Heute Nachmittag war so schönes Licht, dass ich mich zum kleinen Hafen Kitries aufmachte, um ein bisschen herumzustreunen. Meinen Zeichenblock nahm ich mit, doch blieb er in der Tasche. Zu kalt war die Luft, die vom verschneiten Taygetos an unsere sonnige Küste strömte.
Ich stieg oberhalb der Ortschaft aus, und bummelte das uralte „μονοπάτι“ hinunter zum Hafen.
Stille und zauberhafte Ausblicke auf die Bucht zur Rechten…
und als sich der Pfad weiter senkt und windet, zur Linken. Vor mir liegen die neue schützende Mole, der Hafen und die Tavernen des Dorfes, dahinter das Dreieck des Kaps, das den Durchgang versperrt: In Kitries endet die Welt.
Sie endet, und eine andere beginnt. Die Welt der Träume.
Die καίκια ruhen, haben an der Hafenmole festgemacht. Es gibt da die alten, vorne breit ausladenden Holzboote und die anderen aus modernen Materialien, die ich nicht so mag, die aber sicher praktischer sind, weil Holz viel Erhaltungsarbeit nötig macht.
Nun, ich erzähle ja gern seelenstimmungsvoll, doch fehlt es natürlich nicht an Hässlichem, Bizarrem und Widersprüchlichem. Denn ich befinde mich nicht in reiner Natur, es gibt auch die Menschen, die dafür sorgen, dass es zum Schönen immer auch das Gegenstück gibt: Wunderbar die kleinen Orangen- und Zitronengärten, die in der engen Schlucht einen offenbar besonders günstigen Platz an der Sonne gefunden haben – doch viele Früchte liegen faulend am Boden, und Gerümpel stapelt sich vor der schön gefügten steinernen Mauer. Das Betongerüst eines illegal begonnenen und dann offenbar gestoppten Hauses verwittert vor sich hin. Ein Uralt-VW fand hier seine letzte Ruhestätte. Die Häuser an der Hauptstraße niedrig, kaum einstöckig, sehen ganz hübsch aus, zur Seeseite hin aber werden sie am steilen Hang vielstöckig und gruselig (kein Foto). Daneben hat dann ein wohlhabender Mensch ein prächtiges Vorzeigehaus moderner Architektur gebaut, die Zypresse davor überwachsen mit Bougainvillea.
Ja, so ist das hier. Ich kann ganz gut damit leben, denn es zeigt unverkrampft und offen, wie der Mensch eben ist: widersprüchlich. Bin ichs etwa nicht?
Ich steige in mein Auto, fahre los. Am Straßenrand steht eine Frau, macht ein Zeichen, ob ich sie mitnehmen könne? Zur nächsten Bushaltestelle Richtung Kalamata? Die ist freilich ein Dorf weiter als meins, aber was tuts? Sie steigt ein, eine große Plastiktüte auf dem Schoß. Dimitra heißt sie, wird wohl um die 50 sein. Sie freut sich, will mich beschenken. Ob ich Zitronen wolle? Ich nehme lächelnd vier Prachtexemplare, die sie aus ihrer Tüte fischt, entgegen. Sie will auch, dass ich wiederkomme, dass wir zusammen Kaffee trinken und ich dann noch mehr Zitronen mitnehme, daraus Saft mache, die könne man im Tiefkühlfach aufheben und habe dann den ganzen Sommer lang frische Zitronenlimonade. Beim Abschied sind wir Freundinnen fürs Leben. Ja, so sind sie hier.


Beeindruckend diese Landschaft
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So ein wunderbarer Bericht! Den muß ich teilen. 🩷🍀🌿🩵🌟
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Was für eine schöne Geschichte.
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Ich mag diese Gegensätze, wenn sie so üppig von Natur überwuchert werden…Schön und hässlich, ja es gehört schon auch zusammen und mit der Zeit sieht man es gar nicht mehr! Als wir arm waren, nutzen wir jeden Joghurtbecher für alles mögliche, die Muster der Bettdecken passten nie zusammen, und alles widersprach den erlernten Regeln und sensibilisierten Sinnen. Aber man gewöhnt sich daran und es gibt Menschen, die den Gegensatz nie bemerken!
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Das sehe ich auch so: man gewöhnt sich, und tatsächlich hat es auch seinen Reiz, wenn nicht alles gestailt ist. DasProvisorium, Unvollkommene steht dem Menschen viel besser an. Was mir nicht gefällt, sind die Verwüstungen durch Willkürbauten und Müllhalden, Doch selbst da findet man etliches fürs Auge.
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wunderbare eindrücke.
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Danke dir, Ralph. Ich hoffe, sie muntern dich auf in deiner Höhle.
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…oder Zitronenschalenmarmelade…mmmh!😊
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Mmm, ja, die mag ich auch sehr.
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https://safran-eu.de/suessigkeiten/marmelade-honig/3241/zitronat-marmelade-mit-safran-saharkhiz
Persische Zitronenmarmelade mit kandierten, ganz fein geschnittenen Zitronenschalen und Safran.
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Klingt sehr lecker. Ich vermeide die Küche zwar, aber warum nicht auch mal eine Ausnahme machen?
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Wie wunderschön, was ich hier lese, liebe Gerda, und am Ende hast Du eine neue Frendin gefunden! Beneidenswertes Gerda-Leben *lächel*
Schön hast Du es!
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Das Wort Freundin musst du nicht im deutschen Sinne auslegen, liebe Bruni. Falls wir uns wiedersehen, irgendwan, zufällig, sind wir wieder Freundinnen. 🙂
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So ähnlich dachte ich es mir, Gerda!
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Ein herrlicher Bummel in der griechischen Walheimat, viele wunderbare Fotos von der Landschaft, eine neue Freundin gewonnen, alles an einem Dezembertag, was will der Mensch noch mehr?!
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Danke dir. Ja, das sind so die schönen Seiten des Lebens hier, die nicht hoch genug zu schätzen sind.
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wow, die Zitronenfrau, klasse!
auch der alte VW ! Voll Altertumsschönheit!
dir ein feines Silvester, Esther, ääähm liebe Gerda!
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