, die mal der Schönheit, mal dem Kriege dient. Je nachdem. Bis heute.

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Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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Eine Antwort zu Hephaistos oder Schmiede das Eisen…

  1. ingrid schreibt:

    Noch fehlen mir die inhaltlichen Worte zu Hephaistos und seinem Schicksal. Gerda mou, welcher Reichtum steckt in dir!

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