Der Vormittagsspaziergang ist längst vorbei, vorbei auch das Mittagessen, das heute nur aus dem Frühstücks-Joghurt bestand, da wir heute abend bei den „drei Schwestern“, unseren liebenswerten Nachbarinnen, zum Essen eingeladen sind – da erinnert mich Cynthias Eintrag daran, dass heute Susannes 8sammeln ansteht.
Immerhin habe ich schon ein Foto gemacht: ein geruhsamer Moment am Vormittag, der Mann hinter der Morgenzeitung, die wir vorher holten.
Und jetzt? Vor mir steht der Computer, in den ich diesen Beitrag tippen will, aber die Fotos fehlen noch. Ich lasse den Blick nach links schweifen, da fällt mein Blick auf allerlei Krimskrams und die Giesskanne, mit der ich vorhin die verbliebene Grünpflanze begoss.
Ich lasse den Blick nach rechts schweifen, da fällt er auf den grünen Lampenschirm und alles dahinter. Der Pinocchio aus Sizilien hängt mitten im Raum an der Lampe…
So gehts nicht. Ich muss wohl aufstehen. Aha, ja, da ist er ja wieder, der Pinocchio, ich habe ihn auf die Rückseite eines Wahlzettels gezeichnet und an die Wand neben der Tür geklebt. Ich finde, das ist ein guter Platz für diesen netten Kerl mit der spitzen Lügennase.
Drei Schritte weiter, und ich stehe im Flur vor einem Druck, den Freund Thomas Bayrle uns vor vielen Jahren schenkte, als er noch nicht Professor am Städele und berühmt war. Es zeigt sehr viele emsige Spinnerinnen, die alle zusammen die Große Spinnerin bilden. Auch einen Druck mit vielen kleinen Arbeitern, die den Großen Steuermann Mao bilden, und einen anderen, wo die Arbeiter den Kapitalisten Agnelli aus ihren Leibern zusammensetzen, hat Thomas uns damals, zu Kinderladenzeiten in Frankfurt, geschenkt.
Erinnerungen allüberall. Die merkwürdige Eisenskulptur rechts zum Beispiel erstand ich im Athener Cabaret Voltaire, als ich dort eine Ausstellung machte. Das Bild hinter der persisch anmutenden Kanne (woher stammt die eigentlich?) zeichnete ein kubanischer Künstler. Unten, das sind wohl die ersten Suren des Koran, mitgebracht aus Jordanien (?), daneben eine Ikone auf ein Stück Holz fein gemalt und mit Gold unterlegt. Und dies und das.
Wo ich schon mal dabei bin, schaue ich hinüber zur anderen Wand des Vorraums. Eine große Bücherwand – o weh, nein, der will ich mich jetzt lieber nicht nähern. Es reicht ja völlig, dem dort hängenden Bild, das ich vor Jahren malte und das dort Platz fand und vergessen wurde, ein bisschen Aufmerksamkeit zu schenken…
und weiterzugehen in die Küche. Bevor ich da lande, komme ich an einem meiner geschätztesten Legebilder vorbei: Don Quichote kämpft mit den Windmühlenflügeln. Ach, immer und immer wieder! Und Sancho Panza macht mit, egal was es ihn kostet. Dabei teilt er die Ideale seines Meisters überhaupt nicht. Warum tut er das? Das verstehe ein anderer.
Ich zähle mal durch: Acht! Halt! Schluss! Acht Achtsamkeits-Momente sollen wir sammeln, nicht mehr und nicht weniger. Aber es wird doch erlaubt sein, noch einen Blick in die Küche zu werfen, in der der Ölkanister wartet, den wir heute Abend zu den Nachbarinnen bringen werden? Das gibt mir die Gelegenheit, auch die aus Simbabwe mitgebrachten eleganten Holzfigürchen mit meiner Aufmerksamkeit zu beehren. Und ja, die Obstschale dahinter, die ist von Freundin Andrea, ich tauschte sie einst mit ihr gegen eines meiner Bilder.
Auf dem Küchentisch aber herrscht Gegenwart pur: Da steht eine Rotweinflasche, die mir heute vormittag mein Mann, und eine Rose, die mir vor zwei Tagen meine befreundete Roma-Mama Sofia verehrte. Ich bin gerührt. Danke, lieber Mann, danke, liebe Roma-Mama samt Tochter und Enkelin, danke Thomas, danke all euch anderen, die ihr hier eure Spuren hinterlassen habt, danke Alma, die du all dies geputzt hast, als wir nicht da waren, danke Susanne für die Anregung, diese meine Umwelt mit Achtsamkeit und Dankbarkeit zu betrachten!




Einen solchen Tripp durch unser Haus mache ich lieber nicht… Zu viel sedimentiertes Leben, will nicht geweckt werden. 😉
LikeLike
Ich denke, das Leben, in welcher Form auch immer, möchte angeschaut werden. 😉
LikeLike
Deine Wohnung sieht richtig gemütlich aus. Nicht so neumodern steril wie Wohnungen heutzutage oft aussehen 🙂
LikeLike
Die jüngsten Teile sind wohl die Ikea-Sitzgruppe im Salon, die ich 1979 noch originalverpackt nach Griechenland transportieren ließ…. Nein, der Küchentisch ist noch jünger, etwa Jahrgang 1989, als wir hierherzogen.
LikeGefällt 1 Person
Thomas Bayrle ist mir ein Begriff. Einer seiner Arbeiten im mmk frankfurt beeindruckte mich, ich glaube sogar darüber einen post geschrieben zu haben.
LikeLike
Sehr hübsche Wohnung
LikeLike
Wie schön, ein Rundgang durch Eure Wohnung mit all den schönen Erinnerungen.
Keine langweilige Wohnung, sondern eine mit viel Gerda – Ausstrahlung
Lieber Sonntagsgruß von Bruni
LikeLike
Bruni, du sagst es!
LikeLike
🙂
LikeLike
Guten Morgen, liebe Gerda,
herzlichen Dank für den idyllischen Einblick in eure liebevoll dekorierte Wohnung!
Ich erinnere mich sehr gerne an unseren Besuch bei euch.
Ich hänge gerade ein wenig und muss mich aufraffen, die Dinge des Tages zu beginnen.
Einen schönen Wochenbeginn verbunden mit einer dicken Umarmung wünscht dir Susanne
LikeLike